antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Transatlantische Beziehungen:
Juden in Deutschland - Juden in Amerika

Von Toby Axelrodt

Als Leibl Rosenberg aus Nürnberg 1984 zum ersten Mal die Vereinigten Staaten besuchte, wurde ihm immer wieder die typische Frage gestellt: "Warum leben Sie in Deutschland? Gehen Sie nicht dorthin zurück! Es ist schrecklich".

"Ja, es war mein größter Traum nach Amerika zu kommen, aber Amerika ließ uns nicht rein! Man läßt sich nieder und wird älter" sagte er seinen Gastgebern.

Nahezu jeder Jude, der sich nach der Schoah für ein Leben in Deutschland entschied, wurde mit dieser Frage konfrontiert, ob von amerikanischen Juden, Juden in Israel, Argentinien oder wo auch immer. Sogar sie selbst haben sich diese Frage immer wieder gestellt.

"Niemand hat sich diese "Totsünde" nach Deutschland zurückzukommen vergeben" sagt Michael May, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Für die Beziehung zwischen Juden in Deutschland und Amerika hat diese Frage einen besonderen Stellenwert. Erstens stand das Ansinnen im Raum, daß die USA und amerikanische jüdische Organisationen mehr tun hätten sollen um europäische Juden vor der Schoah zu retten und später die Einwanderung von Überlebenden zu unterstützen. Zweitens konnten es viele Juden außerhalb Europas nicht fassen, daß überhaupt ein Jude im Land der Täter leben wollte. Für viele war es eine Form ihres Protestes Deutschland nicht zu besuchen.

"Alle jüdischen Organisationen mieden Deutschland und die deutsch-jüdische Gemeinschaft", sagt Joel Levy, Direktor der New Yorker Niederlassung der Anti-Defamation-Leage und Gründungsdirektor der deutschen Niederlassung der Ronald S. Lauder Foundation und früherer Leiter der Niederlassung der amerikanischen Botschaft in Berlin. "Es gab und gibt ein gewisses Ausmaß an Skepsis", meint Levy, der mit seiner Frau Carol von 1992 bis 2001 in Deutschland lebte.

Bezeichnenderweise werden Juden in Deutschland nicht länger gedrängt sich zu rechtfertigen und amerikanische Juden neigen zu einer größeren Akzeptanz. Vielleicht liegt es am Generationswandel, vielleicht ist es auch das Ergebnis vielfältiger Bemühungen der deutschen Regierung Multiplikatoren zu erreichen wie amerikanische Rabbiner und jüdische Führungskräfte sowie Besuchsprogramme für Holocaustüberlebende, die von den Städten zu Besuchsprogrammen eingeladen werden aus denen sie während der Nazizeit fliehen mußten.

Trotz der offenen Unterstützung von Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, für die amerikanische Position im Irakkrieg, in der er jeden, der es hören wollte, daran erinnerte, daß es US-Truppen waren und nicht Friedensdemonstrationen waren, durch die Juden aus den Konzentrationslagern befreit wurden, neigen einige Juden in Deutschland immer noch dazu, die amerikanische Judenheit als Ausdruck von amerikanischem Imperialismus zu sehen, der versucht, seine Ideen der europäisch jüdischen Landschaft aufzuerlegen.

Erst kürzlich versuchten Repräsentanten der amerikanischen Reformbewegung in Deutschland Boden zu gewinnen und verursachten dadurch Missverständnisse und Vorbehalte zwischen sich und dem Zentralrat.

Trotz solcher Spannungen gedeihen die transatlantische Beziehung. Zum Tangotanzen sind zwei Tanzpartner erforderlich, und in zunehmendem Maß begeben sich Juden aus Amerika und Deutschland zusammen auf die Tanzfläche.

Im transatlantischen Pas de Deux haben amerikanisch jüdische Organisationen wie das American Jewish Comittee, die Ronald S. Lauder Foundation und Chabad Lubawitsch Niederlassungen in Deutschland gegründet, und in steigendem Maße kommen amerikanische Juden nach Deutschland und sich davon zu überzeugen, wie sich jüdisches Leben entwickelt hat.

"Wir hatten Dutzende von Besuchern, die alle beeindruckt waren von der Entwicklung jüdischen Lebens in Deutschland. Einige haben Kontakte aufgenommen, die sie kontinuierlich ausbauen wollen", meint Deidre Berger, Direktorin der Berliner Büros des American Jewish Comittee, das 1998 eröffnet wurde.

In letzter Zeit gab es eine Reihe von Reisen von jüdischer Führungspersönlichkeiten aus Deutschland in die USA. Die Zielsetzung bestand darin, amerikanische Juden mit ihren deutschen Cousins bekanntzumachen und den Deutschen zu zeigen, wie man auf amerikanischer Seite mit den Herausforderungen der Einwanderung und Assimilierung, der Nahostpolitik und dem Antisemitismus umgeht.

Amerika "ist eine sehr ausdifferenzierte jüdische Gemeinschaft und wir können in vieler Hinsicht viel von ihr lernen" meint Mai, der vor kurzem von einer offiziellen Reise nach Washington und New York zurückkam, die von der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und Bridge of Understanding, einem Programm, das Verbindungen zwischen amerikanischen Juden und Deutschland aufbaut, organisiert worden war.

Mehr Zusammenarbeit zwischen den beiden Gemeinschaften "in vielen unterschiedlichen Bereichen" wünscht sich Charlotte Knobloch, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde von München und Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die mit May an der Reise teilgenommen hat. "Die Beziehung bringt uns viel Positives".

"Ich traf viele jüdische Amerikaner in Ostberlin, aber es war nicht mehr als ein gegenseitiges Hallo sagen", meint Hermann Simon, Direktor der Stiftung Centrum Judaicum, der kürzlich seine erste Reise in die USA unternahm um das Buch "Juden in Berlin" vorzustellen, das er mit Rabbiner Andreas Nachama, Direktor der Topographie des Terrors und Julius Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts der Universität Potsdam zusammen verfaßt hat. Der Besuch der "drei Tenöre" der jüdischen Gemeinde von Berlin wurde von der Friedrich Ebert Stiftung und Bridge of Understanding finanziert.

"Seit meinem Besuch schreiben uns die Amerikaner" erzählt Simon. "Nach meinen Vorstellungen ist das völlig 'unamerikanisch'".

"Mitglieder meiner Generation schickten ihre Kinder nach Amerika zum Studium im Gegensatz zu unseren Eltern, die uns nach Israel schickten" erzählt Rosenberg, der in der Stadtbibliothek Nürnberg arbeitet. Seine erste Reise wurde von der Konrad Adenauer Stiftung und vom American Jewish Committee unterstützt. "Jetzt sind wir davon überzeugt, daß Amerika der beste Ort auf der Welt ist, und ich habe nicht länger das Gefühl, daß amerikanische Juden mir Unrecht getan haben."

"Ich würde nicht sagen, daß sich die Beziehung geändert hat, aber sie hat sich entwickelt", kommentiert Judith Hart, Chefredakteurin der Jüdischen Allgemeinen Zeitung, die nicht mehr zählen kann, wie oft sie in den USA war. "Menschen reisen und treffen einander, besonders amerikanische Juden, die vorher nicht kommen wollten. Es gibt weniger vorgefaßte Urteile und eine größere Offenheit dazuzulernen".

Vor kurzem fand eine bahnbrechende Begegnungsreise von jüdischen Führungspersönlichkeiten aus Deutschland nach Amerika statt, die zeigte, daß diese beiden Gemeinschaften, so unterschiedlich sie im Hinblick auf Größe, Stabilität und Vertrauen sind, vor ähnlichen Problemen stehen: die Integration von Zuwanderern, die Weitergabe jüdischer Werte und Tradition an die folgenden Generationen und der Kampf gegen Vorurteile und Antisemitismus.

Aber: Vive la difference. Amerikaner sind beharrlich und zuversichtlich. Deutsche sind vorsichtig und gebildet. Amerikaner preschen alleine voran, Deutsche folgen dem Führer - zumindest nach den gängigen Stereotypen.

227 Jahre Demokratie sind sowohl ein Vorteil als auch ein Testfall für die amerikanischen Juden, die heute fast sechs Millionen zählen. Religionsfreiheit bedeutet auch die Freiheit sich assimilieren zu können; nirgends gibt es mehr anerkannte Richtungen des Judentums, Synagogen, jüdische Schulen, soziale, religiöse und politische Organisationen wie in den USA.

Im Vergleich dazu ist die jüdische Bevölkerung von etwa 100 000 in Deutschland winzig. Die jüdische Infrastruktur wie es sie vor dem Krieg gab ist nahezu zerstört und muß sich nahezu aus dem Nichts wieder aufbauen, nicht nur physisch sondern geistig. Dieser Prozeß machte einen großen Sprung durch die Ankunft von mehr als 70 000 Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion nach dem Fall der Mauer - und war beides: ein Segen und ein Fluch.

Paul Spiegel vom Zentralrat der Juden in Deutschland feierte diesen Bevölkerungszuwachs als nahezu wunderbares Zeichen, daß jüdisches Leben in Deutschland wieder möglich ist.

Aber "wir sind verständlicherweise gestreßt und überfordert" durch diese gewaltige Einwanderung, meint Knobloch, seine Stellverteterin. Die Neuankömmlinge "kommen zu uns mit jedem Problem. Wir haben nicht die Ressourcen um ihnen solch einen herzlichen Empfang zu bereiten".

Hier wird deutlich worin der Wert des transatlantischen Austausches liegt: Knobloch kam von ihrer USA-Reise zurück und war "tief beeindruckt vom Engagement von Gruppen, die alle ihre Mittel ausschließlich für die neuen Immigranten einsetzten". Sie kam nach Deutschland zurück und sagte, sie wünsche jedem russischen Juden, er könne dorthin gehen.

May war davon beeindruckt, wie schnell die russischen Emigranten englisch gelernt hatten und sich in die neue Kultur hineingefunden hätten. Er schrieb das Lehrmethoden zu, die auch in Deutschland angewendet werden sollten. Er war auch beeindruckt von dem "klar definierten, organisierten Netzwerk von Organisationen, die Lobbyarbeit vorantreiben" in den Vereinigten Staaten. Weit davon entfernt ein jüdisches Monopol zu sein, sei Lobbyarbeit in Amerika ein selbstverständlicher Bestandteil der politischen Arbeit, meint May. "Jede Gruppe tut es, und so auch das jüdische Spektrum. Auch die arabischen Gruppierungen artikulieren sich mehr und mehr" und "was die politische Unterstützung für Israel betrifft, besteht eine absolute Asymmetrie zwischen dem, was in den USA und was in allen anderen Ländern der Welt geschieht".

Das deutsche Judentum kann auch Nutzen ziehen aus dem Erfahrungshintergrund amerikanischer Rabbiner, meint Stephan Kramer, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, der auch an dieser Reise teilnahm. Kramer hofft außerdem, daß "bessere Kommunikationslinien über den Atlantik" auch dazu führen, daß mehr amerikanische Rabbiner nach Deutschland kommen werden um hier unter Umständen auch zeitweise in jüdischen Gemeinden zu arbeiten". Derzeit gibt es nur 23 Rabbiner für mehr als 80 Gemeinden.

Nicht nur Rabbiner, sondern auch Sportzentren sollten importiert werden, meinte Kramer, der beeindruckt war vom Sportclub eines jüdischen Gemeindezentrums in Washington D.C. "Juden treffen dort andere Juden und Nichtjuden können die Möglichkeiten auch nutzen. Wir sollten etwas Ähnliches in Deutschland haben", meint Kramer. Es sei ein total anderer Weg jüdische Gemeinde zu sehen. "Sie ist nicht nur ein Ort für jüdische Feiertage. Sie ist ein lebendiger Platz, wo man Leute treffen kann - eine Servicestation für die Gemeinschaft, die auch Nichtjuden in Kontakt mit Juden bringt". Außerdem seien solche Austauschreisen eine Möglichkeit für Juden aus Deutschland "einen Eindruck zu bekommen vom Judentum wie es in den USA gelebt wird: den Herausforderungen, den Problemen und den Erfolgsgeschichten" und andererseits bekämen amerikanische Juden im direkten Kontakt ein besseres Bild über jüdisches Leben in Deutschland. Möglicherweise sei der Generationswechsel die beste Antwort auf solche Mißverständnisse. Die Kinder der Einwanderer aus der früheren Sowjetunion seien "viel offener eingestellt gegenüber den USA und amerikanischen Haltungen. Die kommunistische Mentalität ist lange vorüber, und das gibt mir Hoffnung", betont Kramer.

Für Amerikaner war es "schwierig die Einstellung älterer Menschen zu ändern. Die Eröffnung des Büros des American Jewish Committee machte es in mancher Hinsicht für amerikanische Juden leichter nach Deutschland zu kommen", sgte Eugene DuBow, Gründungsdirektor des Berlinbüros und amerikanischer Berater von Bridge of Understanding. "Und natürlich ziehen das jüdische Museum und andere jüdische Sehenswürdigkeiten wie auch die wachsende jüdische Gemeinschaft jüdische Besucher an. Wenn es eine Mischung gibt, wenn Menschen sich sehen und begegnen können, dann gehen Ängste und feindselige Gefühle irgendwie zurück", fügt er hinzu.

Für Hermann Simon war es eine Offenbarung zu erleben, wie fasziniert amerikanische Juden waren drei deutsche Juden mit so unterschiedlichen Biographien zu treffen: Einer, der in Westdeutschland aufgewachsen war, der zweite in Ostdeutschland und der dritte im Exilland der Eltern. "Es war eine wirklich interessante Kombination für Amerikaner", sagt er.

"Amerikanische Juden sollten nicht mit Spenden hereinplatzen und Lehrstühle an Universitäten einrichten", meint Robert Goldmann, emeritierter Direktor für internationale Angelegenheiten der Anti Defamation League und Gastautor vieler deutscher Zeitungen. "Eher sollten wir deutschen Juden helfen ihren eigenen Prozeß der Identitätsfindung zu durchlaufen" basierend auf der amerikanischen Erfahrung einer Einwanderungsgesellschaft, wünscht er sich.

Die Fragen wie Juden in Deutschland leben können sind "ein schwieriger Teil des Lebens und es wird schwieriger, wenn die eigenen Kinder oder Enkelkinder sie stellen", sagt May, Vater von zwei Kindern. "Aber die Fragen werden genauso gestellt von Juden aus Buenos Aires, Quito und Lima" und durch einen Austausch können wir nur gewinnen.

"Amerikanische Juden sollten realisieren, daß sie hier Brüder haben. Wir verhungern nicht. Niemand bringt uns um, aber wir brauchen Kontakt mit Juden, denn wir alle stehen vor den gleichen Herausforderungen" findet Leibl Rosenberg, der in einem DP-Lager in Bayern geboren ist. "Und deutschen Juden sage ich: Wenn ihr euch deutsch fühlen wollt, dann ist das in Ordnung. Aber es gibt Juden auf der ganzen Welt. Geht und lernt von ihnen, wenn ihr könnt."

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschienen im Parlament 31/32 - 2003.

Feinbild Amerika:
Dan Diners Essays über Antiamerikanismus

Amerika wird zur Quelle allen Übels, Form und Inhalt dieses Ressentiments weisen oft erstaunliche Parallelen zum Antisemitismus auf. Auch hier geht es nicht darum, was Amerika tut, sondern darum, was es ist...

Antiamerikanismus:
Nichts gegen Amerika
Über deutschen Antiamerikanismus und linke Gewissheiten...

Antiamerikanismus:
Noam Chomsky und die Dixie Chicks
Zwei Seiten des Amerikanismus und des Antiamerikanismus in den USA...

Likud'sche Erklärungen:
Vom "Hass" auf die USA in der arabischen Welt

Auf Initiative des Kongresses etablierte das US-Außenministerium im Juli ein Komitee, das sich mit dem schlechten Verhältnis der arabischen Welt zu Washington beschäftigen soll...

hagalil.com 08-10-2003

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved