Israel und die arabische Welt:
Wer ist David und wer ist Goliath?
Von Amnon Rubinstein
Es vergeht selten eine Woche, in der irgend ein
Vertreter der arabischen Gemeinschaft in Israel keine Erklärung gegen
die Existenz des jüdischen Staats als solcher abgibt. Keine dieser
Erklärungen fordert Gleichberechtigung für israelische Araber, oder ruft
(zurecht) auf als untrennbarer Teil der arabischen Nation und des
palästinensischen Volks anerkannt zu werden. Jede einzelne dieser
Erklärungen ist vielmehr ein Angriff auf die Existenz des Staates Israel
als Heimat des jüdischen Volks.
Der letzte Angriff dieser Serie wurde von KM
(Knesseth-Mitglied) Talab A Sana (Vereinte Arabische Liste) eingeleitet,
als er eine Erklärung abgab, die an den Wortlaut der Resolution 3379
(10. November 1975) der Generalversammlung der Vereinten Nationen
erinnert, welche erklärt hatte “Zionismus ist eine Form des Rassismus
und der Rassendiskriminierung” und welche später, am 16. Dezember 1991,
durch Resolution 46/86 revoziert wurde. Der Gesetzgeber erklärte,
Zionismus sei “seinem tiefsten Wesen nach rassistisch und
kolonialistisch” und daß dieser Rassismus aus dem Land genauso
verschwinden wird “wie die Türken und die Engländer verschwunden sind”.
Jeder, der die charakteristischen Probleme nationaler
Minoritäten in anderen Ländern kennt – besonders in den neuen
Demokratien, die nach dem Fall des sovjetischen Reichs entstanden – wird
sofort verstehen, daß A Sanas Aussage ganz bestimmt nicht als Ausdruck
des Begehrens einer nationalen Minderheit angesehen werden kann.
Solche Erklärungen würde ein Vertreter der russischen
Minderheit in Estland, der ungarischen Minderheit in Rumänien oder in
der Tschechei nie abgeben. Diese Art Aussage macht der Vertreter der
nationalen Mehrheit, wenn er sich an eine Minderheitsgruppe wendet. Zu
verschiedenen Gelegenheiten haben Vertreter der arabischen Gemeinschaft
in Israel ausdrücklich betont, daß die Araber in Israel zwar eine
Minderheit sind, daß der Staat Israel selbst jedoch eine Minderheit
innerhalb einer massiven arabisch-moslemschen Mehrheit bildet.
Diese Vertreter der arabischen Bevölkerung in Israel
machen eine unbestreitbare Tatsache gelten: in der israelischen
Gesellschaft sind die Araber eine Minderheitsgruppe, die auf bedeutenden
Gebieten noch keine echte und umfassende Gleichberechtigung genießt, wie
zum Beispiel das Budget der öffentlichen Dienstleistungen, Zugang zu
Wasser- und Landinfrastrukturen und Regierungsvertretung. Aus dieser
Sicht sind die Araber in Israel tatsächlich verschieden, fremd, schwach
und “Sonderfälle”, deren Behandlung ein Metermaß für die Festsetzung der
Güte und Substanz der israelischen Gesellschaft bildet.
Andererseits bilden die Juden in Israel eine kleine
Insel im arabisch-moslemschen Ozean. Sie sind die Fremden im Nahen
Osten. Der arabisch-moslemsche Ozean liebt keine Inseln, die weder
arabisch noch moslemisch sind. Christen sind in der
arabisch-moslemsichen Welt überall gefährdet, und ihre zahlmäßige
Gegenwart nimmt im Nahen Osten ständig ab.
Gegen die Nicht-Moslems im Süden des Sudans wird ein
Ausrottungskrieg geführt, in Iran werden die Bahais verfolgt. Die
Griechen in Ägypten, die eine treue und kreative Minderheitsgruppe
bilden, wurden Opfer einer ethnischen Säuberungspolitik, die vom
ehemaligen diktatorischen Präsident Gamal Abdel Nasser verfolgt wurde;
der christliche Staat Libanons ist praktisch nicht mehr vorhanden.
Israels Position ist viel schwieriger als die dieser
nicht-moslemschen Minderheiten. Im Gegenteil zu den Griechen Ägyptens
haben die Juden Israels keinen anderen Zufluchtsort auf der Welt. Im
Gegenteil zu den Christen und den Bahais des Nahen Osten sind die Juden
Israels nicht nur eine religöse Minderheit – ihre eigentliche Existenz
hier veranschaulicht die Selbstbestimmung einer Nation, die keinen
anderen Staat hat, in dem sie diese ausdrücken kann. (Wenn es irgendwo
auf der Welt einen solchen Staat gäbe würde vielleicht die Mehrheit der
Juden in Israel dort Asyl suchen).
Zurück zur “prophetischen Vision” von KM A Sana: wird
der Zionismus aus dem Nahen Osren verschwinden – nicht wie die Türken
und Engländer, die jeweils ihre eigene Heimat hatten, sondern vielmehr
wie die anderen nicht-moslemschen Minderheiten des Nahen Osraen, die
verschwanden oder im Verschwinden befindlich sind?
Der jüdische Staat in Israel kann entweder durch Krieg
oder durch die Verwirklichung des palästinensischen Rückkehrrechts
vernichtet werden. Wenn jedoch Israel vorsichtig und weise vorgeht und
auf “Aktiva” verzichtet, die nicht lebenswichtig sind – wie die
jüdischen Siedlungen im Herzen der arabisch-palästinensischen
Bevölkerungszentren – im Austausch für internationale Unterstützung und
inländische Solidarität, wird eine solche Vision nie Wirklichkeit
werden. Die “Prophezeiung” A Sanas ginge dann den Weg der
arabisch-palästinensischen Vorhersagen über Israels Zusammenbruch im
Krieg, den die Palästinenser und ihre arabischen Geschwister gegen den
neugeborenen jüdischen Staat in 1948 erklärten – ein Krieg, dessen
Ergebnis für Araber und Juden so tragisch war.
Ein großes Problem ist in diesem Zusammenhang die
Tatsache, daß die westliche Welt und ihre Medien Israel durch das Prisma
des Konflikts mit den Palästinensern sieht, einer Nation ohne Staat und
ohne politischen Rechte. Aus dieser besonderen Perspektive sieht Israel
wie Goliath und die Palästinenser wie David aus.
Wenn die Kamera jedoch nicht vor einem israelischen
Panzer stünde, sondern vielmehr auf einem der Satelliten, die die Region
überfliegen, würde eine ganze andere Wahrheit erscheinen. Israel ist der
Fremde; im Nahen Osten ist Israel die Minderheit, Israel ist David; die
moslemsche Mehrheit dagegen ist Goliath.
Ha’aretz, 24.07.2001
haGalil onLine 13-08-2001 |