Ein Nazi steigt aus:
Die Abrechnung
Die Zeit
kommentierte: "Das ist ein Abgrund, in den man nicht gerne schauen möchte.
Aber den Hinsehen würde vielleicht mehr bewirken als eine Kerze in einer
Lichterkette".
Kaum ein Tag vergeht, ohne
dass die Medien rechtsextremistische übergriffe auf Menschen in
Deutschland melden. Der braune Mob, so scheint es, ist besser
organisiert und gewaltbereiter denn je. Ingo Hasselbach war
jahrelang einer von ihnen. Als führendes Mitglied der Neonaziszene
hat er Haß und Gewalt gepredigt, Straßenschlachten, Wehrlager und
Kameradschaftsabende organisiert, bis er sich 1993 zum Ausstieg
entschloß.
Hasselbach gibt einen
authentischen Bericht über den Rechtsextremismus in Deutschland. Er
beschreibt seinen eigenen verhängnisvollen Weg von Punk zum Neonazi,
er nennt Namen, zeigt Strukturen, charakterisiert "Führer" und
Anhänger. Er schildert seine Motive für den Ausstieg aus einer
Szene, die wie eine Droge wirkte im Kampf um Anerkennung,
Selbstbewußtsein und Gemeinschaftsgefühl.
Hier sieht er eines der
größten Probleme und Schwachstellen unserer Gesellschaft: "Wir
sollten in der Lage sein, den braunen Rattenfängern den Nachwuchs
abzuschneiden. Solange unsere Gesellschaft es nicht schafft,
Jugendliche daran zu hindern, in diese Gruppen zu rennen, werden wir
weiterhin das Problem haben, dass Synagogen und Ausländerwohnheime
das Angriffsziel fanatisierter Jugendlichen sind. Ohne die
Altersgruppe der 14- bis 20jährigen verliert die Szene einen ihrer
wichtigen Bestandteile.
Die geistigen Brandstifter,
wie Udo Voigt, Christian Worch, Horst Mahler und wie sie alle heißen
mögen, werden diese Gewalttaten nicht selbst durchführen, sie
brauchen dumme, orientierungslose Jugendliche für diesen Zweck. Der
verstorbenen Neonaziführer Michael Kühnen nannte sie immer
'nützliche Idioten'."
Nach dem Ausstieg sind Gewalt
und Angst längst nicht aus seinem Leben gewichen, noch immer ist er
auf der Flucht vor der Rache seiner ehemaligen Gesinnungsgenossen.
Als Journalist engagiert er sich heute mit Artikeln und Projekten
gegen die geistigen Brandstifter aus der rechten Szene.
Er schreibt: "Nach meinem
unwiderruflichen Ausstieg aus der Neonaziszene erhielt ich
Morddrohungen von verschiedenen Leuten, solche, die ich sehr ernst
nehmen muß, aber auch solche, die mich eher amüsieren, zum Beispiel,
wenn ein mir gut bekannter Hooligan in aller Öffentlichkeit damit
prahlt, mich 'killen' zu wollen. Innerhalb der rechten Szene in
Berlin gibt es allerdings gewaltbereite Gruppen, denen ich alles
zutraue.
Deshalb habe ich mein Leben
von Grund auf ändern müssen. Ich kann heute nicht mehr nach
Berlin-Lichtenberg fahren, wo ich fast mein ganzes bisheriges Leben
verbrachte. Meine Geschwister und meine ganze Familie leben in
diesem Stadtteil von Ostberlin, und sie sind jetzt gefährdet.
Es fiel mir nicht leichter,
aufzuschreiben, was ich erlebt habe, wenn ich dabei an einen
konkreten Menschen dachte. Dieser Mensch konnte nur mein leiblicher
Vater sein. Und so ist das ganze ein langer Brief an ihn geworden."
haGalil onLine
13-03-2001
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