Rosenstrasse - Der Film:
Viel Medienrummel und wenig Gehalt
Von Gudrun Wilhelmy
Der
neue Film "Rosenstraße" von Margarethe von Trotta ist ärgerlich. Ärgerlich,
weil er ein geschichtliches Thema klischeehaft behandelt, weil er filmisch
nichts bietet und weil die schauspielerischen Leistungen sowohl von Katja
Riemann als auch von Jutta Lampe diesen Film nicht retten können.
Zu den Klischees: Koks, Kabarett und
Kommiss während der Hitlerzeit sind flach dargestellt und dazu vollkommen
unkritisch ohne inhaltlichen Bezug. Übergreifende Fragen wie
Hilfsbereitschaft, Zivilcourage und Widerstand in einer Diktatur bleiben auf
einer vordergründig persönlichen Ebene hängen: Frauen kämpfen für die
Freilassung ihrer Männer. Die eigene Gefährdung und die der gemeinsamen
Kinder aus einer gemischten Ehe werden als Problematik nicht einmal
gestreift. Der einzig wirklich interessante Satz in diesem Zusammenhang,
warum vergleichsweise sehr viel weniger nicht-jüdische Männer zu Gleichem
bereit waren: "Sie wollten Karriere machen". Also stimmt auch der Satz
nicht, dass die nicht-jüdischen Frauen ihre Männer allein "aus
bedingungsloser Liebe" mit persönlichem Einsatz aus dem Sammellager
Rosenstraße wieder herausprotestierten. Dass diese Frauen allesamt ohne
einen Funken politischem Verstand gehandelt haben sollen, ist unglaubhaft
und degradiert ausgerechnet diese Frauen so zu Vorzeige-Ehefrauen des
Naziregimes durch ihr Ideal von Treue.
Diese
nicht-jüdischen Frauen sind fast alle samt und sonders blond und blauäugig,
die jüdischen Männer mit ausgeprägten Nasen und dunkelhaarig. So sieht eine
deutsche Regisseurin jüdische deutsche Männer, und es fällt ihr nicht einmal
auf, welche Klischees sie damit bedient.
Die Rückblenden in die diktatorische
Vergangenheit in diesem Lande sind simpel in einen Blau-Filter getaucht, die
Figuren reagieren statuenhaft, hölzern und unbeteiligt. Sie bedienen den
Blick auf eine Welt, in der die jüdischen Opfer nationalsozialistischer
Diktatur widerstandslos in ein Sammellager mitten in Berlin gebracht werden.
Sie bedienen das Klischee der tapferen Ehefrau, die unbeschadet in die
Hochburgen der terroristischen Machtausübung an Türen klopft, um Auskunft
über den Verbleib des Ehemannes einzuholen. Sie spielen mit dem Klischee des
tapferen Polizisten als Marionette dieses geschichtlichen Machtwahnsinns,
doch fast alle Figuren des Films bleiben in einer emotionslosen und nahezu
unbeteiligten Form stecken, die sich auf die Zuschauer des Films überträgt.
Fast keiner der Figuren gelingt es Persönlichkeit und Profil zu zeigen.
Die ästhetisch-künstlerische Umsetzung des
Themas Schoa, Antisemitismus, Judenhass und Nazideutschland ist nirgends
gelungen. Mit dem Film "der Pianist" hat Polanski gezeigt, dass dies möglich
ist und zwar mit allen Facetten emotionaler Beteiligung und Ergriffenheit.
Die Begegnung von Tätern und Opfern und die tendenzielle Umkehrung innerhalb
dieser Rollen im individuellen Fall, diesem brisanten Feld weicht von Trotta
geradezu bewusstlos aus. Ebenso spart sie die Reaktionen der Umwelt auf die
Aktion der Frauen aus, als hätte dieser Protest inmitten des Stadtzentrums
über Tage hinweg unbemerkt und auch unkommentiert bleiben können.
Enttäuschend bleiben auch die anderen
Rollen, die der Tochter Hannah mit Maria Schrader beispielsweise oder der
Lena Fischer mit 90 Jahren durch Doris Schade. Was zu Gefühlen treibt ist
allein eine vollkommen überladene Filmmusik, die um so dramatisierender
wirkt, je kälter die Bilder und die Spielweise bleiben.
Hervorzuheben ist Katja Riemann, die mit
ihrer Darstellung der jungen Lena Fischer überzeugend und mit viel
Engagement spielt, aber auch Jutta Lampe als Ruth Weinheim, das gerettete
jüdische Kind, das sich im Alter nicht der Vergangenheit stellen will und
der Tochter die Auskunft verweigert, berührt durch überzeugende Mimik der
erstarrten Gefühle und ausbleibenden Worte. Für die Leistung dieser beiden
Schauspielerinnen ist die mangelhafte Überzeugungskraft des Films zu
bedauern. Gutes Thema, dramatische Geschichte und leicht herstellbarer
Zeitbezug schaffen es nicht, wenn Buch und Regie zu schwach sind. Der Film
ist nicht sehenswert.
Historische Informationen zur Rosenstraße
Juden und jüdisches Leben in Berlin
hagalil.com
17-09-2003 |