Auch gut gemeinte Zensur ist nur Zensur:
Ted Honderich hat sich disqualifiziert – die Autozensoren
ebenfalls
Bernhard Torsch
Wer meint, das vom britischen
Moralphilosophen Ted Honderich verfasste Buch "nach dem Terror" gegen den
Vorwurf des Antisemitismus verteidigen zu müssen, der wurde jüngst vom Autor
selbst aller Argumente beraubt. Im Interview mit dem 3Sat-Magazin
"Kulturzeit" konnte der linke Denker sich die Entscheidung des
Suhrkamp-Verlages, das Buch nicht weiter aufzulegen, nur mit der
Verschwörungstheorie erklären, Deutschland werde "von einer Clique von
Neo-Zionisten gemanagt". Er hat dies ernst gemeint, und kann daher nicht
mehr ernst genommen werden.
Auch blieb Honderich in diesem Gespräch bei
der in seinem Pamphlet des öfteren auftauchenden Rechtfertigung des
palästinensischen Terrors und der Selbstmordattentate. Den Vorwurf des
Antisemitismus wollte er mit dem Hinweis entkräften, er sei früher mit einer
Jüdin verheiratet gewesen. Wer so argumentiert, ist intellektuell auf den
Hund gekommen und bewegt sich auf demselben philosophischen Niveau wie ein
Jörg Haider.
Soviel zum Autor und dessen Buch, welches von berufenerer Seite (zB von
Micha Brumlik) bereits als antisemitisch und indifferent entlarvt worden
ist. Erschreckend an dieser Tragikomödie ist aber vor allem das Verhalten
des Suhrkamp-Verlages, der auf Zuruf zunächst ein Buch druckt, offenbar ohne
dessen Inhalt analysiert zu haben, bloß um dann auf erneuten Zuruf das
Machwerk wieder vom Markt zu nehmen. Die Empfehlung Jürgen Habermas,
Honderichs Buch zu veröffentlichen, schien den Verantwortlichen des Verlages
wohl Sicherheit genug, ein intellektuell einwandfreies Werk in Händen zu
haben. Der öffentliche Aufschrei gegen die antisemitischen Passagen wiederum
reichte aus, dass ein Buch fast über Nacht vom Markt genommen und der
Leserschaft entzogen wurde. Dieses Handeln entspringt weder einem
verlegerischen Verantwortungsbewusstsein, noch einer überraschend schnell
wirksam gewordenen Katharsis der Suhrkamp-Kapitäne, sondern alleine dem
Wunsch, mittels Selbstzensur eine ohnehin schon eingesaute Weste wieder weiß
erscheinen zu lassen.
Suhrkamp will den Roman "Tod eines Kritikers" von Martin Walser
veröffentlichen. In dem Buch phantasiert Walser, der auf seine alten Tage
geistig wieder im teutschen Forst angekommen ist, den Tod eines jüdischen
Literaturbegutachters herbei. Als die ersten Vorabdrucke auf den
Feuilletonseiten erschienen, war die Aufregung groß. Sowas könne, ja dürfe
man doch nicht drucken, meinten viele, denen die Ergüsse des unter
pathologischer Auschwitzkeulen-Phobie leidenden Walsers zu Recht suspekt
waren. Aber genau das ist die große Frage: "Ja dürfen´s denn das?"
Sie sollten es dürfen, denn eine aufgeklärte Gesellschaft sollte sich weder
vor dummer Literatur fürchten, noch vor philosophischen Blindgängern. Die
Zensurierung eines Buches ist stets schlimmer, als dessen Inhalt es je sein
kann, denn eine Gesellschaft, die zensuriert, ist geistig nicht frei. Wer
befürwortet, dass Honderichs Buch nicht weiter vertrieben wird, erweckt den
Anschein, des Autors Argumente seien dermaßen stichhaltig und unangreifbar,
dass man diesem geistigen Gift nur durch ein Verbot beikommen könne. Genau
das ist falsch, Honderichs Thesen sind so leicht zu entkräften, wie es bei
antisemitischen Ausfällen immer der Fall ist. Die Aufgabe der
Intellektuellen, die sich an Ted Honderichs Buch stoßen, sollte sein, mit
Argumenten die Lachhaftigkeit seines Elaborats aufzuzeigen. Durch die
Vorgehensweise des Suhrkamp-Verlages kann der britische Autor in die Rolle
der "verfolgenden Unschuld" (Karl Kraus) schlüpfen und erlangt eine
Popularität, die es ihm ermöglicht, in der "Kulturzeit" mit seiner
gescheiterten Ehe mit einer Jüdin zu prahlen.
Zur Problematik der Israel-Kritik:
Juden und Normalität
Natürlich müssen weder Honderich noch ein anderer Philosoph die israelische
Politik mögen. Irritieren aber muss die nahezu ausschließliche und damit
symbolhafte Verurteilung Israels, die fast schon zum Gemeingut geworden
ist...
Zwei Geschichten:
Moralphilosophie am Tresen
Der Suhrkamp Verlag zieht ein Buch des britisch-kanadischen
Philosophen Ted Honderich zurück, nachdem Micha Brumlik ihm Antisemitismus
vorgeworfen hat. Es geht dabei um den Nahostkonflikt...
Nach den schweren Vorwürfen, die Micha Brumlik, Leiter des Fritz Bauer
Instituts in Frankfurt, gegen den Suhrkamp Verlag erhoben hat, gab der
Verlag bekannt, dass das in seiner Jubiläumsausgabe "40 Jahre edition
suhrkamp" erschienene umstrittene Buch von Ted Honderich nicht wieder
aufgelegt wird. Die erste Ausgabe sei bereits vergriffen, die Rechte würden
zurückgegeben. Brumlik hatte in einem
offenen Brief zu Honderichs "Nach dem Terror. Ein Traktat"
antizionistische und antisemitische Passagen genannt, die der Verlag
offensichtlich akzeptiere. Suhrkamp bedauerte, "dass dem Verlag die Haltung
des Autors zum palästinensischen Terror nicht rechtzeitig deutlich wurde."
Antisemitisches in der Jubiläumsreihe:
Ein Brief von Micha Brumlik an den Suhrkamp Verlag
"Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich in dem in manchen Aspekten
durchaus lesenswerten, soeben publizierten Buch von Ted Honderich "Nach dem
Terror. Ein Traktat" Auslassungen über den Staat Israel und den Zionismus
lesen musste"...
hagalil.com
18-08-2003 |