antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

Vielleicht doch ein Staat für zwei Völker?
Zurück auf Start - alles neu

Das Projekt eines palästinensischen Staates neben Israel 
könnte scheitern. Dann werden wir uns die Frage stellen 
müssen, wie ein Staat für beide Nationen aussehen könnte.»

Von Oliver Fahrni

Assad Suwaad hörte von seinem Unglück am Radio. «Ich bin heimgerast, aber es war zu spät. Als ich hinkam, sah ich, dass ich kein Zuhause mehr habe.» Israelische Polizisten waren am vergangenen 2.April nach Um al-Sehali gekommen und hatten die Häuser von Assad, Madi und Kabah Suwaad plattgewalzt. Das Dorf soll einer jüdischen Siedlung weichen. 

Zwei Tage später versuchten junge Araber, die Häuser wieder hochzuziehen. Polizei marschierte auf. Die Bewohner riefen die Nachbarn aus Shfaram zu Hilfe. Bei der nachfolgenden Strassenschlacht wurden acht Araber schwer verletzt. «Nur die Ankunft von Knesset-Abgeordneten und Journalisten verhinderte ein Blutbad», glaubt ein Sprecher der Stadt Shfaram.

Irritiert beobachteten die Israeli seither am Fernsehen die Protestmärsche und den Generalstreik der sonst ruhigen arabischen Bevölkerung. Denn nicht im Gazastreifen oder in der Westbank spielten die Jagdszenen, sondern in israelischem Kernland, im Galil, nur wenige Kilometer östlich der Hafenstadt Haifa. Die drei Suwaad-Brüder sind israelische Bürger. Es wird ihnen kein Verbrechen zur Last gelegt. Sie haben ihre Häuser vor 23 Jahren gebaut, auf Land, das ihre Grosseltern vor Jahrzehnten rechtmäßig erwarben. Aber das Dorf Um al-Sehali existiert auf keiner israelischen Landkarte. Es wurde von den Behörden nie offiziell anerkannt ­ wie mehr als 120 arabische Siedlungen in Israel.
Scharfe Segregation:
Israelisch-arabische Begegnungen
nur beruflich

 

 

«Warum wollen sie uns hier weghaben?» fragt Suwaad. «Wir sind auf diesem Land geboren. Ein Neffe diente in der israelischen Armee. Die Demolierung und der Überfall der Polizei werden nur den Hass zwischen Arabern und Juden anstacheln.» Suwaad sagt das fast tonlos.
Die jungen, zornigen Männer vor dem Café in der Hauptstrasse von Shfaram führen eine schärfere Rede. Karim schiebt seine Swatch-Windsurferbrille ins kurze Haar: «Es ist immer die gleiche, alte Geschichte. Sie erwarten, dass wir uns wie normale Bürger benehmen ­ aber ohne Land und ohne Rechte.» An der Universität Haifa, wo Karim derzeit in Politwissenschaft abschliesst, trommeln jüdische Studenten gegen die «ethnische Bedrohung» durch die israelischen Araber. Sie werden durch die Regierungspolitik ermutigt: Der «Masterplan für den Norddistrikt» dient dem Ziel, «die jüdische Bevölkerung des Galil (Galiläa) zu verstärken». Dazu will der Staat weitere Zehntausende von Hektaren Boden an Organisationen wie die Jewish Agency überschreiben.

«In Europa nennt ihr sowas ethnische Säuberung», provoziert Karim. «Ich bin es leid, im eigenen Land wie ein Immigrant zu leben. Ich habe es satt, seit meiner Geburt als ambulantes Sicherheitsrisiko zu gelten.» Vor ein paar Jahren musste der Student in einer Arbeit seine Identität definieren. Er notierte: 1.Araber, 2.Israeli, 3.Muslim. «Heute würde ich schreiben: 1. Palästinenser, 2. Palästinenser, 3. Palästinenser.»

So wie Karim oder die Gebrüder Suwaad sahen knapp eine Millionen arabischer Bürger Israels (19% der israelischen Bevölkerung) keinen Grund zu feiern, als Herzls Staat fünfzig wurde. 1948 war für sie die «Nakbah», die grosse Katastrophe, die Vertreibung und Enteignung von 800.000 Menschen, die Flucht der Eliten, die Entmündigung der 150.000 Verbliebenen in einem Staat, der sich noch immer als «jüdisch» definiert. «Dieser Staat wurde auf den Ruinen der palästinenischen Nation und auf der Zerstörung unserer Gesellschaft gebaut», sagt Azmi Bishara, Philosophieprofessor in Bir Zeit, linker Essayist und Knessetabgeordneter.

Etliche Palästinenser ­ Anwälte, Ärzte, Industrielle ­ haben sich in der israelischen Gesellschaft gut eingerichtet. Sie sind, das zeigt das Straßenbild von Haifa oder Jerusalem, jungen Palästinensern Vorbild und Ansporn. «Eigentlich möchten wir nur gut leben, etwas "Bizniz" machen», bekennt Georges, der in einer Bar an Tel Avivs Hipmeile Dizengoff-Strasse die Schlummerdrinks mixt. Sechs Tage lang spielt er den Juden, kennt sich bei Gideon-Oberson-Klamotten und Mobiltelefonen aus, spricht über die vielen Autounfälle, witzelt in bestem Englisch über die neurotische jüdische Gesellschaft und eine Sängerin, die in Europa mit Liedern der grossen Ägypterin Om Khaltum tourt. Am siebten Tag outet er sich als palästinensischer Maschinenbauingenieur. Seine (christliche) Familie stammt aus Zentralisrael, wurde enteignet und zweimal umgesiedelt.

Georges sucht seit mehr als einem Jahr Arbeit. «Meine Freunde haben alle längst gute Jobs» ­ «Die jüdischen Freunde?» ­ «Klar, ich war doch an der Uni der einzige Araber weit und breit». (27.000 Studenten lernen an der Universität Tel Aviv, darunter nur 200 Palästinenser, weiss die jüdische Studentenorganisation). Georges hat einen exzellenten Abschluss gemacht, aber ihm fehlen «die Punkte»: Wer eine Stelle, Kredit oder eine Wohnung sucht, wer Sozialleistungen beansprucht, qualifiziert sich dafür in einem informellen Wertungsystem, zum Beispiel mit dem dreijährigen Militärdienst. Problem: Araber werden ­ Beduinen und Drusen ausgenommen ­ nicht eingezogen. Ein Handikap: Die Armee ist Sozialisierungsinstanz, Kupplerin sozialer Kontakte und Stellenvermittlerin zugleich. «Ich wäre gerne wie ein ganz gewöhnlicher Israeli», sagt Georges: «Das ist mein Recht.»

So holt die tägliche Diskriminierung, der ständig geforderte Nachweis der eigenen Indentität, die Palästinenser immer wieder in die Politik zurück. Araber verdienen im Schnitt nur 2494 Schekel, wo ein Jude 4555 Schekel bekommt. 31 Prozent der palästinensischen Familien leben unter dem Existenzminimum ­ aber nur 15 Prozent der jüdischen. In den arabischen Schulen kommen auf jeden Lehrer 24,1 Schüler, in den jüdischen 12,4. Gerade 25 Araber verlieren sich in 2400 hohen Beamtenrängen.

Dr. Hatim Kanaaneh schiebt Zahl um Zahl über den Tisch, alle akribisch belegt. Er praktiziert in Araba, nördlich von Nazareth. Obwohl er in Harvard seinen Doktor gemacht hat und mit einer Hawaiianerin verheiratet ist, kehrte er auf die Ländereien seines Clans zurück. In der Sprechstunde diagnostiziert er täglich die Folgen von hoher Jugendarbeitslosigkeit, zerfallenden Sozialbeziehungen, Diskriminierung: «Wir haben ein wachsendes Drogenproblem, schwere psychosomatische Krankheiten zuhauf und eine starke Zunahme der Gewalt.» Der Landdoktor mit dem politischen Weitblick ist einer der Köpfe hinter «Ittijah», dem Zusammenschluss von 32 palästinensischen Hilfs-, Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen. Vor kurzem deponierten sie beim Uno-Komitee gegen rassische Diskriminierung eine 127 Seiten starke Anklageschrift, die Dutzende von antiarabischen israelischen Gesetzen und Verordnungen nachweist. Kanaaneh: «Wir leben als Bürger in einem Staat, der allein darauf angelegt ist, für die Juden zu sorgen. Als Palästinenser verliere ich immer. Und es ist völlig legal.»

Apartheid ist es nicht ­ aber eine räumliche und soziale Segregation. Juden und Araber begegnen einander, intellektuelle, politische und kulturelle Millieus ausgenommen, nur beruflich. Georges fährt nach der Arbeit nach Jaffa, in den anderen, älteren Teil Tel Avivs, obschon er äusserlich, sprachlich oder in seiner Kleidung von einem Juden nicht zu unterscheiden ist. Umgekehrt mag sich der Besitzer des In-Schuppens «Havanna», wo jüdische Trendies Salsa zelebrieren, kaum vorstellen, dass bei ihm Palästinenser feierten. Grenzgänger, sagt Georges, gebe es doch, «manchmal gehöre ich dazu. Aber das geschieht im privaten Rahmen.»

Die so erfolgreiche zionistische Idee hat den Widerspruch zwischen Demokratie und ethnisch-religiös verfasstem Staat nie gelöst. Mehr Gleichberechtigung der arabischen Bürger setzt einen säkularisierten Bürgerstaat voraus. Das Gegenteil geschieht: Selbst linke Juden fühlen sich durch den wachsenden Einfluss der Ultraorthodoxen und den Einfluß der Nationalreligiösen immer stärker bedroht.

Die palästinensischen Bürger Israels haben seit der Intifada und dem Friedensabkommen von Oslo Selbstbewusstsein gewonnen und ihre Identität geklärt. «Als ich die Palästinenser auf der einen, die israelischen Soldaten auf anderen Seite sah, wusste ich, wer ich bin», sagt Slimane, ein Beduine, der in der Negev-Wüste gegen die Landenteignungen kämpft. Aber das Verhältnis der israelischen Araber zur palästinensischen Autonomiebehörde ist gespalten. Kaum einer möchte in einen bantustanähnlichen Rumpfstaat umziehen, wie er sich heute abzeichnet. «Warum sollten wir?», fragt Mahmoud Muhareb, Professor an der Universität Bethlehem und leitendes Mitglied der Partei Demokratische Nationalversammlung. «Hier ist unser Land. Vor allem haben wir demokratische Errungenschaften, die wir für die palästinensische Nation entwickeln müssen. Die Autonomiebehörde bleibt in einer autoritären Versuchung gefangen. Gewaltentrennung, Redefreiheit, Demokratie sind nicht einfach Fragen besseren Lebens ­ sie entscheiden über die Zukunft der Nation.»

Bischara hat gar den Verdacht, das Projekt vom eigenen Staat neben Israel könnte scheitern: «Das ist nicht die einzige denkbare Lösung. Wenn die Integration durch die Kolonialisierung der Westbank fortschreitet, werden wir zu einen Staat mit zwei Nationen kommen müssen.»

Ehrgeiziges Vorhaben. Was den arabischen Demokraten in Israel droht, wenn sie dem jüdischen Establishment nicht mehr Rechte abringen, ist in Nazareth zu besichtigen. Tapfer, die Verkündigungskirche fest im Videoauge, ziehen kompakte Touristengruppen den Berg hoch, von der arabischen Unter- zur jüdischen Oberstadt. Vorbei an einem unscheinbaren Zelt. Bärtige Männer schrubben den Asphalt fürs Gebet. Es werden 4000 kommen. Reiner Islam, keine Politik, versichert der Imam. Doch eine Handvoll junger Islamisten nimmt uns zur Seite: «Sagt den Juden und ihren palästinensischen Komplizen: Dieses Land wird eine islamische Republik.»

haGalil onLine 05-01-2001
ww98

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved