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Es wird Krieg geben:
Der Graben, der zum Abgrund wurde

Vom Ende der Geschichte einer Idee: Es wird Krieg geben in Israel 
– der Dialog zwischen Juden und Arabern ist zu Ende 

Von Dieter Wild
SZ vom 04.04.2001 Feuilleton

Sein Glückwunschtelegramm an den neuen israelischen Regierungschef Ariel Scharon könnte PLO-Präsident Jassir Arafat auch an sich selbst gerichtet haben. Denn Scharon ist ein großer Glücksfall für die Palästinenser. Er wird den Krieg mit ihnen weiter verschärfen, in dem die Palästinenser die stärkeren sind, auch wenn Arafat oder die PLO ihn politisch nicht überleben sollten.

Umgekehrt wird Scharon den Niedergang Israels beschleunigen – so beklemmend, wie ihn die israelische Sozialistin Hattis Rolef vor zehn Jahren, nach zwei Jahren der ersten Intifada, beschrieben hat: „Der einzige Weg aus der Misere ist der Weg in die Katastrophe. Vielleicht müssen wir zusammenbrechen wie die DDR.“ Und im Spiegel war damals ein Essay mit der Überschrift erschienen: „Kann Israel untergehen?“ Antwort: Es darf nicht, aber es kann.

Man möchte es sich nicht vorstellen, aber es lässt sich auch nicht leugnen, dass Israel auf dem Weg in die Katastrophe seither ein gutes Stück vorangekommen ist. Wie weit, wird in den Medien der Welt bislang verdrängt; Ausnahmen sind William Pfaff in der International Herald Tribune und Richard Chaim Schneider in dieser Zeitung. „Die Palästinenser“, schreibt Pfaff, „beherrschen jetzt Israel... Die Israelis sind jetzt die Gefangenen, oder die Opfer, der Palästinenser.“ Und Schneider:„Die israelische Gesellschaft ist am Ende... Und so schlittert man allmählich in das angeblich Unvermeidliche hinein.“

Allgegenwärtige Demütigung 

Was sich vor zehn Jahren erst schemenhaft abzeichnete, hat inzwischen scharfe, düstere Konturen gewonnen: Die zionistische Staatsgründung, die erfolgreichste und ungewöhnlichste des 20.Jahrhunderts, die dem Schriftsteller Amos Oz als „Muster für die arabische Umwelt“ und gar als „Modell für die Errettung der Welt“ erschienen war, könnte ihrem arabischen Umfeld erliegen, dem sie bislang überlegen war.

Immer hatte die moslemisch-orientalische Welt, mit Ausnahme allenfalls der Türkei, den Staat Israel als westlich-kapitalistisches Implantat empfunden, das ihr gewaltsam eingesetzt wurde. Die offenkundige Effizienz dieses „Gebildes“ (so viele Araber bis heute), das mit dem Kibbuz das einzige funktionierende Modell von Kollektivwirtschaft in einer freien Gesellschaft hervorbrachte, war den Arabern eine allgegenwärtige Demütigung. Sie erlaubte es ihnen freilich auch, die eigenen Defizite stets als von außen auferlegt zu erklären und zu entschuldigen. Diesen permanenten Selbstbetrug pflegten die Araber um so liebevoller, als es ihnen, hundert Millionen Menschen, in vier Kriegen nicht gelang, die zunächst zwei Millionen, inzwischen immer noch erst fünf Millionen Juden militärisch zu überwältigen.

Doch dann kam die erste Intifada. Schon damals wurde klar, dass die hoch technisierte israelische Armee wohl mit Armeen mehr oder minder rückständiger Staaten fertig werden konnte, nicht aber mit Armeen Steine werfender Jugendlicher. Dabei galt vor zehn Jahren immer noch eine letzte Konfliktlösung als möglich, nämlich „Land gegen Frieden“: Notfalls müsse sich Israel eben von sämtlichen 1967 eroberten Gebieten trennen, dann spätestens würde, nach dem Vorbild des Friedens mit Ägypten, ein Modus Vivendi den Brand im Heiligen Land erlöschen lassen.

Inzwischen aber haben die Palästinenser eine Lektion gelernt, die alle bisherigen Prämissen im Nahen Osten in Frage stellt: dass der nunmehr sieben Jahre alte „Friedensprozess“, einschließlich der in Oslo vereinbarten Abkommen, und demnach auch ein Frieden, allein Israel nützt, den Palästinensern aber nur schadet; dass die Israelis Frieden brauchen, die Palästinenser aber nicht.

Mit selbstmörderischer Beharrlichkeit haben die Israelis ihren Gegnern diese Erkenntnis beigebracht. Denn sei es aus missionarischer Verblendung oder aus Schwäche gegenüber der mächtigen Allianz zwischen religiöser Ultra- Orthodoxie und politischen Großisrael-Apologeten, haben sämtliche israelische Regierungen den Expansionismus der jüdischen Siedler entweder angeheizt oder geduldet. Auch die Regierungen der Arbeitspartei, auch noch nach Oslo und im Gegensatz zu den dort getroffenen Vereinbarungen.

Zwar hielt Arafat dennoch verbal an einer Fortsetzung des „Friedensprozesses“ fest, da aber begann – egal ob mit seinem Willen oder gegen ihn – die zweite Intifada , deren Ergebnis der israelische Generalstabchef Schaul Mofaz kürzlich so bezifferte: Seit September vorigen Jahres 3600 Feuerüberfälle auf israelische Soldaten, Zivilisten oder Fahrzeuge sowie rund 200 Bombenattentate auf Straßen.

Mithin: Die Juden können sich nicht mehr nur in den besetzten Gebieten Palästinas nicht sicher fühlen, wie zuvor im Libanon und dann im Südlibanon, sondern auch nicht in ihrem Kernland – vor selbstmörderischen, fanatischen, oft religiös motivierten Tätern ist Sicherheit nirgends dauerhaft zu schaffen. Da hilft auch keine noch so klar formulierte Bestandsgarantie der USA oder der Nato.

Eine Situation ist entstanden, wie sie Israel seit Staatsgründung nicht erlebt hat, dramatisiert noch durch neu wuchernde Vernichtungsphantasien arabischer Extremisten. Sie meinen am Horizont die Chance zu sehen, einen palästinensischen Staat doch noch auf dem Gebiet des gesamten historischen Palästina errichten zu können und damit das jüdische Implantat loszuwerden, also die Totalrevision der seit 1948 geschaffenen Fakten zu erreichen.

Auf nichts anderes zielt die zweite Intifada, zielt auch das neuerdings so vehement eingeforderte „Rückkehrrecht“ der palästinensischen Flüchtlinge – nicht etwa in das Westjordanland, sondern nach Haifa und Tel Aviv. Gleichzeitig solidarisieren sich eine Million Palästinenser im israelischen Kernland – de jure israelische Staatsbürger, aber de facto erheblich diskriminiert – zunehmend mit der palästinensischen Nationalbewegung.

Wenn sich aber die Juden im Staat der Juden nicht mehr sicher fühlen können, weil es ihnen nicht gelang, die Palästinenser mit dem Staat Israel auszusöhnen, fällt nach mehr als 50 Jahren ein fundamentaler Zweifel auf die zionistische Idee und ihre Realisierung.

Der Zionismus hat Phantastisches geschaffen. Er hat einen im 1. Jahrhundert nach Christus untergegangenen Nationalstaat im 20. wiedererstehen lassen; er hat Millionen Juden aus aller Herren Ländern integriert, aus Menschen, die als Volk von Händlern und Krämern galten, eine soldatisch geprägte Staatsnation werden lassen, in der Generäle scharenweise Minister und Wissenschaftler wurden. Aus einem Volk von Opfern ist aber auch eines von Herrschern geworden, und den Arabern, so schien es, blieb nichts anderes übrig, als sich mit diesem Sparta-Imitat im Orient abzufinden.

Doch von seinem Geburtsfehler, den der Sozialist David Ben Gurion in Kauf nahm, während der Liberale Nahum Goldman vergebens davor warnte, nämlich einen nur halb säkularen jüdischen Nationalstaat mit der Bibel als Fundamentalgesetz zu schaffen, konnte die Neugründung nie genesen.

Die Religion war das Bindemittel der Juden in der Diaspora gewesen, also traute sich kein noch so moderner israelischer Politiker, die theokratische Israelhälfte abzustreifen, nicht mal eine geschriebene Staatsverfassung auf den Weg zu bringen oder auch nur ein Wahlrecht, das die großen politischen Formationen von der Geiselhaft durch die religiösen Splitterparteien befreit hätte. So geriet der an sich schon existentielle Kampf um Palästina, das die jüdische und die palästinensische Nationalbewegung einander streitig machen, zu einem archaischen Ringen zweier Heilsgewissheiten, die wechselseitig kein Erbarmen kennen und Toleranz schon gar nicht.

Am Ende besiegbar 

Ein Ausgleich in einer binationalen, religiös neutralen Demokratie – vielleicht wäre er, wie Nahum Goldman glaubte, 1947 noch denkbar gewesen. Ob er auf Dauer eine realistische Chance gehabt hätte, wird man nach den balkanischen Erfahrungen mit multinationalen Gebilden in der letzten Zeit eher verneinen.

Aber die zionistische Alternative führte eben auch nicht zu jenem Ergebnis, das sich die Gründungsväter erhofft hatten: im Heiligen Land für die Juden eine Heimstatt der Sicherheit vor Verfolgung und Tod zu schaffen, die ihnen außerhalb 2000 Jahre lang mit unterschiedlicher Niedertracht und Brutalität verweigert wurde. Immer verbissener – und immer erfolgloser – verengte sich das israelische Sicherheitsbedürfnis auf die erhoffte Wirkung von Waffenstärke und Landbesitz und sah nicht „das Zwillingsungeheuer aus Fanatismus und Gleichgültigkeit, das vor unserer Stadt lauert“, wie Amos Oz schrieb.

Israel war längst in politischem Immobilismus erstarrt, als die zweite Intifada den Regierungschef Barak erkennen ließ, was die Stunde geschlagen hatte: dass Israel dabei war, den Nimbus seiner Unbesiegbarkeit zu verlieren und am Ende besiegbar sein würde. Nur so erklärt sich, dass Barak in einer fast verzweifelten, sogar von der Friedenskämpferin Lea Rabin kritisierten Aktion doch noch einen Ausgleich herbeizuzwingen suchte: Preisgabe von 95 Prozent der besetzten Gebiete und, bis dahin absolutes Tabu, von Ost-Jerusalem.

Gleichzeitig freilich heizte Barak die Erbitterung der Palästinenser nochmals an, indem er nach jedem größeren Attentat die arabischen Gebiete durch die Armee rigoros abschotten ließ und so ganze Landstriche ins wirtschaftliche Elend stürzte – um 20 Prozent fiel das Bruttosozialprodukt in den Autonomiegebieten. Mehr Sicherheit für die Juden erreichte Barak damit nicht. Die Abschnürungsstrategie bewies nur die Hilflosigkeit der Militärmacht Israel gegenüber dem Terror. Folgerichtig ließ Arafat den Sozialisten Barak auflaufen – und die PLO-Scharfmacher bombten jenen Mann herbei, der die besten Aussichten für eine Eskalation des bewaffneten Kampfes bietet: den Rechtsradikalen Scharon.

Der hatte immer schon erklärt, dass die Araber einen palästinensischen Staat gar nicht bräuchten, weil es ihn ja schon längst gebe, nämlich Jordanien.

Die These mag theoretisch so falsch nicht sein, denn die jordanische Bevölkerung besteht mehrheitlich – die Schätzungen reichen bis über 60 Prozent – aus Palästinensern. Aber sie sind weitgehend in das beduinische Königreich integriert; man müsste erst die jordanische Dynastie beseitigen, ehe mittels „Transfer“ ein autochthoner Palästinenserstaat entstände – ein unrealistisches und zudem skrupelloses Gedankenspiel.

Scharons neuer Koalitionspartner, die kleine Partei „Nationale Einheit“, hat rabiate Fremdenfeindlichkeit zum Programm erhoben. Darin steht Ungeheuerliches: „Israel wird für die Beschleunigung des freiwilligen Transfers der Araber aus Judäa und Samaria sorgen, indem es die dortigen Universitäten und Hochschulen schließt, die Förderung der Industrie einstellt und für Arbeitsuchende die Arbeitsplätze in Israel sperrt.“

Dass ein sozialistischer Friedensnobelpreisträger namens Schimon Peres jetzt mit einer solchen Partei in der Regierung sitzt, zeigt, wie demoralisiert die israelische Linke heute ist. „Es gibt kaum eine Linke mehr in Israel“, befand der israelische Historiker Mosche Zimmermann in dieser Zeitung.

Geheimnis des Konflikts 

Als Regierungschef bekundete Scharon, er wisse schon mit dem palästinensischen Aufstand fertig zu werden. Damit kann er nur eine noch schärfere Abriegelung arabischer Siedlungen bis zum Ersticken jeder wirtschaftlichen Tätigkeit gemeint haben; oder gar, trotz aller Dementis, die erneute Besetzung der palästinensischen Autonomiegebiete durch die Armee; oder aber die dauerhafte Trennung der beiden Bevölkerungsgruppen, was auf „Transfer“ im Sinne seines radikalen Koalitionspartners hinausliefe.

Das eine wie das andere würde die arabische Welt einschließlich Ägyptens elektrisieren und große Teile des Westens gegen Israel aufbringen. Selbst Amerika würde dann kaum verhindern können, dass dem Staat der Juden, dem „unsinkbaren Flugzeugträger der USA“ in Nahost, so der frühere US- Vizepräsident Walter Mondale, Schiffbruch droht. „Unsinkbar“ waren Flugzeugträger noch nie.

Scharon will mit der PLO erst verhandeln, wenn der Terror aufgehört hat. Warum aber sollten die Palästinenser mit dem Terror aufhören, wo er doch die auf Sicherheit fixierten Israelis ins Mark trifft, der israelische Gegenterror aber die Palästinenser, trotz ihrer bisher fast 400 Toten, nicht? Richard Chaim Schneider: „Es wird Krieg geben in Israel.“

Alles spricht dagegen, dass Israel ihn gewinnen kann. Was aber dann? Krieg gegen die PLO und die arabischen Staaten, weil diese der PLO gerade neue Hilfsgelder gespendet haben und weil gegen sie die israelische Militärmacht bessere Chancen hätte als gegen die jugendlichen Attentäter in den Straßen? Eine aberwitzige Alternative, denn auch Scharon könnte schwerlich garantieren, dass die USA und Russland nicht dazwischen träten. Am Ende könnte dann ein israelischer Rückzug auf den Uno-Teilungsplan von 1947 stehen, den die Araber seinerzeit empört ablehnten, jetzt aber verlangen. Nach diesem Teilungsplan sollte Israel ein dreiteiliger Gebietsfetzen mit zwei schmalen, jederzeit zerschneidbaren Landbrücken sein – nicht zu verteidigen und wohl nicht lebensfähig. Das wäre dann die Katastrophe des Zionismus.

Ariel Scharon, als großer Extremist ein großer Vereinfacher, fand dieser Tage eine griffige Formel für das Drama, allerdings nicht für dessen Ausgang: „Die Araber wollen uns hier nicht haben. Das ist das Geheimnis des ganzen Konflikts.“

Der Autor, ehemaliger Auslandsressortchef und stellvertretender Chefredakteur des Spiegel, lehrt Journalistik an der Universität Leipzig.

haGalil onLine 04-04-2001

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