Fluggesellschaften sind verantwortlich für Misshandlungen, die
Abgeschobenen durch BGS-Beamte oder durch eigenes
Sicherheitspersonal zugefügt werden
Dies ist die Konsequenz aus dem Tokioter Abkommen von 1963, das
die Verantwortlichkeit für Maßnahmen an Bord regelt und in
Deutschland durch Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes umgesetzt
ist. Inzwischen bestreitet niemand mehr, dass allein die
Flugkapitäne für Zwangsmaß-nahmen an Bord zuständig sind - sobald
die Flugzeugtüren geschlossen sind. Sie allein sind Inhaber der
»Bordgewalt« und verpflichtet, die Sicherheit an Bord zu
gewährleisten. Die Begleitbeamten des Bundesgrenzschutzes sind
hingegen den übrigen Passagieren gleichgestellt, sie können keine
Amtshandlungen mehr vornehmen. Gleichwohl versuchen die
Fluggesellschaften und die Pilotenvereinigung Cockpit weiterhin, die
Verantwortung an den Staat zu delegieren.
»Die Fluggesellschaft beziehungsweise der Kapitän ist enthaftet,
weil die Abschiebung auf Veranlassung des Staates geschieht und der
Staat haftet letztendlich für das Wohl des Passagiers bzw. des
Abschüblings«, so Georg Fongern, Cockpit-Sprecher. Ganz anders die
Gewerkschaft der Polizei: »Die Beamten sind lediglich
Erfüllungsgehilfen des Kapitäns; dieser hat die alleinige
Verantwortung für Passagiere und Flugzeug«, so Jörg Radeck, Sprecher
der GdP. Die Frage nach der Verantwortung ist nicht nur akademischer
Natur. Die Konsequenzen sind vielfältig. So hängt die
zivilrechtliche Haftung im Falle der Verletzung oder gar Tötung des
abgeschobenen Passagiers durch BGS-oder Polizeibeamte nicht zuletzt
davon ab, in wessen Aufgabenbereich diese tätig geworden sind.
Unterstützen sie den Piloten bei der Ausübung der Bordgewalt, so
sind sie dessen Hilfskräfte. Damit haftet nach arbeitsrechtlichen
Prin-zipien letztlich der Arbeitgeber des Kapitäns, also die
Fluggesellschaft. Werden die Begleitbeamten vom Flugkapitän nicht
autorisiert, so haften sie persönlich und mit ihrem gesamten
Vermögen.
Die Normen, die die Haftung des Staates für Schäden bei
hoheitlichen Handlungen begrün-den, gelten nicht, denn eine
Hoheitsgewalt gibt es nicht mehr. Kein Wunder, dass die Gewerkschaft
der Polizei auf der Verantwortung der Airline beharrt. Auch
strafrechtlich können im Falle einer Verletzung oder gar Tötung des
Passagiers sowohl die handelnden Beamten als auch der Flugkapitän
zur Rechenschaft gezogen werden. Da nämlich der Kapitän eine
sogenannte »Garantenstellung« innehat und gesetzlich verpflichtet
ist, für die Sicherheit der Passagiere zu sorgen, sind ihm die
Folgen seiner pflichtwidrigen Unterlassung zuzurechnen.
Passagiere greifen ein
Umso mehr haben Flugkapitäne Grund, den Transport von
Zwangspassagieren abzulehnen. Passagiere, die Vorfälle beobachten,
bei denen unmittelbare Gefahr für Leben oder körperliche
Unversehrtheit eines Mitpassagiers besteht, sind ebenfalls in der
Pflicht. Wegschauen ist unterlassene Hilfeleistung und gemäß § 323 c
StGB strafbar. Wer eingreift, handelt rechtmäßig und hat nicht zu
befürchten, wegen Widerstandes gegen Voll-streckungsbeamte belangt
zu werden. Das sieht auch die Gewerkschaft der Polizei so.
»Eigentlich müssten Passagiere im Falle von Zwangsmaßnahmen gegen
die Polizeibeamten vorgehen, da diese in einem rechtsfreien Raum
handeln«, sagt Radeck.