Europa gegen Israel?
Gillon ist keine Privatsache
Carmi Gillons Bestellung zum Botschafter des Staates
Israel in Dänemark entwickelt sich zu einer Affäre, deren Ausmaße weit
über die Frage der eigentlichen Bestellung hinausgeht und sich auf die
Frage der Beziehungen zwischen souveränen Staaten auswirkt.
Gillon, der zwischen 1995 und 1996 an der Spitze des Schin
Beth (Scherutej haBitachon, Sicherheitsdienst) stand und danach leitende
Positionen in verschiedenen Organisationen und Gesellschaften besetzte,
wurde die Position des Botschafters in Dänemark angeboten. Die
Bestellung wurde von der Kommission für den Öffentlichen Dienst und vom
Außenministerium, sowie von den befugten Behörden Dänemarks bestätigt.
Aber die von dänischen Menschenrechtsgruppen erhobene Opposition zu
dieser Ernennung, mit der Behauptung, Gillon sei für die Folterung von
Gefangenen verantwortlich, hatte einen Mediensturm zur Folge, durch den
Gillon als Symbol für Israels negatives Image in Dänemark stand.
In der daraus gewachsenen öffentlichen Stimmung, ist es
zweifelhaft, ob Gillon seine Funktion in Kopenhagen erfüllen können
wird. Der Versuch, Israelis für Positionen zu bestrafen, die sie im
Rahmen des israelisch-arabischen Konflikts erfüllten, scheint Teil eines
Phänomens zu sein, der sich in mehreren europäischen Staaten entfaltet.
Die augenscheinliche Heuchelei und Unausgeglichenheit dieser Bemühung
deckt eine feindliche Einstellung zu Israel auf, eine Plattform für
verschiedene Personen und Gruppen.
In diesem Sinn ist der Fall Gillon keine Privatsache. Es
geht um eine hochstehende Staatspersönlichkeit, die im Rahmen seiner
Stellung handelte (obwohl er zu einer ganz anderen Angelegenheit befragt
wurde, nämlich zur Rolle, die er spielte als es ihm nicht gelang, das
Attentat auf Jizhak Rabin zu verhindern).
Der Shin Bet und dessen Aktivitäten unterstehen den
Gesetzen des Staates Israel und stehen unter laufender juristischer und
parlamentarischer Aufsicht. Das Problem der Anwendung von körperlichem
Druck während der Verhöre des Sicherheitsdienstes war Thema einer
Untersuchung durch einen von einem Richter des obersten Gerichtshofs
geleiteten Ausschuss, dem Landau Ausschuß. Dieser legte Kriterien fest,
die den Verhören Grenzen setzten. Gillons Disqualifizierung als
offizieller Vertreter des Staates Israel und die Möglichkeit, daß er in
Dänemark vor Gericht gestellt wird, hat Auswirkungen auf eine große
Anzahl gewählter Staatsvertreter, Sicherheits- und Regierungangestellte,
Beamte und Spitzenmitglieder des Rechtswesens, die alle irgendwie mit
den Aktivitäten der Sicherheitskräfte und der Gesetzesvollstreckung
beschäftigt sind, einschließlich des Shin Bets. Sind sie alle in
Dänemark strafrechtlich verfolgbar?
Große Teile der israelischen Öffentlichkeit und viele ihrer
parlamentarischen Vertreter lehnen die Anwendung von Gewalt und
Folterungen bei Verhören ab. Die wache Debatte zu dieser Frage führte
zur Ausübung von Druck, um die Erscheinung zu begrenzen, in der
Hoffnung, daß sie eines Tages ganz abgeschafft wird. Aber die
schwierigen Dilemmas, vor denen die stets tödlichen Angriffen
ausgesetzte israelische Gesellschaft steht – an erster Stelle das
Dilemma der “tickenden Bombe” [eines bevorstehenden Terroranschlags] –
machen es jenen schwer, die einen absoluten und sofortigen Stopp der
Anwendung körperlichen Drucks bei Verhören wollen, die unter
ungewöhnlichen Umständen erfolgen.
Israel ist ein souveräner Staat, eine offene Demokratie, in
der die Regierungsverfahren der Öffentlichkeit offen zugängig sind, und
die politische Kultur umfasst ständige Diskussionen. Diese Diskussionen
finden in einem Staat statt, der versucht, sich zu verteidigen und
humanistische Wertsetzungen beizubehalten. Die Leute in Dänemark und
anderen europäischen Ländern, die israelische Staatsgesandte – entweder
aus naivem Purismus oder aus Feindschaft gegen Israel – verurteilen und
verbannen wollen, machen es der israelischen Öffentlichkeit noch
schwerer, die sich bemüht, Einfluß in die gewünschte Richtung auf ihre
Institutionen auszuüben.
Ha’aretz Leitartikel, 27. Juli 2001
haGalil onLine 13-08-2001 |