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Ein Verein bietet einen
außergewöhnlichen Kulturschatz im Internet an: Die untergegangene
jiddische Kultur und Sprache in Tonbeispielen.
Es gibt Homepages im
Internet, die wie ein kleines Juwel erscheinen: "www.jiddischkurs.org"
gehört dazu. Für diese Site lässt ein kleiner Düsseldorfer Verein
seit neun Jahren 6000 Stunden Tonaufnahmen einer verloren gegangenen
Kultur digitalisieren, dem Jiddischen. Das Ziel ist es, mit Augen
und Ohren "einer fremden Kultur zu begegnen, die mitten in Europa,
im Rhein- und Donauraum, entstanden ist und an der während ihrer
Hochzeit im ersten Drittel des 20.Jahrhundert zwischen elf bis zwölf
Millionen Menschen weltweit teil hatten. Sie ist jetzt fast völlig
aus Europa verschwunden." So lautet eine Selbstbeschreibung des
"Verein für jüdische Sprache und Kultur", der vor zehn Jahren
entstand. An seiner Spitze stehen unter anderem der ehemalige
Berliner Bürgermeister Klaus Schütz und der Vorsitzende des
Zentralrats der Juden, Paul Spiegel.
"Sie können hier einerseits
jiddisch lernen, aber auch viel über das Jiddische erfahren",
erläutert der Marburger Linguist Robert Neumann. Für den
Mitinitiator des Projekts hat das Jiddische eine europäische
Dimension. Es lebte europaweit mit anderen Kulturen zusammen. Es gab
kein Jiddischland, sondern nur eine übergreifende Kultur, "der die
Idee fremd war, dass ein Volk einen Staat und nur eine Kultur
braucht", so Neumann.
Originalsprachaufnahmen
aus den fünfziger und sechziger Jahren
Auf der Website finden sich
historische Erläuterungen, eine Sprachkarte und 50 Minuten
historische Hörproben. Diese Aufnahmen erfolgten bereits in den
fünfziger und sechziger Jahren auf Initiative des Linguisten Max
Weinreich, einem Emigranten aus Wilna, und seinem Sohn Oriel. Heute
wird diese Sammlung betreut von Marvin Herzog an der Universität von
Columbia in New York, wo die Bänder nach und nach digitalisiert
werden. Im Lauf der nächsten fünf Jahre sollen sie komplett auf der
Homepage des Vereins abrufbar werden. Die Grundfinanzierung erfolgte
zunächst mit Hilfe der Europäischen Gemeinschaft und der
Krupp-Stiftung in Essen. Rund 650.000 Mark fehlen aber noch, um die
hohen Digitalisierungskosten zu decken.
Zu dem Sprachschatz gehören
auch verloren gegangene Lieder, die gesichert werden müssten. Die
jiddische Bewegung fühlte sich stark mit der Arbeiterbewegung und
anarchistischem Denken verbunden, deshalb sind viele sozialkritische
und politische Texte dabei. Bislang sei dies alles "wie ein blinder
Fleck" behandelt worden - niemand schaute hin. Seit Mitte Dezember
scheint das anders zu werden, als die Homepage freigeschaltet wurde.
Ohne jede Reklame gingen seit Anfang Februar 26.000 Nachfragen bei "www.jiddischkurs.org"
ein, Meinungsbeiträge dagegen kaum, klagt der Mitinitiator Robert
Neumann. Und rechte Beschimpfungen? "Wenn welche kommen, die filtern
wir weg".
haGalil onLine
04-02-2001
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