1870 gründeten
Abraham Geiger und Moritz Lazarus die "Hochschule für die
Wissenschaft des Judentums", die zwei Jahre später den Lehrbetrieb
aufnahm. 130 Jahre später öffnete nun das Abraham-Geiger-Kolleg in
Potsdam seine Pforten. Im Herbst 2001 werden die ersten Studenten
kommen.
Damit gibt es erstmals seit der Shoah wieder ein Rabbinerseminar in Deutschland.
Bisher bestehen nur noch in Israel, Großbritannien und den USA
Ausbildungsstätten für Rabbiner.
Das Abraham-Geiger-Kolleg sieht sich in der Tradition der Hochschule ihres
Namensgebers. Vor Gründung des Berliner Seminars war das Breslauer
Jüdisch-Theologische Seminar die einzige Ausbildungsmöglichkeit für Rabbiner in
Deutschland. Dabei war die seit 1854 von Zacharias Frankel geleitete Institution
zwar theologisch konservativ, legte aber ein modernes, kritisches Herangehen an
die heiligen Texte nahe. Das Seminar wurde daher zwar von streng Orthodoxen
abgelehnt, bildete jedoch in den ersten Jahren Rabbiner aller Richtungen aus.
Ideologischer Dissens mit dem Breslauer Seminar führte dann schließlich zur
Gründung von zwei neuen Ausbildungsstätten, darunter die Hochschule für die
Wissenschaft des Judentums. Theoretisch stand sie allen religiösen Richtungen
offen gegenüber, in der Praxis wurde sie jedoch bald zu einer Institution von
Reform-Rabbinern.
Auch das Abraham-Geiger-Kolleg hat enge Verbindungen zu den liberalen Gemeinden
in den Vereinigten Staaten und den "Progressiven Gemeinden" im deutschsprachigen
Raum. Damit werden die meisten Gemeinden in Deutschland Schwierigkeiten haben,
denn in Potsdam können auch Frauen zur Rabbinerin ausgebildet werden. Denn die
großen Einheitsgemeinden sind theologisch konservativ, eine Rabbinerin ist für
die meisten in Deutschland unvorstellbar.
Die Sprecherin des Kollegs, Elke-Vera Kotowski, rechnet aber damit, "dass der
Bedarf an Rabbinern größer ist, als die Bedenken es sind". Denn derzeit suchen
etwa 80 Gemeinden in Deutschland einen Rabbiner. Bisher wurden Geistliche aus
den USA oder aus Israel eingestellt. Die Münchner Reformgemeinde hat einen
niederländischen Rabbiner. Dadurch ergeben sich so manche Probleme, weil die
Rabbiner oft mehrere Gemeinden betreuen oder nicht lange bleiben können.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte zur Eröffnung geschrieben: "Gerade
in diesen Tagen, in denen sich angesichts einer neuen Welle antisemitischer und
fremdenfeindlicher Gewalt viele Juden entmutigt fühlen, setzen die Gründer ein
Zeichen der Hoffnung". Eine Hoffnung darauf, dass durch die Eröffnung des neuen
Rabbinerseminars wieder ein Stückchen der herausragenden Tradition des deutschen
Judentums erinnert wird.
haGalil onLine
14-11-2000
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