SZ vom 15.01.2001 München
Brutaler Skinhead-Überfall auf einen
Griechen
18 Verdächtige festgenommen, gegen acht wird Haftbefehl
wegen Mordversuchs und Körperverletzung beantragt
Von Felix Berth
Skinheads haben am
Samstag in München versucht, einen Griechen zu töten. Sie schlugen
auf den Mann ein, bis er am Boden lag, dann traten sie ihm mit ihren
Stiefeln ins Gesicht, sprangen ihm auf den Kopf und brüllten "Der
Kanake soll nicht überleben."
Die Polizei nahm 18 Skinheads fest.
Nach ersten Ermittlungen werfen die Staatsanwälte einer 17-jährigen
Frau und ihrem 19-jährigen Freund versuchten Mord vor; gegen sechs
weitere Skinheads haben die Staatsanwälte Haftbefehle wegen schwerer
Körperverletzung beantragt. Der angegriffene Grieche wurde kurz nach
der Tat mit einer gebrochenen Nase, Schürfwunden und Prellungen in
ein Krankenhaus gebracht, ist aber nicht in Lebensgefahr.
Die Gewalttat geschah in der Nacht auf
Samstag. Etwa 60 Skinheads hatten sich in der Gaststätte "Burg
Trausnitz" in der Zenettistraße zu einer Geburtstagsfeier
versammelt. Wenige Minuten nach ein Uhr stand die 17-jährige Frau
auf der Straße und hielt einen 31-jährigen griechischen Passanten
an, der zur U-Bahn wollte. Sie beschimpfte den Griechen und schlug
ihm ins Gesicht. Fünf Skinheads kamen ebenfalls auf die Straße und
begannen, auf den Mann einzutreten.
Zwei Türken, die zufällig durch die
Zenettistraße gingen, wollten dem Angegriffenen helfen. Sie liefen
in ein nahe gelegenes türkisches Lokal, wo sie Hilfe holten. Etwa
zehn Männer rannten von dort auf die Straße, um die Skinheads zu
stoppen. Die Skinheads holten sich ebenfalls Unterstützung aus der
Gaststätte "Burg Trausnitz", sodass es auf der Zenettistraße zu
einem Handgemenge kam. Dabei warfen die Rechtsradikalen mit Flaschen
und Stangen; die Türken zogen sich schnell wieder in die Taverne
zurück. Einer der Türken wurde am Kopf und an den Händen verletzt,
als er den Rechtsradikalen in die Hände fiel.
Die Polizei wurde um 1.11 Uhr von 20
Anwohnern alarmiert. Vier Minuten später war der erste Streifenwagen
am Tatort, dem etwa zehn weitere Funkwägen sowie eine
USK-Polizeieinheit mit zwanzig Mann folgten. Die Skinheads rannten
nun in die Gaststätte "Burg Trausnitz" zurück und versuchten, das
Lokal zu verbarrikadieren. Als dies scheiterte, flüchteten sie durch
einen Hinterausgang.
Der Polizei gelang es sofort, 15
Skinheads zu ergreifen; 3 weitere wurden bei der Fahndung am
Wochenende festgenommen. Der 19-jährige Haupttäter ist noch auf der
Flucht. Ein Viertel der Festgenommenen ist der Polizei wegen
rechtsradikaler Delikte bekannt; nach ihren eigenen Aussagen hatten
sie sich zum Teil bei einer NPD-Demo am 30.September 2000 in München
kennen gelernt. Nach Angaben von Bernd Kohl, dem Leiter des
Staatsschutz-Dezernats der Polizei, haben einige von ihnen Kontakte
zu Neonazi-Organisationen im Umfeld der NPD.
Keiner der Festgenommenen sei
arbeitslos; der Altersdurchschnitt sei für Mitglieder der
Skinhead-Szene relativ hoch. Unter den 18 Festgenommenen sind vier
Frauen; die 17-Jährige, der die Staatsanwaltschaft den Mordversuch
vorwirft, ist dem Vernehmen nach eine ferne Verwandte von Franz von
Papen, dem deutschnationalen Reichskanzler vor Adolf Hitler. Sieben
Festgenommene stammen aus München, neun aus dem Umland und dem
restlichen Bayern, 2 aus dem Sauerland.
OB Christian Ude, der das griechische
Opfer gestern in der Klinik besuchte, wertete die Tat als "brutalen
Überfall mit faschistischem Charakter". Die Zivilcourage der
türkischen Passanten sei höchst respektabel; das energische
Verhalten von Polizei und Staatsanwalt sei lobenswert. Der Münchner
CSU-Vorsitzende Johannes Singhammer erklärte, die Tat zeige "ein
abscheuliches Maß an Verrohung".
"Haufenweise Glatzen"
Geistesgegenwärtiger Anwohner liefert der Polizei ein
Video als Beweismaterial
SZ:
Wie haben Sie denn gemerkt, dass Skins bei Ihnen vor dem Haus
herumschlägern?
Hans M. (Name geändert):
Wir sind aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil wir Lärm gehört haben.
Wir haben rausgeschaut und die Rechtsradikalen gesehen, wie sie auf
einen Mann einschlagen. Als erstes haben wir die Polizei gerufen,
dann habe ich die Videokamera geholt.
SZ:
Was ist auf dem Band zu sehen?
M.:
Das Ganze hat nur ein paar Minuten gedauert. Auf dem Band sieht man
die letzten Szenen, kurz bevor die Polizei kam: Die Skinheads hatten
erfolglos versucht, das türkische Lokal zu stürmen, und man sieht,
wie einer von ihnen danach versucht, den Kasten zu zertrümmern, in
dem die Speisekarten hängen. Dann ruft einer "Achtung, die Bullen
kommen!", und die Skins rennen weg.
SZ:
Woher wussten Sie denn, dass es Rechtsradikale sind?
M.:
Wir wollten am gleichen Abend in der "Burg Trausnitz" zum Abendessen
gehen. Als wir um acht Uhr reinkamen, war der ganze Saal schon mit
Skinheads voll, bestimmt 50 Leute in schwarzen Jacken, manche mit
der Aufschrift "Worldwide Terror". Haufenweise Glatzen waren zu
sehen; fast die Hälfte im Saal waren junge Frauen. Die Stimmung war
noch wie auf einem Betriebsfest. Offensichtlich hatten die
Rechtsradikalen gerade erst angefangen zu saufen – fünf Stunden
später haben sie dann zugeschlagen.
Interview: Felix Berth
haGalil onLine
15-01-2001 |