Israel und die EU:
Ist es besser im Recht zu
sein - oder klug zu sein?
Die Europäer fordern von
Israel, Produkte, die aus der Westbank, Gaza, Ostjerusalem und den
Golanhöhen kommen, als solche zu kennzeichnen, damit diese nicht die
Zollerleichterungen erhalten, die im Assoziationsabkommen zwischen
Israel und der EU festgelegt sind. Im Juli wird eine Beratung der
Zollbehörden Israels und der EU stattfinden.
In den letzten Monaten sind
einige EU-Staaten, darunter Frankreich, Belgien und Schweden, für
schärfere wirtschaftliche Maßnahmen gegen Israel eingetreten. Für
solche Maßnahmen gab es in der EU allerdings nicht die erforderliche
Mehrheit. Die "Neue Zürcher Zeitung" berichtete, im vergangenen Jahr
hätten europäische Importeure 2500 Beschwerden über Produkte
eingereicht, die aus den Siedlungen kamen.
Mit der europäischen
Forderung, Exportgüter aus den Siedlungen zu deklarieren und zu
verzollen setzt sich Keren Zuriel-Harari im israelischen
Wirtschaftsmagazin Globes auseinander:
Bis wohin ist eigentlich -
Israel?
Dieser Tage tritt in
Brüssel das Assoziationskomitee zusammen, ein gemeinsames
israelisch-europäisches Komitee, das sich mit der Qualität der
Handelsbeziehungen zwischen Israel und der EU befaßt. Man könnte
meinen, es handle sich hier wieder um eines der regelmäßigen Treffen
zwischen den Seiten, aber diesmal geht es dort heiß her.
Der Handelskonflikt zwischen
Israel und der EU dauert schon seit über einem Jahr an. Die EU
definiert die Handelsgrenzen, und eigentlich auch die politischen
Grenzen, Israels anders als Israel selbst, und Israel protestiert
natürlich. Als Reaktion protestiert die EU gegen den Protest. Man
trifft sich, man spricht, man berät sich. Man beruft ein Komitee
ein, dann noch eines und noch eines, man reagiert. Und vielleicht,
irgendwann vor dem Sommer, wird man in der EU über eine einstweilige
Maßnahme bis zur Lösung des Konflikts entscheiden.
In der EU möchte man dies
nicht Sanktionen nennen, aber die Maßnahme, um die es hier geht,
fällt durchaus in diese Kategorie.
Im Jahre 95 haben Israel und
die EU das Assoziationsabkommen unterzeichnet, mit dem das vorige
Abkommen zwischen den Seiten erheblich verbessert wurde. Einer der
Paragraphen in dem Abkommen bezieht sich auf die Herkunftsregeln.
Das Abkommen sieht vor, dass nur israelisches Erzeugnis, dessen
Herkunft „israelische Gebiete“ sind, bevorzugte Handelsbedingungen
genießen kann, d.h. keine Zölle bei dem Export nach Europa. So weit
so gut.
Vor einem halben Jahr hat die
EU ein Handelsabkommen mit der PA unterzeichnet. Das Abkommen
verlieh der PA Vergünstigungen bei dem Export von Produkten in die
EU, deren Herkunft „palästinensische Gebiete“ sind - Gaza und die
Westbank. Das Abkommen erkennt die Gebiete, die 1967 erobert wurden,
nicht als israelisches Gebiet an (wie die meisten internationalen
Abkommen), einschließlich der Golanhöhen. Das bedeutet, dass
israelischer Export, dessen Herkunft die Siedlungen und die
Industriezonen in der Westbank oder im Gazastreifen sind, nicht von
Zoll befreit ist sondern normal verzollt werden muss.
Seit des Inkrafttretens des
Abkommens mit den Palästinensern, haben die europäischen Staaten
damit begonnen, Israel Herkunftsdokumente von Exportgütern
zurückzuschicken, begleitet von der Frage, wo sie hergestellt
wurden. Bis heute handelt es sich um ca. 4400 Dokumente, die in
Frage gestellt wurden. Manchmal haben die Europäer die Fragen nicht
gut formuliert, manchmal haben die Israelis unklar geantwortet.
Die zehn Monate, die für die
Beantwortung der Anfragen eingeräumt wurden, sind seit langem
vergangen, und jetzt wird die Behandlung des Konflikts an höhere
Instanzen übertragen.
So befaßt sich also das
Assoziationskomitee mit der Frage, und es wird auch versucht, in den
nächsten Monaten ein „Zusammenarbeitstreffen“ der Zollbehörden zu
organisieren, noch vor der Sommerpause der EU. Die nächste Instanz
wäre der Assoziationsrat auf Ministerebene. Wenn sich auch dann
keine Lösung finden wird, könnte sich an ein Schiedsgericht gewandt
werden.
Und was macht man in der
Zwischenzeit? In der EU überlegt man einstweilige Maßnahmen.
Schließlich und endlich gibt es ja auch Druck der europäischen
Öffentlichkeit auf das Parlament, in dem verschiedene Fragen in
bezug auf Israel gestellt werden. Es gibt auch juristischen Druck,
der fordert, sich genau an den Wortlaut des Abkommen zu halten. Dazu
kommt noch die Lobby der arabischen Staaten, denen es Genugtuung
bereitet, dass die EU die Grenzen Israels in ihrem Sinne versteht.
Derzeit werden einige
Maßnahmen in Betracht gezogen: Die bevorzugte Position Israels und
des israelischen Exports aufzuheben, oder einfach den Export Israels
aus den Gebieten nach Europa zu verbieten. Eine andere Möglichkeit
wäre es, ein Pfand auf israelischen Export aus den Gebieten zu
erheben, das in seiner Größenordnung dem Zoll entspricht. Die
israelische Seite meint, dass diese Möglichkeit letzten Endes
gewählt werden wird.
Es handelt sich hier nicht um
hohe Zölle, durchschnittlich ca. 3-5%. Es ist nur so, dass durch
diese Maßnahme eine eindeutige politische Haltung bezogen wird. Hält
die EU, die gegen die unklare Herkunft von Agrarprodukten, Salaten,
Bleistiften und Getränken protestiert, die politische Lösung für den
israelisch-palästinensischen Konflikt in der Hand? Das ist mehr als
zweifelhaft.
Die Lösung des
wirtschaflich-politisch-juristischen Konflikts wird von der EU mit
der Vision des „Neuen Nahen Ostens“ in Verbindung gebracht, die vor
einigen Jahren mit dem „Barcelona-Prozess“ ihren Anfang nahm. Ziel
dieses Prozess ist die Schaffung von regionaler Zusammenarbeit
zwischen den Mittelmeerstaaten, womit politische und wirtschaftliche
Stabilität für diese Region gewährleistet werden könnte.
Zu dem letzten Treffen der an
diesem Prozess beteiligten Staaten, das von rein wirtschaftlichem
Charakter sein und in Ägypten stattfinden sollte, wollten die
Ägypter Israel nicht einladen. In der letzten Minute, kurz vor der
Eröffnung des Treffens, gaben die Europäer bekannt, dass an diesem
Prozess alle Staaten beteiligt sein müßten, und dass kein Treffen
ohne alle Teilnehmer stattfinden könne. Das Treffen in Kairo wurde
abgesagt und fand dann später in Brüssel statt.
In der EU weint man den
Erfolgen aus der Zeit Rabins nach, sogar aus der Zeit Baraks - erste
Knospen des Friedens, Abkommen und guter Willen, und man vergißt
dort nicht so schnell. Man erinnert auch häufig daran, die EU sei an
regionaler Stabilität interessiert, weswegen man auch den arabischen
Staaten in der Region verpflichtet sei, nicht weniger als Israel.
Manche sagen sogar, die Verpflichtung gegenüber den arabischen
Staaten sei stärker, aufgrund des niedrigeren Lebensstandards und
wirtschaftlichen Niveaus.
Der Israelischen Botschaft in
Brüssel, der israelischen Front in diesem Konflikt, fällt es schwer,
die europäische Haltung zu akzeptieren. Man ist der Überzeugung, es
handle sich hier um einen einseitigen Versuch, die Zollgrenzen
Israels zu definieren, und eigentlich auch seine politischen
Grenzen. Die Botschaft versucht den Europäern zu erklären, dass ihre
Haltung nichts zu der Realität vor Ort beitragen kann, und dass es
sich hier um eine Frage unterschiedlicher Auslegung handle. Nur wenn
es einen politischen und wirtschaftlichen Finalstatus zwischen
Israel und den Palästinensern geben wird, werde sich das Problem
lösen, und zwar von alleine.
Eine der Befürchtungen ist
es, dass sich die Haltung der Europäer verschärfen wird, solange
sich der Konflikt im Nahen Osten verschärft. Die Ausschüsse, die
sich mit dem Problem befassen, werden von der Stimmung in der Region
beeinflußt. Wenn diese schlecht ist, so unsere Vertreter, dann
findet sich immer jemand, der aus wirtschaftlichen politische Themen
macht.
Der politische Charakter des
wirtschaftlichen Konflikts läßt den Eindruck entstehen, als sei er
unlösbar. Dennoch gibt es in der EU einige, die meinen, dass Israel
aus juristischer Sicht siegen wird. „Juristisch gesehen werden die
Israelis gewinnen,“ sagt ein Beamter, der sich mit den Beziehungen
zu Israel befaßt. „Israel kann argumentieren, dass es die
europäische Auslegung des Assoziationsabkommens nicht akzeptiert,
und der Ministerrat wird dies verstehen müssen.“
Die Frage lautet nun, was ist
besser: im Recht zu sein- oder klug zu sein.
haGalil onLine
25-05-2001
|