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"Hitlers Gesicht":
Eine physiognomische Biographie

Andrea Übelhack
 

Claudia Schmölders, Hitlers Gesicht. Eine physiognomische Biographie
C. H. Beck Verlag, München 2000
ISBN: 3406466117
Euro 24,50

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Hitlers Erscheinung ist uns heute aus zahlreichen Fotographien und Filmausschnitten noch immer sehr präsent, wenn wir auch die Faszination, die seine Gestalt auf die meisten seiner Zeitgenossen ausübte, nicht mehr nachvollziehen können. Hitler lebte in einer Zeit, die die Schwelle zum modernen Medienzeitalter bildet, und er wußte die visuellen Möglichkeiten der Propaganda bestens zu nutzen. Er bedrängte seine Anhänger in massiver, ja sogar körperlicher, Art und Weise durch seine ständige visuelle Präsenz. Diese Dokumente sind Grundlage für die Untersuchung von Claudia Schmölders.

Eine physiognomische Analyse begnügt sich jedoch nicht mit einer Untersuchung des Bildmaterials. Die Autorin liefert vielmehr eine umfassende Studie zu Augen- und Ohrenzeugenberichten über das "Phänomen Hitler".

Gleich zu Anfang stellt Claudia Schmölders die Frage, ob man an Hitlers physische Erscheinung überhaupt erinnern sollte. Denn seine Gestalt, die Abbildung seines Gesichtes war lange Zeit ein unausgesprochenes Tabu. Keine der großen Hitler-Biographien zeigt sein Gesicht auf dem Einband. Dieses Tabu konnte erst durch zahlreiche, meist amerikanische Spielfilme gebrochen werden: "Schon wird Hitlers Gesicht wieder im politischen Alltag benutzt: sei es als Schreckbild, sei es als lächerliche Karikatur; letzteres sogar häufiger." (S.7)

Die Grundfrage dahinter ist, ob sich das, was Hitler ausmacht, das Böse, das Dunkle und Machtgierige überhaupt visualisieren läßt. Läßt sich das, was Zeitgenossen in gehässigen und faszinierten Aussagen beschrieben auch in den Bildern wiederentdecken?

Entscheidend ist, daß diese "stillen Bilder", wie sie die Autorin nennt, vor ihrem Hintergrund erklärt und in Zusammenhang gesetzt werden müssen: "Ohne Sprache ist das Bild nicht verständlich." (S.8)

Dazu holt Claudia Schmölders weiter aus und stellt die Rahmenbedingungen dieser Zeit dar. In keiner Periode wurde so sehr auf die physische Erscheinung und Wirkung geachtet, wie in der Zeit zwischen 1918 und 1945. Keiner hat sich derart visuell den Menschen aufgedrängt wie Hitler, niemand wußte visuelle Propaganda derart zu nutzen wie er.

Physiognomik hatte aber bereits im 19.Jahrhundert den entscheidenden Aufschwung und "im Rücken der philosophischen Aufklärung eroberte die Physiognomik die Naturwissenschaften und ihr juristisches Umfeld; zunächst im Namen von Anthropologie und Phrenologie, dann der Psychatrie, schließlich der Polizeiwissenschaften und seit der Jahrhundertwende mehr und mehr im Auftrag der Rassenkunde." (S.23) In den 20er Jahren gab es zahlreiche Projekte, die an der Darstellung von Gesichtern und Gestalten arbeiteten, wie z.B. das Projekt einer nationalen Porträtgalerie.

Die Vision von einem Gesicht als Landschaft wurde übrigens auch auf das Judentum ausgedehnt. So erschien 1920 "Das ostjüdische Antlitz" von Arnold Zweig, das heute scheinbar von Vorurteilen überflutet ist, tatsächlich aber die zeitgenössische Idee eines Typus nach Himmelsrichtung verdeutlicht.

Claudia Schmölders stellt Hitlers Lebensgeschichte eindrucksvoll an seinen Bildern dar. In den Jahren 1919-1923 ließ er sich überhaupt nicht fotografieren, untersagte dies angeblich sogar und ließ ausschließlich seine Stimme wirken. Daher wußte zunächst niemand, wie dieser Hitler eigentlich aussah. Im Simplicissimus erschien am 28. Mai 1923 eine Karikatur Th. Th. Heines mit dem Titel "Wie sieht Hitler aus?", 12 Bildchen mit Fragen, ob er dünn oder dick sei, mager oder schön etc. Die ersten Plakatwerbungen zeigen daher auch nicht den Redner selbst, sondern die ergriffene Masse, die dem unsichtbaren Hitler lauscht.

Hitlers Diktatorenzeit ist seitdem ständig begleitet von Fotographie, für die ausschließlich Heinrich Hoffmann zuständig war, Karikatur und Augenzeugenberichten. Physiognomisch gesehen zeigt das Werk von Heinrich Hoffmann drei zentrale Themen der Weimarer Republik, die nationale Porträtgalerie, das "Antlitz des Führers", das die Landschaft widerspiegelte, auf die man wieder stolz sein konnte, und das Projekt des "neuen Menschen".

Eine neue Dimension erfuhr die visuelle Darstellung des Führers dann mit dem Einsatz des Propaganda-Mittels Film und der Person Leni Riefenstahls, die eine neue ästhetische und atmosphärische Dimension einbrachte.

Aber auch die Gegner Hitlers griffen auf physiognomische Darstellungen zurück, wie z.B. die berühmte Fotomontage von Kurt Tucholsky und John Heartfield "Deutschland, Deutschland über alles" von 1929. Eines der Bilder karikiert den zeitgenössischen Bestseller "Tiere sehen Dich an", der später in ganz andere Form wiederkommen sollte. "Juden sehen Dich an" von Johann von Leers ist sicher eines der widerwärtigsten antisemitischen Propagandastücke des Dritten Reichs überhaupt. Es zeigt im wesentlichen die Gesichter von bekannten Juden in verschiedene Kategorien unterteilt, von Blutjuden bis Kunstjuden.

Als Kunstjude ist auch Charlie Chaplin abgebildet, der die Janusfigur des großen kleinen Mannes physiognomisch karikiert hat wie kein anderer. "Der große Diktator" gehört bis heute zu den größten Filmen aller Zeiten. Aber auch Walt Disney wagte sich an eine Produktion über den deutschen Diktator. Der Kinderfilm "Der Führer´s Face" von 1942 zeigt Donald Duck, wie er von SS-Männern zur Arbeit in einer Fabrik gezwungen wird, was sich aber am Ende als böser Traum entpuppt.

Auch den physischen Verfall Hitlers zeigt die Autorin anhand der Bilder. Zeitgenossen diagnostizierten eindeutig die Parkinsonsche Krankheit bei Hitler. Er zeigte sich immer seltener in der Wochenschau, da sein ganzes Bewegungsbild schließlich stark beeinträchtigt war.

Claudia Schmölders läßt ihre physiognomische Biographie jedoch nicht mit Hitlers Tod enden, sondern geht weiter. Sie setzt sowohl die Bilder aus Auschwitz, Mauthausen und Theresienstadt der Glorifizierung des Diktators entgegen, wie auch die nach dem Krieg erstellten Bilder eines Maskenbildners, der im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes Suchbilder anfertige, die den Diktator als Unternehmer, Professor und russischen Intellektuellen zeigen.
Insgesamt bietet die Autorin eine völlig neue Sichtweise auf die Zeit des Dritten Reiches und die Person Adolf Hitlers. Sie unterzieht die Zeitzeugenberichte einer Analyse, die zeigt wie diese modelliert und überliefert wurden, welche Vor- und Nachgeschichte diese haben und welche Bilder sie ihrerseits erzeugten. Das Buch liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Analyse einer immer noch rätselhaften Faszinationsgeschichte.

Claudia Schmölders ist Privatdozentin für Kulturwissenschaften an der Humboldt Universität zu Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Physiognomik, darunter die Einführung 
-- Das Vorurteil im Leibe (1995)
-- Der exzentrische Blick (1997). Gespräch über Physiognomik
sowie zusammen mit Sander Gilman den Tagungsband
-- Gesichter der Weimarer Republik (2000). Eine physiognomische Kulturgeschichte.

haGalil onLine 02-02-2001

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