Von
Karl Pfeifer
Es passiert halt. Indymedia.at, das österreichische Diskussionsforum,
das von nicht professionellen Mods moderiert wird, läßt schon gelegentlich
mehr als einen Tag einen explizit antisemitischen Text stehen.
Rechtsradikale Texte bleiben auch Stunden stehen, denn selbst merkt ein
Indymod selten solch einen Text. Sie sind halt nicht sehr sensibel, und man
wird doch noch Israel und den Zionismus kritisieren dürfen, wo doch die
Kritiker sich rühmen selbst Juden, oder wenigstens jüdischer Abstammung zu
sein.
Auf alle Fälle - wenn wir ihnen glauben - waren ihre Vorfahren alle
lupenreine Widerstandskämpfer. Das drückt dann ein linker
Abstammungsforscher so aus: "Höchstwahrscheinlich liegt der Anteil der
AktivistInnen, deren Vorfahren Opfer des Holocaust und der Nazidiktatur
waren, bei den Antiimperialisten weit höher als bei den Antinationalen!"
(Michael Pröbsting, 27.9.03) Es entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik,
wenn Indymedia mods aber auch einige Leser eine Harmonie einfordern, wo es
keine Harmonie geben kann, nämlich zwischen Vefechtern eines als
"Antizionismus" maskierten Antisemitismus und dessen Gegnern. Solange
lediglich die Anhänger der verschiedenen "antizionistischen" Gruppen
gepostet haben, war noch die Welt von indymedia.at in Ordnung. Es war
natürlich eine einfache Welt in der klar gestellt wurde wer die Guten und
wer die Bösen sind.
Dann aber kamen die bösartigen, weil meistens argumentativen Zuschriften
von W.Langenthal, Moses Kohn, W. Weygand etc und zerstörten die Harmonie,
die Österreichern - auch Linken - so wichtig ist. Es hob ein Jammern an, die
ärmsten fühlten sich von WL, MK und WW bedroht. Plötzlich riefen diejenigen,
die sich gegen jede Zensur aussprachen nach dem Zensor. Weshalb gerade in
Österreich in allen online Medien (ein Blick in andere beweist dies) der
Diskussion IL/Pal soviel Raum gegeben wird, diese Frage stellen fast
vollkommen geschichtslose Österreicher nicht.
Pröbsting erwähnt auch die Druck ausübenden, das "sind vor allem das
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) und die KPÖ".
Was letztere betrifft, kann der Druck nicht so schrecklich sein, hat doch
deren Chef Walter Beier bei der Kundgebung ("Gegen Besatzung, Freiheit für
Palästina") am Stephansplatz, an der ein paar hundert Menschen teilnahmen,
auch eine Rede gehalten. Auch das hat eine tragikomische Seite, denn diese
angebliche Friedenskundgebung trat ein für die Fortsetzung des bewaffneten
Kampfes im Irak und keine irakische oder kurdische Exilorganisation nahm
daran teil. Die möchten nämlich, das ihr Land demokratisch regiert wird und
wollen nicht gemeinsam mit Baathisten und Fundamentalisten noch der Rest
ihrer Infrastruktur zerstören.
Wir können Pröbsting glauben: "Die radikaleren Linken haben nicht so sehr
Angst vor den Pfeifers & Co." Bis jetzt habe ich immer gedacht, ich wäre ein
seit acht Jahren pensionierter Journalist und jetzt muß ich von Michael
Pröbsting erfahren dass ich nicht einsam bin und dass die gemäßigteren
Linken angeblich Anst vor mir und meinen Partnern haben. Was bei all diesen
Demonstranten und ihren politischen Unterstützern auffällt, ist ihre
Bereitschaft nicht nur bis zum letzten Iraker, sondern auch bis zum letzten
Palästinenser zu kämpfen, schon weil dem Kiebitz nichts zu teuer ist. Die
irakische Gesellschaft hat klargestellt, dass sie das Land wiederaufbauen
will und keine Diktatur wünscht. In der palästinensischen Gesellschaft
dürfte dafür und für eine Koexistenz mit Israel auch eine Mehrheit
eintreten, wenn diese Mehrheit nicht vor einer lautstarken und bewaffneten
Minderheit Angst haben müsste. Es gehört auch zu den Absurditäten dieser
"Antizionisten", dass sie Ursache und Wirkung nicht auseinanderhalten
können. Sie beklagen die traurigen Lebensumstände der Palästinenser, feiern
aber gleichzeitig die Ursache, die diese begründet, die "Intifada".
Konnten noch vor dem Ausbruch dieser gegen die israelische Gesellschaft
gerichteten Terrorwelle 110.000 Palästinenser in Israel tagsüber arbeiten,
so sind es nur noch ein paar tausend. Das durchschnittliche Einkommen eines
Palästinenser-Haushaltes ist auch rapide gesunken. Weit über die Hälfte der
Palästinenser verfügen nach UNO-Angaben über weniger als drei Dollar am Tag,
von denen sie leben müssen. Auf mehr als 500 Millionen schätzt die UNO den
durch die "Intifada" verursachten wirtschaftlichen Ausfall. Ohne die
Lebensmittelhilfe der UNO wüssten die meisten Familien gar nicht, wie sie
ihre Kinder ernähren sollen, die mit über 50 Prozent den Hauptanteil der
Bevölkerung stellen. Und weil Terror zu Ausgehverboten führt, bleiben auch
oft die Schulen geschlossen, was sich auch katastrophal auswirkt. Viele
Kinder achten ihre Eltern nicht mehr, weil diese arbeitslos sind und den
Kindern kein normales Leben garantieren können. Wenn sie aber nicht in der
Schule beschäftigt sind, dann lungern sie herum, und einige fallen den
Werbern der Terrorgruppen zum Opfer, die ihnen einreden, dass die Tötung von
Juden ihnen Würde verleihen würde. Eine kleine fanatische Minderheit kümmert
all das wenig, sie wollen aus dem bequemen Lehnstuhl allabendlich sehen, wie
dieser tragische Konflikt perpetuiert wird. Die Mehrheit aber ist schlecht
informiert und glaubt denjenigen, die einfache Lösungen für einen seit über
100 Jahren andauernden Konflikt anbieten, wie zum Beispiel einen
binationalen Staat in dem die sich bitter bekämpfenden beiden Völker
plötzlich gleichberechtigt leben sollen.
In Israel sind alle Straßen und Verkehrsschilder wenigstens zweisprachig
und Arabisch ist die anerkannte zweite Staatssprache. In Österreich konnten
diejenigen Linken, die sich überproportional für eine Seite im Konflikt
Israel/Palästinenser engagieren, nicht erreichen, dass der slowenischen
Minderheit, ihre diesbezüglichen auch im Staatsvertrag von 1955 verbrieften
Rechte gewährt werden. Charity begins at home.