Wenn ein Westberliner versucht, einem Westdeutschen den Ostteil
seiner Stadt jenseits der Plattenbaugrenze zu erklären, klingt das
mitunter so: Die Jugendlichen? Alles Nazis. Und die Eltern? Wählen PDS.
Natürlich stimmt diese Analyse nicht, aber ihre Tendenz ist nicht ganz
falsch. Vielleicht muss man das wissen, um den folgenden Fall verstehen
zu können. Vielleicht reicht aber auch die Erkenntnis, dass sich auf der
jährlichen Luxemburg-Liebknecht-Demo schon immer ein merkwürdiges
Völkchen herumgetrieben hat.
Bereits in der Nacht vor der diesjährigen LL-Demo hatte die Polizei
ihren ersten Einsatz. Gegen vier Uhr nahmen Beamte drei Neonazis fest,
die an der Demo-Route Hakenkreuze, eine »Wolfsangel« und Parolen gegen
die DKP und das PDS-Mitglied Sahra Wagenknecht auf Wände gepinselt
hatten. Alle drei seien nach Polizeiangaben als Angehörige der
rechtsextremen Szene bekannt. Darunter Björn W., Anti-Antifa-Aktivist
und Anführer der Berliner Kameradschaft Tor. Die Täter gestanden, was
nicht zu leugnen war. So auch der 20jährige Daniel M.
Dessen Vater meldete sich rasch zu Wort. Er könne sich überhaupt nicht
vorstellen, dass es sich so zugetragen habe, erklärte er dem
Tagesspiegel, schließlich sei sein Sohn noch im letzten Jahr bei der
LL-Demo mitgegangen. Und dieses Jahr nur deshalb nicht, weil er sich um
seine kranke Freundin habe kümmern wollen. Es müsse sich um eine
Verwechslung handeln. Das jedoch schließt die Polizei aus.
Man könnte nun meinen, dies alles sei doch nicht verwunderlich und
spiegele nur die Situation in Lichtenberg, Hellersdorf und Marzahn
wider. Aber die Geschichte ist pikanter. Denn der Vater von Daniel M.
ist zugleich der Anmelder und seit 1992 der Hauptorganisator der
LL-Demo: Klaus M., DKP-Mitglied, früher Stasi-Major, Dauer-Demo-Anmelder
in Berlin und jahrelang Buchhalter der einstigen FDJ- und heute
orthodox-kommunistischen Tageszeitung junge Welt.
Dies wirft natürlich Fragen auf. Ist der Sohn erst seit kurzem ein
Nazi? Offenbar nicht, denn er soll ein sehr enges Verhältnis zum
Kameradschaftsboss Björn W. haben. Hat der Sohn seine politische
Einstellung vor seinem Vater so gut verborgen, dass dieser nichts merken
konnte? Bei einem Stasispitzel als Vater dürfte das schwer fallen.
Oder liegen die Werte und Einstellungen von Vater und Sohn zum Staat,
US-Imperialismus und Kapital gar nicht so weit auseinander? Die
Kameradschaft Tor demonstrierte nach dem 11. September gegen die USA mit
dem Transparent »Für die Freiheit aller Völker«, schwärmte auf ihrer
Homepage vom »Osterlager« mit »Fahnenappell« und mischt sich, eigenen
Angaben zufolge, auch schon mal die »Internationale« singend unter
Antifa-Demos.
Ehemalige Mitarbeiter der jungen Welt erinnern sich indes, wie Papa M.
schludrige Spesenabrechnungen mit dem Satz zurückgab: »So was wäre bei
uns in der Armee nicht möglich gewesen.« Wobei mit der Armee das MfS
gemeint war. Zuletzt soll nicht verschwiegen werden, dass Klaus M. einer
von denen war, die 1997 maßgeblich die Säuberung der jW initiierten, in
deren Verlauf praktisch der gesamten Redaktion, die nicht dem orthodoxen
und DDR-nostalgischen Kurs des Verlags entsprach, gekündigt wurde. Dies
sei nur der historischen Gerechtigkeit halber erwähnt. Und weil es Leute
gibt, die sich angesichts der neuen Meldungen über Klaus M. großartig
amüsiert haben.