Israel
schickt Rettungstruppen in die USA
Schimon Peres fordert "eine völlig neue Strategie". Bei den
Palästinensern gibt es Verurteilungen der Angriffe, aber auch
jugendliche Freudendemonstrationen
Susanne Knaul
JERUSALEM taz - Als
"internationale Katastrophe" bezeichnete der palästinensische
Informationsminister Jassir Abed-Rabbo die Terrorattentate in den
USA. Derweil veranstalteten palästinensische Jugendliche in
Ostjerusalem, in den Flüchtlingslagern, in Nablus und Ramallah
Freudendemonstrationen. Allein in Ramallah sollen 3.000 Menschen
daran teilgenommen haben. Palästinensische Widerstandsorganisationen
beeilten sich derweil, eine Mittäterschaft zu leugnen. Auch
israelische Terrorexperten halten ein Zutun palästinensischer
Bewegungen für unwahrscheinlich.
Israels Außenminister Schimon Peres sprach von
einer "menschlichen Tragödie, die das Herz erweicht". In Konsequenz
der Attentate sei eine "völlig neue Strategie" notwendig. "Was in
der Vergangenheit richtig war, trifft die aktuellen Notwendigkeiten
nicht mehr", meinte Peres in einem Interview mit dem ersten
israelischen Fernsehkanal. Armeen und Panzer böten "keine Antwort
auf diese Art des Krieges". Der Terror könne plötzlich und
überraschend Orte treffen, wo am wenigsten damit zu rechnen sei. Das
israelische Auswärtige Amt wies unterdessen sämtliche Botschaften
an, das Personal auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem wurde der
ausländische Flugverkehr von und nach Israel vorübergehend
eingestellt.
Bereits wenige Stunden nach der ersten Explosion
in New York machten sich Rettungstruppen der israelischen Armee auf
den Weg in die USA. Israel verfüge über "traurige Erfahrungen",
meinte Premierminister Ariel Scharon, und sei bereit zu helfen.
Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar, der am Abend mit
führenden Vertretern der Sicherheitskräfte über die Lage beriet,
erklärte vor Journalisten, dass "der Terror die zentrale Bedrohung
der Welt ist".
Nach Ansicht der Terrorexpertin Anat Kurz vom
"Jaffee Zentrum für Strategische Studien" ist eine Mittäterschaft
palästinensischer Widerstandsorganisationen eher unwahrscheinlich.
Die marxistischen Parteien Volksfront und Demokratische Front zur
Befreiung Palästinas (DLFP) verfügten nicht über die notwendige
Infrastruktur für Terrorattentate dieser Größenordnung. Attentate
dieser Art träfen zudem nicht die "Weltanschauung dieser Parteien".
Auch Hamas und Dschihad hätten mit großer Wahrscheinlichkeit nichts
damit zu tun.
"Der Einzige, der ohne die Rückendeckung eines
Staates dazu in der Lage wäre, ist Ussma Bin Laden", glaubt Anat
Kurz. Nach Ansicht der Terrorexpertin "haben die Palästinenser guten
Grund zur Besorgnis", da die öffentliche Meinung in den USA nun
"sehr viel offener für scharfe Antiterrormaßnahmen sein wird als
bisher". Die palästinensischen Freudensdemonstrationen nannte Kurz
"dumm und die Situation verkennend".
Der DLFP-Sprecher Kais Abdel Rahim wies Berichte
eines arabischen Fernsehsenders zurück, wonach seine Organisation in
die Anschläge verwickelt sei. Seine Gruppe verurteile die Anschläge,
sagte er.
Professor Eitan Gilboa, Experte für internationale
Beziehungen von der Bar-Ilan-Universität, rechnet mit scharfen
US-Reaktionen. "Die USA werden keine Wahl haben, als die vollen
Möglichkeiten auszuschöpfen, Terrororganisationen überall auf der
Welt zu bekämpfen," meinte Gilboa. Auch der ehemalige
Premierminister Ehud Barak forderte zu einer "Koalition gegen den
Terrror auf". Jede Nation, die den Terror unterstützt, müsse
isoliert werden.
taz 12.9.2001
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13-09-2001
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