Wenn
Rabbiner aus ganz Europa zusammenkommen, gibt es keine
Verständigungsprobleme. Sie sprechen einfach Hebräisch miteinander.
Wenn aber elf von ihnen zusammensitzen und darüber rätseln, ob man
die Pressekonferenz besser auf Deutsch oder Englisch abhalten soll,
kann das kompliziert werden.
Gut, wenn es da jemanden wie
den Oberrabbiner von Paris gibt, der die Debatte kurzerhand auf
seine Art beendet: Josef Sitruk begrüßt die Journalisten auf
Französisch. Das sorgt nicht nur für allgemeine Erheiterung. Es ist
auch Zeichen dafür, dass sich die Männer vor den Mikrofonen auf
ungewohntem Parkett bewegen.
Zum ersten Mal seit Ende des
Zweiten Weltkriegs tagte in Deutschland wieder eine Europäische
Rabbiner-Konferenz. Für vier Tage, bis Montag, trafen sich die 31
Geistlichen in München. Den Versammlungsort hatte man gewählt, weil
in der Stadt eine große jüdische Gemeinde existiert, die sich zu
derselben konservativ-orthodoxen Glaubenrichtung bekennt, in der
sich die meisten anwesenden Rabbiner beheimatet fühlen. Mehr als ein
halbes Jahrhundert also war das oberste Gremium des europäischen
Judentums nicht bereit, im Land der Schoah, des Holocaust,
zusammenzukommen. Es sei auch jetzt „nicht ganz leicht“ gewesen, den
Gemeinden daheim zu vermitteln, dass die Reise nach Deutschland
geht, erklärt der Basler Rabbiner Myer Levinger. Was wohl einer
Untertreibung gleichkommt. Von jahrelangen Vorbereitungen spricht
Aba Dunner, der Generalsekretär der Konferenz.
Allen Skeptikern zum Trotz
haben die Rabbiner den historischen Schritt gewagt. Charlotte
Knobloch, Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland
und Gastgeberin der Tagung, wertet dies als Zeichen dafür, dass
Deutschland aus jüdischer Sicht wieder „voll und ganz akzeptiert“
sei. Natürlich wisse man auch im Ausland um die Brandsätze auf
Synagogen, die geschändeten Friedhöfe, die fremdenfeindlichen
Übergriffe. „Doch es gibt auch viel Toleranz und einen
gesellschaftlichen Kampf gegen Rassismus in diesem Land“, lobt
Rabbiner Levinger.
Die Wahl des Tagungsorts hat
indes nicht nur eine politische Signalwirkung. Sie ist auch ein Akt
der Unterstützung für die 84 deutschen Gemeinden, die in den
vergangenen Jahren durch den Zuzug aus Osteuropa stark angewachsen
sind. Aus ehemals 30 000 Juden in Deutschland sind fast 100
000 geworden. Die Zahl könnte sich verdoppeln, schätzen die
Rabbiner, die das Wachstum „mit Freude und Zuversicht beobachten“,
wie Großbritanniens Oberrabbiner Jonathan Sacks sagt. Sein Pariser
Kollege Sitruk spricht von einem „Barometer für die Demokratie“.
Zugleich stellt die Zuwanderung die Gemeinden vor Probleme.
Die Ankömmlinge wissen wenig
von Religion und suchen nicht unbedingt den Kontakt zu den
Gemeinden. Außer, diese bieten ihnen konkrete Hilfen. Die Münchner
Gemeinde organisiert deshalb Deutschkurse. Doch um mehr zu tun,
mangelt es an geistlichem Personal. Zwar gibt es seit vergangenem
Jahr in Potsdam ein Rabbinerseminar. Das aber kann nach Ansicht der
Konferenz den Bedarf nicht decken. Die Rabbiner wünschen sich
Seminare in allen großen deutschen Städten. „Wir sehen nämlich
jetzt“, sagt der Moskauer Rabbiner Pinchas Goldschmidt, „dass es
eine jüdische Zukunft in Deutschland geben wird.“