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"Nakam":
Jüdische Rache an NS-Tätern
 

Jim G. Tobias, Peter Zinke: 
Nakam
- Jüdische Rache an NS-Tätern

Konkret Literaturverlag 2000, ISBN: 3894581948
Euro 15,00

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"Plötzlich war alles fort, nichts war übrig, ich war allein,
verlassen. Jeder Tag war wie ein Jahr. 
Wo habe ich gesündigt? Wo?
Bis heute verstehe ich nicht, was geschah, wie ich
übrigblieb, gerade ich?
Wie bin ich dem Schrecken entronnen?
Das einzige Gebot, das uns die Opfer hinterlassen haben, heißt Rache, Rache, Rache!"

So wie Miriam Jahav, die diese Zeilen schrieb, dachten viele Überlebende der Shoah. Rache als Mittel, das den Schmerz zwar nicht aufheben, wohl aber dämpfen und lindern kann. Viele dachten, daß sie nur deshalb die Konzentrationslager überlebt hatten, um Rache für die ermordeten Verwandten zu nehmen. Das Buch von Jim G. Tobias und Peter Zinke berichtet von Juden und Jüdinnen, die diese Gedanken in die Tat umgesetzt haben.

Damit erhellen die Autoren ein brisantes und bisher kaum erforschtes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Im Vorwort schreiben Tobias und Zinke, daß ihnen während ihrer Arbeit vorgeworfen wurde, sie würden mit diesem Thema dem Antisemitismus Vorschub leisten. Das Gegenteil halten sie jedoch für richtig: "So zu tun, als hätten Juden und Jüdinnen sich überhaupt nicht gegen ihre Vernichtung zur Wehr gesetzt und an Nazis Vergeltung geübt, stützt das Vorurteil des feigen und hilflosen Opfers." (S. 8 f.)

Tatsächlich gab es verschiedenste Rachepläne von Holocaust-Überlebenden, von gezielten Aktionen gegen einzelne NS-Täter bis zur Ausrottung ganzer Großstädte. Neben der Rache spielte dabei auch die Furcht mit, daß die Judenvernichtung Wiederholung finden könnte. Die zur Vergeltung entschlossenen Juden sahen die Gefahr keineswegs gebannt, denn auch andere Völker waren schließlich am Holocaust beteiligt.

Jim G. Tobias und Peter Zinke werteten für ihr Buch bislang unbeachtete Dokumente aus und sprachen mit ehemaligen "Rächern". Sie alle stehen heute ihren Aktionen kritisch gegenüber und sind vor allem froh, daß geplante Aktionen gegen die Zivilbevölkerung nicht durchgeführt wurden. Andererseits sind sie alle von der Rechtmäßigkeit der Rache gegen einzelne Täter überzeugt.

Als Beispiel greifen die Autoren die Geschichte der Gruppe Nakam (hebräisch für Rache) heraus. Deren Anführer war Abba Kovner, ein Dichter und Partisanenführer. Kovner war wie viele andere bereits vor dem Krieg zionistisch und wollte nach dem Krieg nach Palästina gehen, aber nicht ohne zuvor Rache zu üben.

Kovner gehörte dem haSchomer haZair an, einer linken zionistischen Jugendbewegung, und kämpfte während des Krieges in der Widerstandsgruppe des Wilnaer Ghettos. Aus seinem berühmten Aufruf von 1942 stammt der Ausspruch: "Lasst uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen!" Diese Devise verfolgte er auch nach dem Krieg. Um ihn formte sich aus ehemaligen Widerstandskämpfern die Gruppe Nakam. Für die meisten Juden und Jüdinnen war zwar die Auswanderung das wichtigste Ziel, aber kein anderes Gefühl der Überlebenden war so stark wie die Rachegedanken.

Abba Kovner gab der Gruppe ihre Form und Richtung, er wollte Racheaktionen im großen Stil und keine einzelnen Vergeltungsschläge durchführen. Nakam operierte zunächst von Bukarest aus, wo Kovner eine flammende Rede hielt, die die Vergiftung von Trinkwasser als praktikabelste Möglichkeit betonte.

Die Gruppe nahm dann Kontakt zur Jüdischen Brigade auf, um sie für die Aktionen zu gewinnen. Wenn sie auch auf die Unterstützung und Sympathie einzelner Brigademitglieder bauen konnte, eine offizielle Unterstützung von Seiten der Jüdischen Brigade gab es nicht. Schon alleine in Hinblick auf die Gründung eines jüdischen Staates hielt man es für wenig angebracht, derartige Rachefeldzüge zu unterstützen. Die Jüdische Brigade folgte damit der offiziellen Politik des Jischuws unter Führung von David Ben Gurion.

Kovner reiste daraufhin im Juli 1945 nach Palästina und traf dort mit einigen Führern der Haganah zusammen. Doch auch dort konnte er keine eindeutige Zustimmung gewinnen, denn auch hier gab es andere Prioritäten. Einzelne Haganah-Mitglieder waren aber durchaus bereit, Kovner zu unterstützen, wenn auch nicht für seinen Plan A, nämlich die Vergiftung der Zivilbevölkerung in deutschen Großstädten, sondern für den Plan B, Angriffe auf SS-Internierungslagern. Das Gift dazu konnte er sich angeblich mit Hilfe eines recht berühmten Chemikers beschaffen, nämlich durch Chaim Weizmann, den späteren ersten Staatspräsidenten Israels. Er soll auch Geldgeber vermittelt haben. Von Plan A wußte Weizmann jedoch angeblich nichts.

Kovners Reise scheiterte schließlich. Im Dezember begab er sich zurück nach Europa, in Uniform und mit gefälschten Papieren an Bord eines Schiffs der Jüdischen Brigade. Im Rucksack das Gift in Form von Milchdosen. Doch Kovner wurde noch während der Reise verhaftet und seine Kameraden schütteten das Gift ins Meer. Die Umstände sind bis heute nicht geklärt, Kovner glaubte fest an einen Verrat, der die geplanten Racheaktionen verhindern sollte.

Die Mitglieder von Nakam wurden trotzdem aktiv. Sie reisten bereits im September nach Deutschland. Hamburg und Nürnberg wurden ausgewählt, um die kommunale Wasserversorgung zu vergiften, in Dachau und Weimar sollten SS-Internierungslager angegriffen werden. Plan A mußte jedoch aufgegeben werden.

Plan B konnte zumindest in Nürnberg durchgeführt werden. Dort konnte Nakam in einem SS-Internierungslager ca. 3000 Brote mit Arsen bestreichen, das an die Gefangenen ausgeliefert wurde. Die Autoren lassen Leipke Distel, den Anführer der Aktion ausführlich zu Wort kommen. 1900 Lagerinsassen erkrankten, 38 davon schwer. Die Dosis war aber zu schwach, um die Internierten zu töten.

Die Nakam-Aktivisten flohen nach Prag und von dort nach Palästina. Ihr Schiff wurde von den Briten abgefangen, nach einiger Zeit in einem Internierungslager bei Haifa wurden die Einwanderer aber schließlich frei gelassen. Die Nakam-Mitglieder siedelten im Kibbuz En haChodesch.

Was sie nicht wußten, die Haganah, die seit dem Scheitern von Plan A mit Nakam kooperierte, hatte einen Spion in die Münchner Zentrale der Gruppe eingeschleust, der überwachen sollte, daß es keine Toten gab. Man wollte unter keinen Umständen die Staatsgründung gefährden oder die guten Beziehungen zur amerikanischen Besatzungsmacht stören, die bei der Ausreise von Juden behilflich war.

Dieser Doppelspion war Dov Shenkal, ein ehemaliges Mitglied der Jüdischen Brigade und Haganah-Kämpfer. Er stellte sich der Gruppe als Kurier zur Verfügung und beschaffte das Gift, das er so verdünnen konnte, damit es keine Toten gab. Gegenüber Tobias und Zinke äußerte er sich sehr bedrückt. Noch heute fühle er sich so, als hätte er seine Kameraden verraten. Doch er saß zwischen den Stühlen, konnte einerseits die Aktionen gut verstehen, hätte aber andererseits niemals Angriffe auf die Zivilbevölkerung gebilligt.

Neben der Nakam-Gruppe beleuchten die Autoren auch andere Rächer, darunter Soldaten der Jüdischen Brigade, und die Jagd auf Adolf Eichmann. Der breitere Kontext wird durch Einschübe über NS-Täter und die deutsche Justiz und die Fluchtwege der Nazis gewährt.

Die Nürnberger Justiz eröffnete 1999 ein Strafverfahren gegen zwei der Rächer. Die Autoren mußten daher während den Arbeiten am Buch ständig mit der Beschlagnahmung ihres Materials rechnen. Das Verfahren wurde aber schließlich eingestellt.

Ein Glück, denn so konnte ein Buch entstehen, das eine eindrucksvolle Darstellung der jüdischen Vergeltungsaktionen bietet, die vor allem von der Betonung des Individuums lebt. Den Abschluß bilden daher auch die Kurzzusammenfassungen der Begegnungen zwischen den Autoren und den ehemaligen Kämpfern. Sie alle brachen ihr Schweigen erst vor kurzem, um die Fragen der Enkel zu beantworten: "Warum habt ihr euch eigentlich nicht an den Nazi-Mördern gerächt?"

Andrea Übelhack

haGalil onLine 14-03-2001

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