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Ein Blick auf die
Website, mit der "Amazon.de" das Buch "Die
Holocaust-Industrie" von Norman G. Finkelstein (München 2001, Piper)
bewirbt, verrät bereits, weshalb dieses Werk in Europa hohen Anklang
findet. Aufschlußreich ist etwa die Liste der Bücher, die laut
"Amazon" von Käufern der Finkelstein-Schrift am häfigsten ebenso
erworben wurden.
Hierzu gehört etwa "Das Ende
der Tabus. Aufbruch in der Zeitgeschichte" von Rudolf Czernin (Graz
1998, Stocker), dessen Beschreibung bei "Amazon" auszugsweise wie
folgt lautet:
"Unter Berufung auf
Historiker wie Ernst Nolte, Werner Maser und David Irving
unterzieht er vieles, was bislang als Lehrmeinung galt oder
gilt, einer Revision, relativiert die Judenverfolgung und
-vernichtung und verweist auf die Verbrechen der Sieger und
ehemaligen Kriegsgegner."
Die online veröffentlichten
Stellungnahmen des Publikums geben noch mehr Aufschluß darüber, was
ein guter Teil der Öffentlichkeit an dem Buch schätzen mag:
"Mutiges und ehrliches Buch
: weg mit dem Tabu!
Prof. Finkelstein [...] wagt es, Tabus durch zu brechen und
verbotene Warheiten zu öffentlichen. [...]Aber keiner, aus Angst
vor jüdische und "anti"-faschistische organisationen, dürfte es
laut, direkt und offensichtlich zu sagen. Finkelstein, sowohl
Jude als Universitätprofessor in Politikwissenschaft, hatte den
richtigen Profil um solch ein Bestseller zu schreiben -- jeden
anderen hätte man wahrscheinlich von Antisemitismus angeklagt
und zum schwiegen gezwungen. [...]geht es um ein slechtes Buch
nur deswegen, daß es manche jüdische Organisation hemmunglos zu
kritisieren wägt? Daß ein Buch politisch inkorrekt sei macht
noch davon kein schlechtes Buch, denk ich. [...]Auch empfehle
ich ein Buch, das mir für Deutsche unentbehrlich scheint: Das
Ende der Tabus : Aufbruch in der Zeitgeschichte, von Rudolf
Czernin -- ein buch, daß eine wichtige übersicht gibt von vielen
anderen Tabus und mythen, den die Allierte nach dem Krieg
aufgedrängt haben."
"Wäre dieses Buch nicht von
einem Juden sondern bzw. von einem Republikaner geschrieben,
läge es schon auf dem Index. So muss man sich aber mit den
Thesen und Vorwürfen Finkelstein auseinandersetzen und sie
überdenken."
"Zensur gescheitert!"
Daß der Autor selbst
jüdischer Herkunft ist, exkulpiert ihn von möglichen Vorwürfen,
antisemitische Hetzpropaganda betreiben zu wollen, was der
Glaubwürdigkeit des Buches beträchtlichen Vorschub leistet.
[...]Das bedauerliche Schicksal der Mittel- und Osteuropäer im
bewegten 20. Jahrhundert eigent sich nicht für historische
Vereinfachungen und einseitige Schuldzuweisungen; jede der
beteiligten Volksgruppen hat Opfer und Täter in ihren Reihen,
hat andere leiden lassen und selbst gelitten. Einseitige
finanzielle Begehrlichkeiten tragen nicht zur Versöhnung bei.
"Gerade in den Zeiten von
neonazionalsozialistischen Zügen in der demoralisierten und
arbeitslosen Jugend, wäre ein Umdenken wünschenswert. Nicht
dahingehend nur zu rufen "Ach, die armen Opfer" und jegliche
Kritik unterdrückend an Israel und seinem zum Teil mangelndem
Unrechtsbewußtsein in der Frage des Umgangs mit ehemaligen
Bewohnern des eigenen Staates."
"Finkelstein widerspricht
der These, der Holocaust sei einzigartig und mit keinem anderen
Ereignis der Weltgeschichte zu verglichen. Der Glaube an die
Einzigartigkeit des Holocaust [..] wird laut Finkelstein von
Juden schamlos ausgenutzt, um die grauenvolle
Menschenrechtssituation in Israel zu rechtfertigen und um ein
Klima der Angst zu schaffen, in dem niemand mehr, sei es in
Politik oder Wissenschaft, das Thema Holocaust ehrlich und
rationell zu diskutieren wagt. Nur ein Jude kann ein solches
Buch schreiben und obendrein noch einen renommierten Verleger
dafür finden. [..] Wenn David Irving diese Behauptungen
aufgestellt hätte, würde er sich recht bald im Gerichtsaal
wieder-finden und wenn Jörg Haider so gesprochen hätte wären
Österreich noch strengere Sanktionen gewiß."
Finkelstein greift als in
Herkunft, Bildung und nachweislichen Leistungen "unverdächtiger"
Autor ein Thema auf, dem sich Deutsche niemals unbekümmert
werden nähern können. Seine provokanten Thesen eröffnen und
ermöglichen eine Diskussion, die gerade in Deutschland nötig
ist: so wie die Generation der "68'er" die Tabus ihrer Eltern
brachen und damit die Auseinandersetzung mit den Schattenseiten
deutscher Geschichte erst möglich machten, so herrscht seit
Jahren aus gut gemeinter Selbstkritik eine Stimmung von Frage-,
Denk- und Sprechverboten unter "umgekehrten Vorzeichen".
Organisationen und
Enthüllungsjournalismus
Die Leserreaktionen erklären
den Verkaufserfolg, und dies verweist auf einen Marketingaspekt: Der
bedarfsgerecht veranstaltete Tabubruch. Man stelle sich etwa ein
Buch vor, "Der Rote-Kreuz-Komplex", in dem angebliche hochkorupte
"Machenschaften" des Roten Kreuzes dargestellt würden. Greenpeace
und das Internationale Olympische Komittee wurden bereits mit
"Enthüllungsgeschichten" konfrontiert, Geheimdienste und
Wirtschaftsunternehmen stehen ohnehin im Fokus, und irgendwann waren
selbstverständlich auch die jüdischen Restitutionsvereinigungen
"fällig". Das Finkelstein-Werk läßt sich unproblematisch in das
Genre des Enthüllungsjournalismus einordnen. Und es kam, unter
Marketinggesichtspunkten, zur richtigen Zeit. Die Tatsache, daß
solch ein Buch erscheint, ist daher erst einmal wenig überraschend.
Der "Kronzeuge"
Ob ein "Skandal-Sachbuch"
eher besser oder aber schlechter gerät, ist oftmals eine Frage des
Zufalls. Und natürlich stammt das Buch, in dem nun die jüdischen
Organisationen, die sich mit der Restitution beschäftigen, von einem
Autor mit jüdischer Mutter: Schließlich haben vermeintliche
"Insiderberichte" etwas "authenitisches": "...ja, wenn der das schon
schreibt". Vielleicht spielt auch teilweise die "Lust" am "Verrat"
an einer ansonsten für das "gemeine Publikum" in Europa schwer
einsehbaren Organisationen-Welt eine Rolle, einer "Welt", der
Finkelstein übrigens niemals angehörte - so daß er gar kein
"Insider" ist.. Ein Bericht über das KGB, ob richtig ob falsch, ob
von Insider oder Outsider verfaßt, verkaufte sich damals ja auch
besser, wenn ihn ein Autor mit russischem Namen schrieb. Daß ein
Jude das Buch verfaßt hat, überrascht also ebensowenig.
Jüdisches debattiert sich von
selbst
Was viel bemerkenswerter
erscheint, ist der Umstand, wie sehr einem Autor in Europa
unabhängig von der Qualität der Recherche oder persönlichen
Qualifikation Beifall gezollt wird. Ebenso interessant ist, von wem
diese neue "Debatte" überhaupt geführt wird, egal unter welchen
Vorzeichen. Etwas überspitzt gesagt, manchmal entsteht der Eindruck,
daß, wenn ein Jude Eingang in die Feuilletons der europäischer
Zeitungen finden möchte oder an Podiumsdiskussionen interessiert
ist, er nur ein besonders aggressives Buch über irgendetwas
Jüdisches schreiben muß - und sei es noch so schlecht. Aufgegriffen
wird es allemal, und zwar um so mehr, wenn sich dann die
entsprechenden Zeitungsteile mit Rezensionen, Gegenrezensionen,
Debattenbeiträgen und Gegendebattenbeiträgen sowie Berichten zu
Podiumsdiskussionen und die dazugehörigen "Analysen" über ein
"grundlegendes Thema" über die nächsten Wochen füllen lassen. Und
dazu eignen sich besonders "Tabubrüche", egal ob qualifiziert oder
nicht. Hans Mommsen, Geschichtsprofessor an der Ruhr-Universität in
Bochum, meinte dazu in der Süddeutschen Zeitung (10. Februar 2001,
übrigens im Feuilleton) treffend:
"In Deutschland scheint
es üblich zu werden, dass die Medien nicht so sehr über
intellektuelle Debatten berichten als sie vielmehr selbst
produzieren. Das gilt für die eben anrollende
Finkelstein-Debatte [...] Die Erwartung des Verlags, dem Buch,
das zum mindesten indirekt an antisemitische Ressentiments
appelliert, die in der deutschen Gesellschaft noch immer
reaktivierbar sind, einen massenhaften Absatz zu sichern,
scheint in Erfüllung zu gehen."
Obwohl die Kritiken zum
größten Teil vernichtend sind, dient dies natürlich dem Autor - der
gesagt haben soll, der mangelnde Absatz seines Werkes sei auf den
Einfluß jüdischer Redakteure in den Medien zurückzuführen. Ein Buch,
gegen das man sich verschworen hat, muß ja für das Publikum noch
interessanter sein - wenn sie es nicht mögen, muß das ja einen
verborgenen Grund haben...
Feuilletalk
Der zum Marketingzweck
arrangierte Tabubruch wird eben im Privatfernsehen am Nachmittag mit
exhibitionistischen "Talks" - debattiert, gelebt wird er natürlich
nur von den "Talkgästen", nicht vom nur debattierenden Sender. Im
Feuilleton sind Bücher Gegenstand der "Debatte", also Medien, die ja
kraft Form höhere intellektuelle Autorität beanspruchen als das
gesprochene Wort, mehr sogar noch als "der Film" oder "die Bühne".
Und da das Finkelstein-Buch
ein Tabubruch-Buch ist, entfacht es, unabhängig von Vorhandensein
oder Mangel des Verdienstes, bemerkt zu werden, automatisch eine
"feuilletonistische Debatte", feuilletonistische nur deshalb weil es
ein Buch ist und kein "Afternoon-Talk".
Die jüdischen
Restitutions-Geld-Verteilorganisationen waren eben, wie ebenso, in
abgeschwächter Form, Juden im allgemeinen, mit Immunität gesegnet.
Dieses Tabu wurde nun kraft Nachfrage gebrochen, und denen, die dies
gut finden, ist es recht gleichgültig, mit welcher Qualität das
getan wird. Es geht ihnen nicht um Sachinformation zum Thema,
sondern um die Befriedigung eines programmatischen Bedarfs. Dieser
ist vielleicht in vielen "Zielgruppen" vorhanden, und zwar womöglich
gleichmäßig. Da es sich aber um ein "debattenverdächtiges" Buch
handelt, findet sich die Resonanz hier eben beim entsprechenden
"Ich-lese-Bücher"-Publikum und nicht bei denen, die zugeben würden,
daß sie als Thema einer inhaltsleeren Debatte eher "Meine Freundin
ist eine Schlampe" bevorzugen. Beim Tabu-Talk kommt es darauf an,
daß es um ein Tabu geht, und nicht darum, welche Aussagen eigentlich
Ausgangspunkt des Geredes sind. Das gilt im "Talk" ebenso wie im
"Feuilleton".
Wer fordert, ist dreist -
erst recht, wenn er Recht hat
Nicht hinsichtlich jedes Tabu
besteht das Bedürfnis nach dessen Bruch. Und die positive Reaktion
eines großen Teils des "Publikums" in Deutschland auf ist nicht nur
die ausgeprägte Traumatisierung der deutschen Öffentlichkeit
zurückzuführen, oder auf "reaktivierte" antijüdische Ressentiments.
In der Schweiz ist ein "Tätertrauma" nicht vorhanden gewesen, und
dennoch haben "namenlose Konten" und "Raubgold" ähnliche Reaktionen
auslösen können. Eine erhebliche Mitursache an der Nachfrage nach
Hetze gegen jüdische Institutionen dürfte vielmehr schlicht auch die
Art der Forderungen sein, die von den betreffenden Organisationen
geltend gemacht werden. Einem Rechtsanwalt ist es durchaus bekannt,
daß Forderungen aus "ungerechtfertigter Bereicherung" - unabhängig
davon, wer sie gegen wen erhebt -, als "Frechheit" oder als
"Dreistheit" empfunden werden. Menschen denken nicht zuallererst in
Rechtskategorien wie "zu Unrecht weggenommen", sondern eher in der
Dimension des Tageskontoauszuges. Was dort als Saldo ausgewiesen
ist, wird als "eigen" betrachtet. Wenn nun jemand anmeldet, er habe
das Recht, Geld zurückzuerhalten, wird das als Eingriff in den
Haben-Bestand gewertet - und wenn es nur, wie in den Schweizer
Bankenfällen, oder im Hinblick auf Lebensverseicherungsforderungen,
juristisch letztendlich darum geht, daß jemand sein Konto auflösen
möchte oder die Erfüllung des Versicherungsvertrages verlangt.
Jüdische
Restitutionsforderungen werden vor allem aufgrund dieses gedanlichen
Mechanismus als "Eingriff" gewertet. Und "dreist" sind solche
Forderungen nach diesem Empfinden dann, wenn sie mit einer
rechtlichen und einer schwerwiegenden moralischen Argumentation
gekoppelt sind, die auch noch die eigene - kollektive - Ehre
betrifft. Eine Abwehrstrategie ist die ebenfalls moralische
Diffamierung des Forderungsstellers, am besten mit Hilfe eines
"Kronzeugen". Die oben angeführten und anderen Leserreaktionen, die
eine Verbindung zur israelischen Politik mühsam herbeikonstruieren,
stoßen in dasselbe Horn.
Zurückgeben ist auf einmal
nicht mehr großzügig
Diese Reaktion ließ sich in
der Vergangenheit bewältigen, indem Juden allgemein und jüdische
Institutionen im Besonderen in der Opferrolle gehalten wurden. Dies
funktionierte dabei zweiseitig. Der "Rückerstattende" konnte das
Gefühl bekommen, etwas für ein Opfer zu tun und sich damit generös
zeigen. Wer gibt, beweist - und stärkt damit - eine starke Position
(auch im Alltag ist das so: Wer eine Runde Bier ausgibt, ist der
Held in der Kneipe). Die Seite der "Forderungssteller" konnte mit
der fortgesetzten Opferrolle nicht nur einen in Vergangenem
begründeten, sondern auch noch gegenwärtigen moralischen Anspruch
geltend machen: "Wir waren nicht nur, wir sind auch heute noch
schwach, also mach die Tasche auf."
Forderungen sind juristisch
in der Vergangenheit verankert, gefühlsmäßig wird ihnen jedoch oft
mit rein gegenwärtigen Gedanken Berechtigung beigemessen oder
abgesprochen. "Der Mann soll sein Geld schnell bekommen, schließlich
muß er eine Familie ernähren" (wie großzügig...) - anstelle "Ich
habe mit ihm vertraglich vereinbart, sofort zu zahlen, also mache
ich das heute auch" oder "Ich habe von ihm unberechtigt zu viel
erhalten, die Forderung ist jetzt fällig, also zahle ich heute".
Will man nicht mehr zahlen, bestreitet man den gegenwärtigen Bedarf.
Es wird nun aber
zurückgefordert, ohne dieses Spiel weiter zu spielen; der alte
unbewußte und stillschweigende Konsens wurde aufgekündigt. Die
juristische und moralische Begründung ist klar belegbar. Daher wird
nicht mehr mit Sachargumenten abgewehrt. Die Diffamierung jüdischer
Argumentation findet vielmehr in einer Weise statt, die dem Menschen
zu eigen war, bevor Recht entwickelt wurde.
haGalil onLine
14-02-2001
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