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Grenzen der Satire:
Eulenspiegel bedient sich des Stürmer

Gudrun Schroeter
tacheles-reden / haGalil

Es war nicht einfach, einen Blick in die Septembernummer des Satiremagazins "Eulenspiegel" werfen zu können. In allen kleineren Kiosken und Zeitungsläden der näheren Umgebung im Kreuzberger Westen von Berlin wird es offensichtlich seit längerem nicht mehr angeboten – "hat keener mehr jekooft", "det ham wa rausjenommen", waren notorische Antworten auf die Nachfrage.

Die Internetseite des Magazins wirbt mit dem Slogan "Unbestechlich, aber käuflich!" Sehr einfach ist das nicht mit dem Kaufen, zumindest nicht, wenn käuflich im Sinne Zeitung als Ware verstanden wird.

Über die Unbestechlichkeit lässt sich wenig sagen, sehr wohl aber über das eindeutig antisemitische Titelblatt der Septembernummer des "Eulenspiegel": Eine Textzeile informiert "Friedman wird Aufsichtsrat bei Wall". Die Bildercollage zeigt eine der seit einiger Zeit in Berlin aufgebauten Citytoiletten. Neben dieser steht eine – von gängigen männlich inspirierten Stereotypen einer Prostituierten – gezeichnete Frau. Vor diesem ganzen Szenario sitzt ein gezeichneter Herr Friedman an einem Campingtisch, als Toilettenmann quasi, mit dem Namensschild "Paolo Pinkel Aufsichtsrat", vor ihm, auf dem Tisch, den für diesen Berufszweig typischen Teller mit Kleingeld.

Bis hier könnte die Collage vielleicht von 'na ja' über 'komplett blöde' bis 'widerlich' abgetan werden. Die Satire überspitzt und Humor ist bekanntlich Geschmackssache. Doch noch ist nicht das ganze Bild beschrieben, denn die Stereotypisierung, mit der Michel Friedman hier belegt wird, weist in eine andere Richtung. Das Vorbild "Stürmer" leistete die Amtshilfe im Detail: lange Nase, schwülstige Lippen, alles andere als physiognomische Attribute Michel Friedmans. Es ist der Jude, der unmoralische Finanzjuden, gegen den hier mal so richtig zynisch auf den Topf gehauen wird.

Und damit verlässt das Magazin den satirischen Boden und begibt sich auf volksverhetzendes Terrain.

Die Website des Goetheinstituts charakterisiert das Magazin sachlich bis wohlwollend: "… In Artikeln, Cartoons, Comicgeschichten und Zeichnungen wird die deutsche Politik, Wirtschaft und das ganz alltägliche Leben karikiert. Beiträge zum aktuellen Zeitgeschehen nehmen Politiker und Prominente aufs Korn. Da Alltägliches mehr im Vordergrund steht, ist Eulenspiegel leichter verständlich als Titanic."

Bleiben die Fragen, wen die Macher dieses Pamphlets mit ihrer "leicht verständlichen" Hetze ansprechen wollen, soll der Stammtisch grölen? Soll das Magazin auch im Westteil Berlins und in den alten Bundesländern die Auflage steigern? Denn bekanntlich gedeiht der Antisemitismus in Ost und West gleichermaßen.

Müßige Fragen, und doch stellen sie sich. Ließe sich doch vermuten, dass dieses Magazin in einer andere Traditionslinie steht, da es zurückgeht auf den "Ulenspiegel", den unter Anderen der Schriftsteller Günter Weisenborn Ende 1945 herausgab und dessen antifaschistisches Engagement wiederum in die Zeit des Nationalsozialismus zurückreicht. Später wurde der "Eulenspiegel" in der DDR das einzige humoristisch-kritische Organ, das auch die SED-Regierung ins Visier nahm und mit ihr aneckte. Als so genannte "Bückware" hatte das Blatt eine große  Verbreitung.

Diese Zeiten sind vorbei: Großdeutschland nach der Jahrtausendwende und Schlussstrich unter den ganzen Laden, der sich Geschichte nennt, Marktwirtschaft und der große Supermarkt mit freier Selbstbedienung, käufliche Waren, käufliche Meinungen – und Stürmermotive auf sich links gesellschaftskritisch gebärdenden Magazinen. Bleibt vielleicht noch zu hoffen, dass die Macher der Septemberausgabe zufällig die Nummer 32 des "Eulenspiegel" aus dem Jahre 1849, das erste satirische Blatt mit diesem Namen, in den Händen hatten und den dort veröffentlichten, gegen die Monarchie gerichteten "Politischen Katechismus" ganz unsatirisch ernst genommen haben: Du sollst dich nicht unterstehen zu denken.

hagalil.com 23-09-2003

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