Radio Praha:
Reaktionen in Tschechien
*
Terrorangriffe auf die USA * 30 Vermisste registriert * Laut
Außenministerium noch keine tschechischen Opfer bekannt * Prager
Burger legen Blumen auf Wenzelsplatz * Havel Sicherheitsstrategie
neu uberdenken * Zahlreiche Hilfsangebote aus Tschechien
"...Ich sehe in den
Anschlägen einen Angriff auf die menschliche Freiheit und die
Demokratie. Ich vermute, dass das eine große Warnung an die
Zivilisation ist, die uns einfach dazu auffordert, unsere
Verantwortung für diese Welt maximal zu mobilisieren. Fanatiker und
Verrückte dürfen uns nicht alle als ihre Geiseln nehmen."
- Vázlav Havel 12-09-01
Wie das Außenministerium bekannt
gab, hat man bis 0:00 Uhr in der Nacht zu Donnerstag 30 in den USA
vermisste tschechische Burger registriert. Vladimir Krnavek von der
eingerichteten Hotline unter der sich Tschechen uber den Verbleib
ihrer Angehorigen und Freunde in den USA informieren konnen, merkte
aber an, dass er im Falle einiger Vermisstenanzeigen skeptisch sei,
da es sich um Personen handele, zu denen die Anrufer teilweise seit
20 Jahren keinen Kontakt mehr hatten.
Der Generalkonsul in New York, Petr Gandalovic, teilte mit,
er wisse uber zehn Tschechen, die sich zur Zeit des Anschlages in New
York aufgehalten und sich bisher nicht bei ihren Angehorigen gemeldet
hatten. Er forderte alle Burger, deren Angehorige sich noch nicht aus
den USA gemeldet haben, auf, sich an die Hotline des Au enministeriums
zu wenden.
Wie der tschechische Konsul bereits am Mittwoch geau ert
hatte, hatten sich bisher nur vereinzelt Tschechische Burger mit der
Bitte um Hilfe an das Konsulat ihres Landes in New York gewendet Alle
Tschechen, die Probleme mit dem Ruckflug hatten, wurden dies wohl in
Eigenregie losen, vermutete Gandalovic und erklarte weiter, das Konsulat
telefoniere weiterhin die Krankenhauser ab, um etwaige Tschechen unter
den Verletzten ausfindig zu machen.
Allerdings verwies er darauf, dass man fruhestens in ein
paar Wochen sicher wisse, ob sich auch Tschechen unter den Trummern des
World Trade Centers befinden.
Aus dem tschechischen Außenministerium hieß es am
Mittwochnachmittag, die Situation in den beiden Stadten sei insgesamt
noch zu unubersichtlich.
Nach Angaben der Agentur Czechtrade hatten sich zur Zeit
der Angriffe auf das World Trade Center keine tschechischen
Beschaftigten dort aufgehalten. Hochstwahrscheinlich seien auch die
Angestellten anderer tschechischer Firmen in den USA nicht zu Schaden
gekommen, hie es weiter. Die Agentur habe dies aus Gesprachen mit
den in den USA ansassigen tschechischen Unternehmen erfahren, teilte ein
Sprecher mit.
Auch uber die Menschen, die in den entfuhrten Flugzeugen
umkamen, liegen dem Au enministerium noch keine Informationen vor.
Auch Vertreter des gro ten tschechischen
USA-Reiseanbieters, America Tours, bestatigten, dass alle ihre Kunden,
die sich derzeit in den USA aufhalten, wohl auf seien.
Die gestrige Entscheidung des NATO-Rates, unter bestimmten
Bedingungen erstmals den Artikel Funf des Washingtoner Vertrages
anzuwenden - also den gemeinsamen Verteidigungsfall auszurufen -
bezeichnete Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdik als Ausdruck der
Solidaritat innerhalb der Allianz. Allerdings mochte er, so Tvrdik, im
Moment nicht von einem Kriegskonflikt sprechen, denn bisher gabe es noch
zu wenig bestatigte Informationen. Der Verteidigungsfall wurde dann
eintreten, wenn klar ist, dass es sich um einen externen Angriff
handelte.
Auf dem Prager Wenzelsplatz legten am Mittwochabend einige
hundert Burger Blumen und Kerzen nieder. Tschechische Politiker und
Kunstler hatten zu einer Solidaritatskundgebung mit den Opfern der
Terrorangriffe aufgerufen. Innenminister Stanislav Gross hatte die
tschechischen Burger zuvor aufgefordert, nicht an der Demonstration
teilzunehmen. Er habe zwar gro e Achtung vor zwischenmenschlicher
Solidaritat, aber angesichts der derzeitigen Praventionsma nahmen und
der Bemuhungen alle Risiken zu reduzieren, ware es besser, von einer
solchen Kundgebung abzusehen, fuhrte Gross aus.
Staatsprasident Vaclav Havel erklarte am Mittwoch gegenuber
Journalisten, die Lehren aus den Terroranschlagen in den USA mussten
auch in der Sicherheitsstrategie der Tschechischen Republik
Berucksichtigung finden. Das habe er auch dem Staatlichen Sicherheitsrat
auf dessen Sitzung am Mittwoch mitgeteilt. Havel bezeichnete den Angriff
als Warnung fur die Zivilisation. Noch nie hatten Fanatiker und
Fundamentalisten solche verheerenden Moglichkeiten besessen wie heute.
Des weiteren zeigte er sich beeindruckt von der Solidaritatswelle, die
die Anschlage in den USA innerhalb der tschechischen Bevolkerung
ausgelost hatten.
In einem Brief an den amerikanischen Botschafter in
Tschechien, Craig Stapleton, sprach Parlamentsprasident Vaclav Klaus am
Mittwoch von einer Bedrohung der gesamten freien Welt und der
demokratischen Gesellschaft. Klaus vertritt wie Havel die Ansicht, die
tschechische Sicherheitspolitik musse aufgrund der Ereignisse von New
York und Washington neu uberdacht werden.
Der US-Botschafter Craig Stapleton kam am Mittwoch mit dem
tschechischen Au enminister Jan Kavan zusammen. Kavan bot den
Amerikanern Hilfe bei den Rettungs- und Aufraumarbeiten an. Stapleton
lehnte bisher aber jede Hilfe dankend ab, da die USA momentan keine
auslandische Hilfe brauche, wie Kavan erklarte. Dennoch sei man auf
tschechischer Seite bereit, sofortige Hilfe zu leisten, sobald die USA
darum ersuche, fugte der Au enminister an.
Der Ressort übergreifende Krisenstab hat am Mittwoch
entschieden, die erste Stufe der Kampfbereitschaft weiterhin aufrecht zu
erhalten. Daruber informierten Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdik und
Innenminister Stanislav Gross.
Einige Dutzend tschechische Burger legten Blumen und Kerzen
vor der amerikanischen Botschaft in Prag nieder, unter ihnen auch
Prasident Vaclav Havel. In einer Erklarung des US-Botschafters vom
Mittwoch hei t es wortlich: Prasident Havel und viele tschechische
Vertreter haben uns der Sympathie und der Anteilnahme des tschechischen
Volkes und seiner Regierung versichert. Wir danken fur diese Sympathie-
und Unterstutzungsbekundungen. Stapleton gab am Abend bekannt, dass die
US-Botschaft in Prag am Donnerstag wieder den gewohnten Betrieb
aufnehmen werde. Man fuhle sich sicher, fugte der Botschafter hinzu.
Nach der US-Botschaft, wurde am Mittwoch auch die israelische Botschaft
in Prag geschlossen. Botschaftssprecher Oren Anolk erklarte, es handele
sich dabei um eine reine Praventivma nahme.
Die tschechischen Fluggesellschaften strichen am Mittwoch
ihre Fluge in die USA und nach Israel. Ein CSA-Sprecher teilte
allerdings am Mittwochabend mit, man rechne fur Donnerstag mit der
Wiederaufnahme des Flugverkehrs mit den USA. Bei allen CSA-Flugen gelten
derzeit erhohte Sicherheitsma nahmen.
Wegen der Terroranschlage in den USA hat auch der irische
Premier Bertie Ahern seinen fur Donnerstag geplanten Tschechienbesuch
abgesagt. Grund ist ein Staatstrauertag, den man in Irland fur Freitag
ausgerufen hat. Ahern sollte u.a. mit Vaclav Havel und Vizepremier
Vladimir Spidla zusammenkommen.
Auch die tschechischen Kirchen haben ihr Mitgefuhl
und ihre Anteilnahme an den Geschehnissen in New York und Washington zum
Ausdruck gebracht. Die Bischofe Bohmens und Mahrens forderten alle
Glaubigen auf, fur die Opfer der Terroranschlage zu beten. Nicht nur in
Prag, sondern auch in Ostrau und weiteren tschechischen Stadten wurden
die Glocken minutenlang gelautet. Am kommenden Samstag soll im St.
Veitsdom in Prag ein okumenischer Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer
stattfinden.
Mehr zu den tschechischen Reaktionen auf die
Terroranschlage in den USA erfahren Sie in den Sonderausgabe des
Tagesechos, im Anschluss an die Nachrichten.
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haGalil onLine 13-09-2001