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SZ vom 14.10.2000 Feuilleton

Kurzer Prozess
In Iran steht ein kritischer 
Geistlicher vor Gericht

Der Angeklagte selbst betrachtet nicht nur das Verfahren, sondern gleich das ganze Gericht als illegal. Der so genannte „Sondergerichtshof für Geistliche“ in Teheran will diesen Samstag das Urteil gegen den iranischen Kleriker Hassan Yussefi-Eshkewari sprechen. Nach nur zwei Verhandlungstagen und zudem hinter verschlossenen Türen. Staatspräsident Mohammed Chatami hat seiner Abscheu gegen die Anklage Ausdruck gegeben.

Die Vorwürfe, die gegen Eshkewari erhoben werden, könnten schwerwiegender kaum sein. Auf jedes einzelne der drei Delikte, die jetzt noch zu den ursprünglichen hinzugefügt wurden, steht in Iran die Todesstrafe: Korruption auf Erden, Abfall vom Glauben und Krieg gegen Gott werden ihm vorgeworfen. Der Geistliche hatte im April an einer von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Konferenz in Berlin teilgenommen. Nach seiner Rückkehr wurde er sofort verhaftet; zuerst wurden ihm nur seine Berliner Äußerungen zur Last gelegt. Er habe den Islam und den Führer Irans beleidigt und die nationale Sicherheit gefährdet, heißt es in der Anklageschrift.

Modelle für eine Regierung

Dass Eshkewari – wie alle Geistlichen – von einem Sondergerichtshof angeklagt wird, ist in der Tat nicht zwingend. Kritiker meinen, die bloße Existenz dieser Institution verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung. Das Sondergericht ist direkt dem Revolutionsführer Khamenei unterstellt, es folgt seinen eigenen Gesetzen und arbeitet vollkommen unabhängig vom Justizministerium. Laut Ayatollah Khamenei besteht seine Aufgabe darin, „die Heiligkeit der Würde der Geistlichkeit zu schützen und ehren“.

Obwohl es immer wieder als nicht verfassungsmäßig kritisiert wurde, war das Gremium schon in den Anfangsjahren der Islamischen Republik äußerst aktiv. Es oblag ihm, missliebige Kleriker auszuschalten, also solche religiösen Würdenträger, die bestreiten, dass die velayat-e faqhih, die Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten, die zwingend islamische Staatsform ist. Ein Konsens über die richtige Herrschaftsform besteht nämlich keineswegs. Im Laufe der iranischen Geschichte wurden von verschiedenen Gelehrten unterschiedlichste Modelle zur Regierung vorgeschlagen; eines unter vielen war die Variante, die Khomeini propagierte – und die sich schließlich durchsetzte und in der Verfassung der Islamischen Republik verankert wurde. Der Widerstand gegen diese Doktrin indes erstarb nie, vor allem nicht unter den ranghöchsten Geistlichen.

Seit die Debatte über die Staatsform nicht mehr nur wissenschaftlich geführt wird, sondern ein Politikum ist, hat Iran ein Sondergericht für Geistliche. Allein in den ersten sieben Jahren nach der Revolution hat das Gericht Urteile gegen 700 so genannte Pseudo-Kleriker vollstreckt.

Rundumschlag gegen Tabus

Vor Eshkewari hat vor kurzem eine weitere bekannte Persönlichkeit die Legitimität dieses Gerichts anzweifelt und damit eine Diskussion in Gang gebracht. Der stellvertretende Staatspräsident Abdallah Nuri, der gleichfalls der Diffamierung des Islams angeklagt worden war, nutzte das Verfahren außerdem zu einem in Iran beispiellosen Rundumschlag gegen die herrschende Politik und brach sämtliche geltenden Tabus. Die Presse berichtete täglich über den Prozess gegen Nuri. „Das Verfahren gegen Abdollah Nuri, so bitter und bedauernswert es ist, hat eine gute Seite“, hieß dazu es in einer iranischen Zeitung, „in ihm wird die Sicht der Dinge, die von einem großen Teil der iranischen Gesellschaft geteilt wird, offen formuliert.“

Diese Erfahrung könnten den Richter und Staatsanwalt in Nuris Prozess, Ebrahim Nekunam, dazu bewogen haben, Eshkewari den Prozess hinter verschlossenen Türen zu machen. In iranischen Zeitungen wurde kein Wort über den Fall berichtet.

Zwar hat der Sondergerichtshof für Geistliche seit vielen Jahren keine Todesstrafen mehr verhängt. Dennoch befürchten viele, dass man an Eshkewari ein Exempel statuieren möchte. Erst kürzlich hatte Ex-Präsident Rafsandschani in einer Freitagspredigt gesagt, die gegenwärtige Situation unterscheide sich nicht von der angespannten Lage, in der man sich kurz nach der Revolution befand. In diesen ersten Jahren waren vierzehn Kleriker zum Tode verurteilt worden.

KATAJUN AMIRPUR

 

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