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SZ vom 23.01.2001 Seite 3

Ein Bulldozer, der die Hoffnung planiert
Ariel Scharon: "Ich esse keine Araber zum Frühstück!"

Auf einer Welle von Angst segelt der 73-jährige Hardliner einem Wahlsieg 
entgegen, der Israel wohl nicht den Frieden bringen wird

Von Thorsten Schmitz

Unterwegs

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Tel Aviv, Jerusalem, im Januar – Ron Assouline hat einen irren Blick und viel übrig für Dramatik. Fehlt nur noch der Giftkelch. Sein Lebenselixier, sagt Ron und gestikuliert als hätte er einen in der Hand, ist "Hamlet". Shakepeares Stück über Heuchelei und Verrat und Königsmord und Rache "könnte genauso gut im Nahen Osten spielen". Und wenn man Ron fragt, was er seit Dezember tut, sagt er: "Ich führe Krieg." 

Einen zeitlich begrenzten, wenig aussichtsreichen, dafür aber königlich vergoldeten: 50.000 Mark Kampfgeld kriegt Ron, dazu ein ganzes Haus im Industriesüden von Tel Aviv mit über 100 jungen Leuten, die alle aussehen, als kämen sie gerade von der letzten Versace-Modenschau – und die Handy-Nummer von Ehud Barak. Der Auftrag für den 43 Jahre alten Ron klingt ganz einfach, ist es aber nicht: Er soll einen Menschen k. o. schlagen, der Baraks Thron anvisiert.

Ron bekommt die 50.000 Mark auch dann, wenn er den Auftrag vermasselt. Insofern kann er dem Menschen, den er ins Abseits stellen soll, dankbar sein: Der finanziert durch sein bloßes Dasein Rons Innendesignerin für die neue Wohnung im schicken Norden von Tel Aviv. "Etwas Gutes muss es ja haben, dass es ihn gibt", sagt Ron und unterlegt seine Bemerkung mit einer König-von-Dänemark-Geste, dass er den Milchkaffee vor sich auf den Reporter und die Assistentin schüttet. Im Moment hat Rons Mission nur drei Nachteile: Er raucht zu viel, seine Innenarchitektin weiß noch immer nicht, wie groß der Whirlpool fürs neue Badezimmer sein soll, und wenn der Auftrag nicht zeitlich befristet wäre, hätte sich Rons Freund Alon längst von ihm getrennt: "Der Arme: Er ruft an und bleibt bei meinen Assistentinnen hängen." Ron hat fünf, was fünf verschiedene Handynummern und somit fünf Möglichkeiten beinhaltet, Ron zu verpassen. 

Wenn man ihn dann endlich vor sich sitzen hat, mit nasser Hose und klebrigem Notizblock, klingelt nach fünf Minuten das silberne Ericsson – und Barak höchstselbst will wissen, welche Farbe die Krawatte haben soll fürs Shooting am Abend. Man einigt sich auf helles Blau: "Das macht dich optimistisch", sagt Ron, und komme "patriotisch" rüber – knallblau ist die israelische Flaggenfarbe.

Beethoven und Whiskey

Hinter Ron stehen die Assistentinnen Schlange und brauchen Direktiven für die Kriegsführung, doch Ron versinkt in einen Plausch mit dem Premier- und Verteidigungsminister. Und will wissen, wann Barak ihm eine Sonate von Beethoven vorspielt. "Am 7. Februar", verspricht Barak, und lädt Ron zum Abendessen in seine Residenz nach Kochav Yair. Vermutlich wird Barak an jenem Mittwoch im Februar ganz viel Zeit für Beethoven haben und einen Whiskey mit Ron: Zur Zeit spricht alles dafür, dass Barak die Direktwahl am 6. zum Premierminister verliert. 

Sein Gegner führt unangefochten jede Wochenendumfrage mit 20 Prozentpunkten. An eine Niederlage mag Ron gar nicht denken: "Diese Möglichkeit existiert nicht." Er muss so reden: Ron ist verantwortlich für die Wahlkampagne von Baraks Arbeitspartei gegen Ariel Scharon und managt den Propaganda-Krieg gegen den rechts-nationalen Likud. "Scharon", sagt Ron und pustet Kringel in Richtung der fünf Assistentinnen, "ist eine Gefahr für das Land. Er liebt Krieg." Er spricht mit Assistentin Rachel, die Archivmaterial aus den siebziger Jahren aufgetrieben hat. Es soll belegen, dass Scharon gegen den Friedensvertrag mit Ägypten gestimmt hat. 

Assistentin Nummer zwei, Dana aus Jerusalem, die studierte Historikerin, hat den Auftrag, die Krankengeschichte Scharons zu beleuchten. Ron möchte die Verfassung des schwergewichtigen und behäbigen Scharon an den Pranger stellen. Ihn als unfitten Aspiranten bloßstellen und Fernsehmaterial von Parlamentssitzungen ausstrahlen, die belegen, dass Scharon im Saal Nickerchen abhält. Aber leider hat Dana nur mehrere Grippen ausfindig machen können, sowie zwei unterschiedliche Augen, zurückzuführen auf eine harmlose Kopfverletzung im Yom-Kippur-Krieg. Seine Fettleibigkeit, erklärt sie Ron, sei nur darauf zurückzuführen, dass Scharons Haut "dick ist wie die eines Elefanten". Über Thrombosen oder Herzbeschwerden habe sie nichts herausgefunden. Ron will, dass sie weiter recherchiert.

Anderntags steht in allen Zeitungen des Landes, Scharons Gesundheitszustand sei "instabil", der Likud spricht von einer Diffamierungskampagne aus dem Hauptquartier Baraks. Erst ein Live-Interview des Fernsehens mit Scharons Hausarzt, der gerade Urlaub macht in Vietnam, räumt letzte Zweifel aus über Scharons Physis: "Mein Patient ist kerngesund", ruft der Arzt aus Saigon.

Aber manchmal doch wacklig auf den Beinen, aber wer wäre das hier nicht: Scharon und Bürgermeister Ehud Olmert und eine Entourage aus über zwanzig Bodyguards wälzen sich an einem sonnigen Vormittag über den Obst- und Gemüsemarkt Machane Yehuda in Jerusalem. Scharon ist der gefährdetste Mann Israels auf dem gefährlichsten Platz in Israel: Seine Stippvisite auf die Esplanade des Tempelbergs hat den Hass aller Muslime auf Scharon und die Intifada mit angefacht. Und der Markt, auf dem er seinen massigen Körper an Weintrauben und Gurken entlang vorwärts schiebt, ist ein beliebtes Ziel palästinensischer Terroristen, wenn sie sich und Juden in die Luft sprengen wollen. Erst vor zwei Monaten wurden hier zwei Israelis durch eine Autobombe getötet. Aber Scharon ist sicher. 

Auf den Dächern stehen Scharfschützen, in den Marktgängen Zivilpolizisten und Grenzschutzbeamte. Der Kordon ist so dicht, dass Scharon sich anstrengen muss, die Hände der Marktverkäufer zu schütteln. Sie rufen "König Arik!", was der Spitzname für Ariel ist, der wiederum "Löwe" bedeutet. Scharon sonnt sich im Heimspiel auf dem Markt und braucht nicht mehr preiszugeben von seinen Ansichten als "Jerusalem bleibt unser!" Schon schallt ihm aus hundert Marktschreier-Kehlen "König Scharon!" entgegen.

Das Militär in den Genen

Er füttert seine proletarische Klientel mit Worten, die nichts sagen, er jongliert mit den Reizwörtern "Frieden" und "Sicherheit" und glaubt, im Alter von 73 Jahren sei er vital genug, beides für Israel wahr werden zu lassen. Gleichzeitig kann man den Gesichtszügen Scharons entnehmen, dass ihm physischer Kontakt zuwider ist. Er schüttelt Hände, aber er tut das mit einem Zug um den Mund, der als Lächeln daherkommt, aber wie angewidert ausschaut. Scharon liebt die Macht, nicht Menschen.

Im moslemischen Viertel der Altstadt hat er ein Haus gekauft, das er nur selten betritt, von dem aber stets die Israel-Flagge weht. Er ist süchtig nach dem politischen Leben in Israel, das nur Arafat und Krieg und Frieden und Gewalt kennt. Themen wie Bildung, Internet und Globalisierung sind ihm kein Begriff. Sein bester Freund Amazia Chen sagt: "Arik hat mich erst gestern angerufen und gesagt, er will Premierminister werden, um seine Mission zu vervollständigen. Er kann nicht ruhen, bevor nicht Ruhe in Israel eingekehrt ist. " Friedhofsruhe, fürchten Scharons Feinde.

So behäbig Scharon daherkommt, so locker sitzt ihm die Zunge. Um sein Brutalo-Image loszuwerden, sagt er milde stimmend: "Es ist nicht leicht ein Palästinenser zu sein" oder "Ich esse keine Araber zum Frühstück!" Vor zwei Monaten erzählte er dem New Yorker: "Arafat ist ein Lügner, Mörder und ein erbitterter Feind." Zugleich versichert er den Siedlern, er werde sie nicht im Stich lassen, und er weiß, wie er als säkularer Jude die Gunst der Ultra-Orthodoxen gewinnt – obwohl er zu deren Missfallen in jüngster Zeit regelmäßig freitags abends in den Talkshows auftaucht und so den Schabbat verletzt. Er verspricht den Leuten von der Schas, er werde nach dem Sieg freitags nicht mehr aus dem Haus gehen. Scharon weiß es sich in einer Welt ohne Frieden bequem zu machen – in einer modernen Welt mit Frieden wäre er, wie Arafat, nicht überlebensfähig.

Das Militärische hat sich in seinen Genen eingenistet, er vergöttert das Land, in dem er als Sohn russischer Emigranten zur Welt kam. Er ist Bauherr der meisten jüdischen Siedlungen, weil er bis heute denkt, so werde Israel seinen inneren Feind los, die Palästinenser. Denen müsse die "Psychologie der ewigen Niederlage" eingetrichtert werden – durch Checkpoints und Abriegelungen. Scharon gehört der letzten Generation der Zionisten an, die Israel gegründet und verteidigt haben. "Scharon hat nur wenige Freunde, er ist lieber für sich und kontempliert", sagt sein ältester Weggefährte Amazia Chen aus dem zentralisraelischen Dorf Karmei Josef.

Chen sieht in Scharon einen "Humanisten" – und das Opfer einer "verleumderischen Presse", die ihn als Kriegstreiber abstempele. Dabei hat Scharon selbst die eigene Autobiographie "The Warrior" betitelt. Die zwei kennen sich aus der Armee, Scharons zweiter Wiege. Sie haben zusammen gekämpft und verloren, und den letzten großen Kampf, den Scharon in den vergangenen eineinhalb Jahren zu gewinnen suchte und verlor, stand Amazia Ariel bei – Scharons Frau Lilly war an Krebs erkrankt und gestorben. Jetzt liegt sie vor Scharons Schlafzimmerfenster auf seiner 600 Hektar großen Farm begraben. Amazia sagt: "Die zwei haben sich sehr geliebt. Ich habe Scharon weinen sehen."

Wegen des Todes seiner Frau zieht sich Scharon gerne auf seine Farm in die Einöde der Negev-Wüste zurück, wo Melonen, Bananen und Stangensellerie wachsen. Und wo er Bach hört und mit den Enkelkindern im Swimmingpool spielt und dem deutschen Schäferhund namens "Schwarz" Streicheleinheiten verpasst. Die Idylle inmitten der Schafe, Pferde, Enkelkinder und Bougainvilleas kontrastiert mit der unsicheren Welt vor den Gattern. Auf der abgeschiedenen Schikmim-Farm hat sich Scharon einen Frieden geschaffen, der ihm draußen nicht gelingen will. Sowieso ist das Leben Scharons eine Belastungsprobe: Seine erste Frau starb bei einem Autounfall, er heiratete anschließend deren Schwester Lilly. 

Der dritte von Scharons Söhnen spielte im Alter von elf Jahren mit einer Waffe, die niemand für geladen gehalten hatte – und erschoss sich versehentlich. Die beiden älteren Söhne, die zusammen mit Papa Scharon die Farm bewohnen, tragen heute geladene Waffen am Hosenbund: "Wir müssen uns selbst verteidigen können", sagt der Papa, der zu seinem Leidwesen nie zum Generalstabschef ernannt wurde. So widmete er sich als Minister für Landwirtschaft, Verteidigung, Industrie, Infrastruktur, Auswärtige Politik und Handel seinem Lieblingsprojekt: Ein Netz von Siedlungen zu bauen, so dass ja nie ein unabhängiges Palästina existieren kann, höchstens Kantone.

Die Schicksalsschläge haben aus dem Tel Aviver Scharon keinen Softie gemacht, sondern einen Rambo, von dem Clinton und Wolfgang Thierse wünschten, er würde die Wahl im Februar verlieren. In Israel nennen sie ihn "Bulldozer", "Israels Milosevic". In den arabischen Staaten ist er als "Mörder" verhasst. In seiner Biografie wäscht er sich rein von dem Vorwurf, er habe das Massaker an den Palästinensern in den Lagern Sabra und Schatila 1982 zugelassen und schreibt: "Im politischen Leben in Israel ist man mal oben, mal unten." 

Gerade schwimmt Scharon auf einer Welle der Angst und der Demagogie dem Sieg entgegen: Unter täglichem Hinweis auf die Schüsse und Steine und Lynchmorde der Palästinenser bietet er als Rezept sich und ein einig Jerusalem und einen kontrollierten Staat für die Nachbarn an – wenn überhaupt. Zur Zeit quälen selbst viele in Apathie erstarrte Linke des Landes Zweifel, ob Baraks Konzessionsbereitschaft nicht die Intifada II angestachelt habe. Scharon erfüllt mit seinem bloßen Dasein als angebliche Alternative die Sehnsucht vieler Israelis nach Sicherheit – sie bangen um ihre Existenz. Scharon gibt sich als Vater einer Nation, die nie zuvor einem Frieden gleichzeitig so nah und doch so fern war. Er wird schon wissen, wo’s langgeht – wobei er aus seinen Ansichten keinen Hehl macht.

"Er bringt sie um"

Und die klingen wie die Vorstufe zu Libanon, dessen Einmarsch er 1982 unter Menachem Begin als Verteidigungsminister befohlen hatte. Thomas Friedman von der New York Times schreibt: "Scharon spielt keine Spiele mit den Gegnern. Er bringt sie um." Wenn es nach Scharon geht, werden die Palästinenser nie frei über sich entscheiden können – die Grapefruits und Tomaten, von denen er bei seinen Gemüsemarkt-Visiten nascht, dürfen schon aus Gaza kommen. Aimzai Chen, der aus Freundschaft und Überzeugung bis spätnachts im Likudhauptquartier in Tel Aviv in der links-alternativen Scheinkin-Gegend Poster und Autosticker verschickt und Telefondienst macht, redet über seinen Freund wie der selbst: "Nur jemand wie Arik, der alle Kriege mitgemacht und persönliches Leid erfahren hat, kann uns Frieden bringen." 

Das ist auch die Losung, mit der die Likudkampagne wirbt: Ohne Fotos von Scharon, dafür mit welchen von sexy Israelis, die den Satz anlächeln: "Ich fühle mich sicher mit dem Frieden von Scharon." Dabei glaubt Scharon blind an die militärische Lösung eines Jahrhundertkonflikts, der aber mehr Kreativität braucht, als nur Panzer und Pistolen. Den Einmarsch nach Libanon hatte Scharon niedlich "Schlom haGalil - Frieden für Galiläa" getauft. Den Friedensprozess von Oslo bezeichnet er als "tot", und Arafat werde er nie die Hand schütteln.

Berührungsangst gegenüber dessen Volk hat er aber nicht. Assistentin Nummer drei von Ron triumphiert am Abend mit einen Fund, den der Chef als Sensation verkauft: Die Melonen und der Sellerie auf Scharons Farm werden von Palästinensern gepflückt.

haGalil onLine 24-01-2001

 

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