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Die Ernte der Heuchler:
Der rechtsextreme Spuk wurde viel zu lange
verharmlost 

Von Gert Heidenreich


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Wir hätten es lieber anders: Wie eine unvorhersagbare Naturkatastrophe sei die Welle von Rassismus und Antisemitismus über das anständige Deutschland geschwappt, und nun träten die Rettungsschwimmer an, würfen den jüdischen Gemeinden Schwimmwesten zu und sich selbst mit Gebeten um Zivilcourage in die aufgewühlte braune Suppe.

Nichts davon ist wahr. Diese Republik, und ich meine deren westlichen Teil, hat seit jeher die Augen vor den Hetzern und Rassisten in einem Maße verschlossen, das über Fahrlässigkeit weit hinausgeht. Bei ungetrübtem Blick auf die jüngste Geschichte muss man konstatieren: Es gab und gibt hier zu Lande im gefälligen Bürgertum eine weit reichende, teils bekennende, teils subversive, zumindest metaphysische Akzeptanz des Judenhasses und der Feindlichkeit gegenüber Fremden. Dass die politische Sprache nach außen anders klang, war großteils spekulative Camouflage, die Wirklichkeit sah und sieht anders aus: Seit Jahrzehnten haben Behörden der Republik durch Verharmlosung rechtsextreme Gruppen, Vereine und Parteien ermuntert, deren Wunsch die Beseitigung der Demokratie war und deren Zielsetzung, wäre sie erfolgreich gewesen, Pogrome zur Folge gehabt hätte. Wer, wie ich das mit vielen anderen seit Anfang der sechziger Jahre getan habe, in Publikationen vor dieser Gefahr warnen zu müssen glaubte, wurde öffentlich abgetan als Kryptokommunist. Heute verbittert es, mit einer Warnung recht zu behalten, die man selbst im Nachhinein lieber als überflüssig erkannt hätte. 

Von der CSU wird nun vehement das Verbot der NPD betrieben, offenbar in Missachtung ihres einstigen größten Vorsitzenden. Kleiner Rückblick auf den Namensgeber des Münchner Flughafens: „Ich habe ja immer erklärt, dass ich die NPD-Wähler nicht schlechthin für Nazis halte. “ (Franz Josef Strauß, Interview im Spiegel, 26.10.1970). Ein Jahrzehnt später, 1979, exkulpierte derselbe Strauß bundesdeutsche Neonazis: „Der KGB veranlasst Hakenkreuzschmierereien auf jüdischen Friedhöfen bei uns. “ (Interview im Deutschlandmagazin, August 1979). Natürlich blieb der Ministerpräsident Bayerns und kurzfristige Kanzlerkandidat der Union den Beweis schuldig. Im Freistaat, in dem noch anfangs der achtziger Jahre einer der fünf höchsten Richter des Landes, ein Oberlandesgerichtsrat, mit Wissen des Innenministers Vorsitzender einer rechtsradikalen Vereinigung von Altnazis war, mochte man seitens der Regierung auch die Manöver der Nürnberger Wehrsportgruppe Hoffmann nur für Ausflüge von Naturburschen halten – bis dann die Bombe auf dem Oktoberfest explodierte. 

Wer jetzt, sozial und christlich aufrecht, Maßnahmen gegen das organisierte Verbrechen der Neonazis fordert, rechnet offenbar darauf, dass die Schande des eigenen parteipolitischen Lavierens vergessen wäre. Aber schon vor mehr als zwanzig Jahren reichte das Netz der äußersten Rechten bis weit hinein in jene Kreise, die sich gern konservativ nennen – es war über Personen, Mehrfachmitgliedschaften und Publikationen geknüpft, mit Hilfe derer der Schein organisatorischer Abgrenzung aufrecht erhalten wurde. Was die Verfassungsschutzberichte nicht offenbaren wollten, hatten Journalisten publiziert. Und wer heute, seinerzeit als Panikmacher belächelt, in die eigenen Recherchen blickt, den packt angesichts der Ernte der Heuchler das Grausen. 

Es ging nicht allein um Strauß. Ähnliche, immer gezielte Verharmlosungen der Brutalität ließen sich in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, in Hessen und Baden-Württemberg beobachten. Hier war nicht Dummheit der Behörden am Werk, sondern Methode. Gelegentlich konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, als herrsche bei Ordnungshütern jeder Art eine klammheimliche Sympathie für den braunen Nachwuchs. Deutschland war ein unheimlicher Zustand, lange bevor die neonazistischen Totschläger aus dem Osten sich mit denen aus dem Westen einig waren. Was jetzt aufwächst, ist die Ernte, deren Saat damals unter dem gebetsmühlenhaft wiederholten Stichwort „Einzeltäter“ bagatellisiert worden ist. Man mag ja für glaubhaft halten, dass nun ein paar mehr Repräsentanten des Staates erschrecken; sehr viele aber haben seit den Sechzigern mit verdächtiger Ruhe zugesehen, nicht nur spät geohrfeigte Juristen à la Carstens oder unheimliche à la Filbinger; auch jener Todesrichter war – dies für die Jüngeren gesagt – einmal Ministerpräsident in der entnazifizierten Republik. 

Germanen waren freundlicher 

Wenn nun von der zum Verschwinden gemordeten Minderheit jüdischer Deutscher erwartet wird, sie sollten auf unsere Verlässlichkeit zählen, ist das sehr viel verlangt; mehr, als die res publica rechtfertigen kann; mehr, als angesichts jüdischer Familiengeschichten erwartet werden darf. Es grenzt nämlich an Fahrlässigkeit gegenüber dem eigenen Leben, einem Staat mit seiner Exekutive zu vertrauen, in dem Menschen, die als „anders“ definiert sind, statistisch ein höheres Risiko laufen, zu Tode gehetzt zu werden, als Deutsche irgendwo in der nicht eben zimperlichen Welt. 

Die Deutschen? Der Römer Tacitus preist in seiner „Germania“ das Volk der germanischen „Wilden“ vor allem wegen einer bei ihnen hervorragenden Tugend: der Gastfreundschaft und Fremdenliebe, die er für vorbildlich hält. Eine verfrühte Beschämung? Hätte den in der östlichen, kollektiv abgewandten Gemeinde Guben 1999 zu Tode gejagten Algerier Omar Ben Noui ein deutscher Pass in der Tasche gerettet? Wacht unser spätes Völkergemisch, das sich deutsch nennt, erst auf, wenn seine neonazistischen Zerstörer einen Industriekapitän entführen oder ermorden? Oder wird ein umgestürzter Grabstein auf einem jüdischen Friedhof genügen, um die Lehrer zu ermutigen, ihre Schüler nicht nur über die tödliche Vergangenheit zu informieren, sondern auch über die bedrohte Gegenwart und die richtige Zukunft? Werden Polizisten es für gerecht und förderlich halten, den von Tacitus gelobten Tugenden zu dienen? Werden endlich die Richter dieses Landes jedes Leben gleichermaßen achten und schützen? Werden die Gewählten endlich auf jeder Ebene der Ämter sich nicht nur maulheldisch, sondern normal bewähren? Werden wir Bürger endlich begreifen, dass wir selbst die Fremden sind, so lange wir in Kategorien der Fremdheit denken? Und wird – endlich – die öffentliche Heuchelei wie ein alter Mantel in den Schlund der Geschichte geworfen? 

Das sind keine jüdischen Fragen. Es sind Fragen an die Bewohnbarkeit der Heimat. Als die RAF in den Siebzigern behauptete, sie müsse das wahre Gesicht dieses Landes hervor bomben – die Anarchisten meinten damit die „faschistische Fratze des Staates“ –, wurde unser Land alarmiert bis in die letzten Winkel der Stammtische. Herr Biedermann hatte ein Gefühl dafür, dass Terror ihn selbst bedroht, weil der Staat dem Angriff einer Gruppe auf die mehrheitlich akzeptierte Rechtsordnung eilfertig und unnachgiebig entgegentrat. 

Heute vernehmen wir weinerliche Worte, ein paar prägnante Gerichtsurteile: spätes Einholen früher Versäumnisse. Vorrangig die einstigen Verharmloser bemühen sich um Verbote. Wenn aber wir – gemäß demokratischem Verständnis – selbst der Staat sind, müssten wir wissen, was allgemein zu unternehmen wäre: Grenzziehung gegenüber Tätern und ihren Ideologen, Verzicht auf Demagogie in der Asylpolitik. Es geht jetzt beileibe nicht nur um den alten Überbau des Terrorismus, die NPD, deren Verbot lediglich der CSU ein paar Wähler einbringen würde. 

Es geht um weiterreichende Fragen als das Parteienrecht: Wird sich der Staat entschieden gegen die rechten Sturmabteilungen zur Wehr setzen? Wird er sich von der Heuchelei verabschieden und die beschworene Anständigkeit zum Alltagsprogramm der Politik erheben? Die wackeren Reden im Bundestag schaffen noch kein anderes Denken und keine Lebenssicherheit für jüdische Bürger. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hat entsetzlich gute Gründe, nachzudenken über die Frage, ob es richtig war, in unserem Land wieder jüdische Gemeinden aufzubauen. Ein beruhigende Antwort wird er nicht finden. Denn sie zu geben, ist Aufgabe des ganzen, ungewählten Volkes. 

Der Autor ist Schriftsteller; von ihm ist zuletzt erschienen: „Der Mann, der nicht ankommen konnte. Alltägliche Mysterien.“ (DVA).

SZ/FEUILLETON Dienstag, 7. November 2000

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