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Der Häftling D.H., ein amerikanischer
Jude, betritt an Jom Kippur die Hauskammer der Haftanstalt Berlin-Moabit. Seine
Entlassung nach einer zweijährigen Haftstrafe steht unmittelbar. Für das was nun
passiert als ihm der Vollzugsbeamte W. seine Kleidung und seine persönlichen
Gegenstände aushändigt, gibt es keine Zeugen.
D.H. hat sich dem liberalen Rabbiner Walter
Rothschild anvertraut, der ihn während der Haftzeit regelmäßig betreut hat und
Sorge dafür trug, daß D.H. mit koscheren Mahlzeiten versorgt wurde, da diese in
Moabit nicht erhältlich waren.
Dem Rabbiner erzählte D.H., er sei als Saujude beschimpft worden, der zu viele
Sachen habe. Er solle nicht wieder nach Deutschland kommen. 8 seiner
persönlichen Gegenstände seien kaputt und vier ganz verschwunden. Er zeigte dem
Rabbiner auch 3 Gebetbücher, die dieser ihm gegeben hatte und in denen jeweils
einige Seiten zerrissen waren. D.H. sei auch körperlich angegriffen worden und
habe die letzten Tage in Deutschland im Haftkrankenhaus verbracht.
Rabbiner Rothschild, der den inzwischen abgeschobenen Amerikaner zuletzt am
letzten Sonntag besuchte fand ihn zitternd „wie nach einem Nervenzusammenbruch"
vor. Der Häftling habe geweint, denn „er hatte Angst, daß während der
Abschiebung noch etwas passieren würde".
Die Justizverwaltung leitete disziplinarische Vorermittlungen gegen den
beschuldigten Beamten ein, der alle Vorwürfe von sich weist. Zur ärztlichen
Behandlung kann sich der zuständige Justizsprecher Karsten Ziegler nicht äußern,
da eine solche - selbst wenn sie stattgefunden haben sollte - der
Schweigepflicht unterliege. In einem Nachsatz äußert er: „Ich geh` mal davon
aus, daß er behandelt wurde".
Iris Noah /
haGalil onLine 15-10-2000
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