|
|
In den letzten Jahren
häufen sich kommerzielle Spielfilme, die den Holocaust
thematisieren. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Einmal mit dem zeitlichen
Abstand vom Holocaust. Die Filmemacher, Regisseure und Produzenten
gehören nicht der unmittelbar betroffenen Opfer-Generation an.
Dadurch ist die Kraft vorhanden, sich mit der Vergangenheit
auseinanderzusetzen. Zum zweiten haben die jüdischen Wurzeln bei
vielen stark nachgelassen. Viele konzentrieren sich im Judentum
nicht mehr auf die Religion, die Geschichte, die Kultur. Da sie
darüber zu wenig wissen, konzentrieren sie sich auf die stärksten
Emotionen - das war die Shoa. Und dann gibt es eine Reihe von
Trittbrettfahrern, die den Holocaust als Investition, als eine "gute
Aktie" betrachten, so z.B. Roberto Benigni mit ”Das Leben ist
schön”.
Warum betrachten Sie
seinen Film "Das Leben ist schön" als "Investition" in den
Holocaust?
”Das Leben ist schön” ist nur
noch Klamauk. Radu Mihaileanu, der Regisseur von "Zug des Lebens"
(1999) sagte über Benigni, er suche mit ”Das Leben ist schön” vor
allen Dingen Geld und Ruhm. Und er hat Recht. Benigni zeichnet stark
schwarz und weiß. Hier die Bösen, da der märtyrerhafte Vater, der
erst durch die Shoa über sich selbst hinauswächst. Darüber hinaus
ist der Film zutiefst unhistorisch. Er impliziert z.B., dass
jüdische Kinder die Konzentrationslager überlebt hätten. Tatsache
ist, dass 1½ Millionen jüdische Kinder während dieser Zeit ermordet
wurden. Benignis Film ist eine rührselige Geschichte, die ihre Kraft
eindeutig aus der Shoa bezieht. Er ist ein Konjunktur-Ritter.
Genauso unhistorisch fand ich
Spielbergs Dokumentation "Die letzten Tage". Fünf Überlebende, die
allesamt nach Amerika ausgewandert sind, sprechen über ihre
Vergangenheit. Die Shoa wird als eine Art Abenteuer dargestellt,
dass mit der Ankunft in den Staaten ein gutes Ende findet. Nach dem
Motto: Wir kamen in die USA und alles wurde gut. Dass Amerika
während des Krieges abseits gestanden hat, dass es sich in den
dreißiger Jahren und Anfang der vierziger Jahre weigerte, Juden
aufzunehmen, wird mit keinem Wort erwähnt.
Kommerzielle Spielfilme
wie "Aimée und Jaguar" oder "Sunshine" greifen persönliche
Schicksale auf. Glauben Sie nicht, dass über die Identifikation des
Zuschauers mit der Filmrolle Aufklärungsarbeit geleistet wird?
In "Aimée und Jaguar" wird
eine Wirklichkeit dramatisiert und verzerrt, die es so nicht gab.
Die Shoa-Geschichte wird auf eine Liebesgeschichte zwischen zwei
Frauen reduziert. Sämtliche Klischees werden bedient. Die Jüdin ist
klug, flott und schnell und die Deutsche ist dumm, dumpf und
langsam. Ich habe Lilly Wüst, das Vorbild von Aimée persönlich
kennengelernt. Sie ist eine intelligente, zupackende und
willensstarke Frau. Von ihrem Mann, der im Film, passend zum
Klischée, als Schläger und Brutalo dargestellt wurde, sprach sie als
einem sensiblen Mann, der ihr nie etwas zuleide getan hätte. In
Filmen wie "Aimée und Jaguar" und das "Leben ist schön" wird mit
Emotionen gespielt. Ernsthaftigkeit und ernsthafte Erinnerung gehen
dadurch verloren.
Ich glaube nicht, dass diese
Filme nachhaltige Aufklärungsarbeit leisten können.
Medienuntersuchungen besagen, dass Kinobesucher, die sich z.B.
"Aimée und Jaguar" und danach weitere Filme ansehen, sich nur einen
Bruchteil der vermittelten Information merken. Wem von den
Zuschauern von ”American Beauty” ist z.B. bewußt, dass hier die
Entfremdung der amerikanischen Gesellschaft darstellt wird?
Vielleicht zwei Prozent der Kinobesucher. Also diejenigen, die sich
bereits vorher mit dem Thema beschäftigt haben und sich auch in
Zukunft damit beschäftigen werden.
Glauben Sie, dass die
"Holocaust"- Filme notwendig sind und welche Kriterien zeichnen
einen gut gemachten Film dieser Art aus?
Wenn ich an einen von den
aktuellen, besseren Filmen dieser Art denke, z.B. "Zug des Lebens",
bin ich unentschieden. Bei Kunst wäre es vermessen zu sagen, dass
sie notwendig ist oder nicht. An Kunst habe ich nur zwei Ansprüche.
Sie muß berührend und ehrlich sein. Das andere Kriterium ist das der
Aufklärung. Spielbergs Film "Schindlers Liste" war aufklärerisch in
dem Sinn, dass er zeigte, dass der Einzelne nicht machtlos ist.
Geschichte hat einen Sinn. Der Sinn ist, zu begreifen, was wir aus
der Vergangenheit lernen können. Tatsache ist, dass man die Shoa
weder filmisch noch in anderer Form aufarbeiten kann. Die Frage ist:
Was kann man aus ihr für die Gegenwart lernen?
Der Holocaust im zeitgenössischen Spielfilm:
Von
Jaguaren und Juden
haGalil onLine
20-03-2001
Schnellsuche
|