antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Jüdisches Leben in Europa

Mit der Hilfe des Himmels

Juden, Judentum, Israel Nach Israel...

ffm-rund.gif (1252 Byte)

Karikatur und Satire: Das Gesicht des 
Führers gehört zu den Schreckbildern 
1939-194
5

"Hitlerfresse"

Von Claudia Schmölders

Jüdische Buchhandlung Morascha - Zürich - Bücher zum Judentum, Ritualia...


Aktivieren Sie die JAVA-Faehigkeit Ihres Browsers!


Aktivieren Sie die JAVA-Faehigkeit Ihres Browsers!
Ferien - Fitness - Wellness

 

Alles, was Hitler zwischen 1933 und 1938 den Deutschen an "Gesicht" wiedergewonnen hatte, also alles an territorialen Rückeroberungen und nationalem Selbstbewusstsein, verlor er in den Jahren danach. 

Schon der Gefreite von 1919 hatte sich in unerhörter ideologischer Fixierung auf ein Weltkriegs-Szenarium eingeschworen, wenn er zum Kampf gegen den Bolschewismus und Kapitalismus aufrief und damit die beiden Hauptsorgen der damaligen deutschen Eliten nachredete. Bolschewismus hieß Kampf gegen oder besser: um den Osten, Kapitalismus bedeutete Kampf gegen Westen, wobei letzterer weit eher von der Idee der Revanche beherrscht war als von territorialen Visionen. 

Was beide Aggressionsziele zusammenhielt, waren wenigstens für den oberflächlichen Blick Begriffe und Ideen vom "Juden". Die Propaganda des österreichischen Lehrers Schönerer, wonach man dem Volk einen möglichst klar konturierten einzigen Gegner anbieten müsse, kein Feindbild, sondern eine "Feindgestalt", wiedererkennbar in jeglicher Variante, trat erschreckend in Kraft. Seit 1933 flohen die Juden aus Deutschland; die Kommunisten, die wissenschaftliche und die künstlerische Avantgarde. Der Widerstand der Emigranten formierte sich in den Fluchtorten Paris, Prag, London und in den USA. Es war zunächst und notgedrungen vor allem ein symbolischer Widerstand, in Wort und Bild.

Die satirische Propaganda folgte freilich eigenen Gesetzen. Schon ab 1923 gegen Hitler und seine völkischen Anhänger gerichtet, steigerte sie sich in Deutschland parallel zu deren Wahlerfolgen: in Plakaten und Zeitschriften besonders der Brüder Heartfield und Herzfelde, im Simplicissimus. (hier am häufigsten, da bereits ab 1923), in der Pleite, der Arbeiter Illustrierten Zeitung, dem Kladderadatsch, dem Wahren Jakob, den Fliegenden Blättern und vielen anderen. 

Viele dieser Zeitschriften wurden ab 1933 gleichgeschaltet oder taten dies freiwillig wie etwa der Simplicissimus. Andere Zeitschriften verlegten ihren Sitz ins Ausland und kämpften dort weiter, wie die AIZ. Zum Zentrum dieses Widerstandes wurde Prag. 1934 gab es eine eigene Ausstellung mit Werken von Heartfield (allein 35 Bilder), Grosz, Thomas Theodor Heine, Erich Godel und vielen anderen. Aber die Satire als Kampfmittel einer Minderheit gegen eine Mehrheit unter dem adorierten Führer blieb ohnmächtig; weitaus ohnmächtiger jedenfalls als die systematische, jahrhundertealte Verteufelung der jüdischen Physiognomie, ab 1933 Sache der offiziellen Propaganda des Deutschen Reiches und der akademischen Rassenlehre in Schulen und Universitäten.

Als 1933/34 der Chef der Auslandspresseabteilung Ernst Hanfstaengl, Hitlers landjähriger Freund Putzi, seine zwei Sammelbände mit Karikaturen aus aller Welt vorstellte - Tat gegen Tinte -, verriet schon das Tableau der Bilder deren politische Schwäche; ein Kasperletheater weit eher denn Waffe eines ernst zu nehmenden Gegners. 

Das Buch spiegelte die relative Distanz, ja herablassende Neugier des Auslandes an der lächerlichen Figur des Führers. Memoiren wie die von Dorothy Thompson, der Frau von Sinclair Lewis, drückten aus, was viele dachten oder auch schrieben. In ihrem Erinnerungsbuch I Saw Hitler! von 1932 - weswegen sie allerdings unmittelbar nach der Machtergreifung Deutschland verlassen musste - schilderte sie ein Interview im Hotel Kaiserhof: "Als ich schließlich Adolf Hitlers Salon im Hotel Kaiserhof betrat, war ich überzeugt, dem zukünftigen Diktator Deutschlands zu begegnen. Nach etwas weniger als fünfzig Sekunden war ich absolut sicher, dass dies nicht der Fall sein konnte.

Genau diese Zeit brauchte es, um die erschreckende Bedeutungslosigkeit des Mannes zu erkennen, der die Welt so sehr in Neugier versetzt hat. Er ist formlos, beinahe gesichtslos, ein Mann, dessen Antlitz eine Karikatur ist, ein Mann, dessen Körperbau wie aus Knorpel erscheint, ohne Knochen. Er ist inkonsequent und zungenfertig, unausgeglichen, unsicher. Er ist der exakte Prototyp des kleinen Mannes."

Auch Martha Dodd, Tochter des amerikanischen Botschafters, trifft Hitler im Kaiserhof und zeigt sich in der persönlichen Begegnung wenig abgestoßen, fast gerührt, wenn sie seine fahlblauen Augen sieht und ihn unbeholfen, doch irgendwie charmant im Umgang mit Frauen erlebt! William Shirer, der unbestechliche amerikanische Journalist, notiert 1934, er könne nichts Aufregendes in Hitlers Gesicht finden, er sei vielmehr froh, dass dieser nicht theatralisch posiere wie Mussolini mit vorgestrecktem Kinn und zurückgeworfenem Haupt, der seinen Augen einen gläsernen Ausdruck zu geben versuchte. Gleichwohl, schrieb Shirer, "ist etwas Glasiges in seinen Augen, dem stärksten Teil seines Gesichts".

Nicht alle Angelsachsen sahen Hitler so harmlos. Der Karikaturist David Low führte einen regelrechten Feldzug mit seinen Zeichnungen. Doch sind Engländer wie Amerikaner dann wieder mit Chaplins Film The Great Dictator (Der große Diktator) wie gebannt von der Ähnlichkeit der beiden Erscheinungen, die im selben Jahr und im selben April geboren wurden. Eine Ähnlichkeit, die zu abergläubischer Verharmlosung verführen konnte. 

Zu Hitlers 50. Geburtstag schrieb Harold Nicolson, der schon von Chaplins Filmvorhaben weiß, "so unterschiedlich der Aufstieg von Chaplin und Hitler auch verlaufen und so verschieden ihre Reputation auch ist, sie haben eines gemeinsam: Ihr Erfolg ruht auf ihrem Verständnis für den ,kleinen Mann' aus dem unteren Mittelstand (. . .)" Geradezu physische Entwarnung gibt ein Artikel der Times ebenfalls zum 50. Geburtstag: "In den sechs Jahren seit seinem Machtantritt hat sich Herr Hitler physisch wahrscheinlich weniger verändert als die meisten Männer zwischen dem 44. und 50. Lebensjahr. Die Linien in seinem Gesicht haben sich nur leicht vertieft. Er hat vielleicht 25 Pfund zugenommen und an Umfang vielleicht vier Inches, aber das ist viel weniger als bei einigen seiner Leutnants." Noch 1943, zum 54. Geburtstag der beiden, veröffentlichte die New York Times einen fast liebevollen Cartoon, der freilich über die höchst unterschiedliche Rolle der beiden Männer in der Weltgeschichte keinen Zweifel lässt.

An der problematischen Grenze zur Verharmlosung stand auch der berühmte Film von Ernst Lubitsch, To Be or Not To Be (Sein oder Nichtsein) von 1942. Entlarvung durch Lächerlichmachung reichte nicht hin; war aber angesichts von mehr als 150 Anti-Nazifilmen der USA auch nur ein weiterer Versuch, mit den traditionellen Mitteln der komödiantischen Satire zu arbeiten statt mit gezielter Propaganda. Eher aus deren Perspektive hielt die Walt Disney Corporation im selben Jahr 1942 einen Kinderfilm über "Der Führer's Face" für machbar, in dem Donald Duck von SS-Schergen zur Arbeit in einer Bombenfabrik gezwungen wird. Das Lied: "In Der Führer's Face there is the Master Race" begleitet ihn am Fließband, wo er ständig dem Führergesicht im Porträt salutieren muss, bis zur großen Explosion, aus der er aber dann doch schließlich glücklich wie aus einem Albtraum erwachen und weinend die Freiheitsstatue umarmen kann.

Fast galante Züge trug streckenweise die Satire in Frankreich. In der illustrierten Wochenzeitung Marianne erschienen in den Jahren 1932 bis 1939 sorgfältig überlegte, meist mit Motiven der Kunstgeschichte spielende Fotomontagen von unbekannter Herkunft und Anzahl; man hat bisher etwa 35 gefunden. Offensichtlich angeregt von John Heartfield, zeigten die Bilder der Marianne Hitler etwa im Umfeld von Wagner (Hitler und Winifred Wagner als Tristan und Isolde, 1933) oder, Ende der dreißiger Jahre, Hitler einmontiert in Gemälde wie "Sinnbild der Sünde" von Franz Stuck, mit einer Schlange an der nackten Brust und lasziv wie das Vorbild.

Im Inland herrschte ein anderes satirisches Klima. Hitlers physische Erscheinung hat fast jeder aus seiner Umgebung kommentiert, wenn auch anfangs nicht so plastisch wie der Historiker Karl Alexander von Müller, der ihn 1924 auch vor Gericht beschrieb. Mit der Zeit entstand eine regelrecht verbalsatirische Tradition und Dramaturgie des fazialen Schocks, die an Schärfe alle Bilder weit übertreffen konnte. Günter Scholdt hat solche Zitate einmal nach Art eines "Composite Portrait" zusammengesetzt: "Ein Porträt, erstellt aus dem Durchschnitt entsprechender Äußerungen, ergäbe einen Mann von folgendem Aussehen: schwarze, ins Gesicht fallende Schmachtlocke über einem pomadig gescheitelten Schädel mit ach, sowenig Hinterkopf, und einem wulstigen, reichlich plumpen oder gar dummen Ohr, ein widerlicher Mund mit langen blassen Lippen und Schnurrbartbürste - garstig moustache, kommt wie schwarzer Schmutz aus Nase gelaufen - amorphe, höckrige, fleischige gemeine, ja obszöne Nase, außerdem Schrumpfhändchen. Hinzu kommen maskenhaft leere Mausaugen, deren vielgerühmter Bannstrahl sich allenfalls als Hundeblick aus einer bleichen gedunsenen Visage heraus entpuppt."

Invektiven wie diese stammen, wie der Großteil der antisemitischen Karikaturen, aus der physiognomischen Obsession des 19. Jahrhunderts und seiner Erbschaft. Jedes einzelne Attribut dieser Collage ließe sich vermutlich in den Tagebüchern der Brüder Goncourt, im Werk Balzacs, in den Werken von Oscar Wilde und den nicht selten gehässigen Tagebüchern von Virginia Woolf finden, vor allem aber in den Karikaturen dieses Jahrhunderts; von Hogarths Erben wie Grandville bis zu Félicien Rops und Paul Weber. Nicht, oder nicht nur, weil diese europäische Gesellschaft so besonders gehässig wäre, sondern weil die Karikatur in Wort und Bild das älteste Spielfeld der Physiognomik ist; folglich auch mit deren Aufstieg Karriere macht. Ernst Gombrich hat die Geschichte der Karikatur in diesem Sinne bis zu den berühmten "Grotesken Köpfen" des Leonardo zurückverfolgt.

Eine Gesellschaft, die physische Auslese zum Programm erhebt, muss mit einer Mikrodidaktik der Ausstoßung arbeiten, die jedes einzelne Mitglied unter Beobachtung stellt und jeden einzelnen angeborenen physischen Zug an ihm billigt oder missbilligt. Arthur Schopenhauer hat die physiognomischen Züchtungsvorstellungen seiner Gesellschaft prägnant und handbuchartig formuliert: eine Frau mit Stupsnase und schmalem Becken hat keine Chance zur Fortpflanzung. Die Herkunft dieser Ideologie ist erst im Gefolge des Dritten Reiches wirklich namentlich genannt worden. Von Peter Weingart stammt der Verweis auf die Tierzucht - und in der Tat stammt die obsessive Befassung mit der "Lehre vom Exterieur" von dort. Vor allem die Pferdezucht aus englischer Tradition hat seit Mitte des 17. Jahrhunderts den Blick des wohlhabenden Gentleman für physische Wohlgestalt geschult und den Begriff der Rasse im Kult des "racing" mit populärem und keineswegs humanem Inhalt gefüllt. Dass die Physiognomik, die ausdrücklich von nackten Körpern spricht und keine Wissenschaft der Mode ist, seit Ende des 17. Jahrhunderts so reüssieren konnte, wie sie es tat, ist unter anderem auch eine Folge jener "Lehre vom Exterieur", die dem nackten Körper von Tieren gewidmet ist. Nackte Körper nach Leistung und Charakter evaluieren musste jeder, der auf dem Markt ein Tier kaufen wollte, gleichviel ob es um einzelne Pferde ging oder um ganze Herden zum Zwecke der Zucht oder um Rinder oder Schweine. Es hat also seinen guten Sinn, dass keine physiognomische Tradition der Karikatur näher steht als der Tiervergleich.

Wer die physischen Invektiven gegen Hitler vor diesem Hintergrund liest, wird sie anders konnotieren denn nur als Ausdruck von visuellem Hass auf eine hässliche Person. In diesen Hass mischt sich vielmehr von Anfang an Enttäuschung; Enttäuschung darüber, dass hier jemand "Führer" sein oder werden will, der weder einem traditionellen "Herrscherbildnis" entspricht noch nach der neuerdings etablierten physischen Rangordnung an der Spitze stehen dürfte. In diesem Sinne hat schon 1931 Herbert Blank alias Weigand von Miltenberg in seinem Buch Adolf Hitler Wilhelm III. konstatiert: "Die Züge seines Gesichts, in dem als erschreckender Mittelpunkt unter der Nase die schwarze Fliege steht, sind alle weich und rund. Oftmals gemütlich-väterlich. (. . .) Wer ihn beobachtet, ist bereits nach fünf Minuten überzeugt, daß es mit der nordischen Herrenrasse, die er züchten will, noch lange Wege hat." Geradezu verzweifelt über die widersprüchlichen physischen Botschaften von Erscheinung und Gebaren erlebt Klaus Mann Hitler 1932 aus nächster Nähe beim Tortenessen: "Da saß er, umgeben von ein paar bevorzugten Spießgesellen, und ließ sich seine Erdbeertörtchen schmecken. (...) Ich esse selbst recht gerne süßes Zeug; aber der Anblick seiner halb infantilen, halb raubtierhaften Gefräßigkeit verschlug mir den Appetit. (...) Zwei Fragen waren es vor allem, die mich beschäftigten, während dieser dreißig Minuten unheimlicher Nachbarschaft: Erstens, worin lag das Geheimnis seiner Wirkung, seiner Faszination? Und zweitens, an wen erinnerte er mich, wem sah er ähnlich? Ohne Frage, er glich einem Mann, den ich nicht persönlich kannte, aber dessen Porträt ich oft gesehen hatte. Wer war es nur? Nicht Charlie Chaplin. Beileibe nicht! Chaplin hat das Schnurrbärtchen. Aber doch nicht die Nase, die fleischige, gemeine, ja obszöne Nase, die mich sofort als das garstigste und am meisten charakteristische Detail der Hitlerschen Physiognomie beeindruckt hatte. Chaplin hat Charme, Anmut, Geist, Intensität - Eigenschaften, von denen bei meinem schlagrahmschmatzenden Nachbarn durchaus nichts zu bemerken war. Dieser erschien vielmehr von höchst unedler Substanz und Beschaffenheit, ein bösartiger Spießer mit hysterisch getrübtem Blick in der bleich gedunsenen Visage. Nichts, was auf Größe oder auch nur Begabung schließen ließe!"

Nicht Chaplin, so entscheidet Mann wenige Zeilen später, sondern der Kindermörder Haarmann sieht Hitler angeblich ähnlich, der "homosexuelle Blaubart". Eine der zeitgenössischen Quellen über Hitlers angebliche, aber nie erwiesene Homosexualität liegt hier; Klaus Manns Autobiografie Der Wendepunkt erschien bereits 1942 auf Amerikanisch und erst 1952 in Deutsch.

Nicht einmal die negative Prominenz eines Massenmörders mochte der ostpreußische Gutsbesitzer Friedrich Reck-Mallezcewen Hitler zugestehen. In seinem hasserfüllten Tagebuch notierte er: "11. August 1936: Letzthin in Seebruck sah ich Herrn Hitler, bewacht von seinen vorausfahrenden Scharfschützen, beschirmt von den Panzerwänden seines Autos, langsam vorübergleiten: versulzt, verschlackt, ein teigiges Mondgesicht, in dem wie Rosinen zwei melancholische Jettaugen stecken. So traurig, so über die Maßen unbedeutend, so tief mißraten, daß noch vor dreißig Jahren, in den trübsten Zeiten des Wilhelminismus, dieses Antlitz schon aus physiognomischen Gründen unmöglich gewesen wäre und, auf einem Ministersessel, sofort die Gehorsamsverweigerung (. . .) nicht der Vortragenden Räte, nein selbst die des Portiers und der Reinemachefrauen zur Folge gehabt hätte.

9. September 1937: oh, es war der Gipfel der Schmach, daß es nicht einmal der körperlich schöne und geistig funkelnde Antichrist der Legende, daß es vielmehr nur eine arme Exkrementalvisage, in jedem Zoll so etwas wie ein Mittelstandsantichrist war (. . .)."

"Nicht einmal der körperlich schöne und geistig funkelnde Antichrist" - das ist die Enttäuschung einer alt-aristokratischen, immer schon züchterisch eingestellten geschöpflichen Wahrnehmung: das ist aber auch die Enttäuschung über das Fehlen von "Wallensteins Antlitz", dieser Ikone der homofazialen Führer-Faszination. Von dieser Enttäuschung ist auch schon Konrad Heiden, Hitlers erster Biograf, wie besessen. In seinem großen Porträt aus dem Jahre 1936 heißt es: "Es gibt keine Bilder von Hitler. Keine Photographie erfaßt dieses Doppelwesen, das ewig zwischen seinen beiden Polen hin- und herzuckt. Was es gibt, sind Zustandsaufnahmen des Rohstoffes Hitler. Er ist nie er selbst; er ist in jedem Augenblick eine Lüge von sich selbst; darum ist jedes Bild falsch. Die Platte hält nur die äußere Erscheinung fest, und diese Erscheinung ist nun einmal eine minderwertige Hülle. Das Gesicht ein ausdrucksloser Untergrund, auf den mit spärlichen Mitteln eine rohe Maske aufgetragen ist. Es läßt sich nicht bestreiten, daß an dieser Maske Haarsträhne und Schnurrbartbürste das Ausdrucksvollste sind; die von Bewunderern gerühmte Kraft des Auges wirkt auf nüchterne Beobachter wie ein gieriges Stechen ohne jenen Schimmer von Anmut, der den Blick erst zwingend macht; ein Blick, der mehr verjagt als fesselt."

Bei dieser exzessiven Wut auf die Oberfläche blieb es natürlich nicht; es gab tiefer reichende zeitgenössische Versionen. Die eine hält sich nicht beim Gesicht auf, sondern illustriert Handlung, wie etwa Bertolt Brecht in seinem Stück über Arturo Ui; die andere stellt den Diktator in seinen sozialen Kontext. Hitler als Kriegstreiber wird schon vor, aber erst recht nach 1933 im In- und Ausland gezeichnet, so von John Heartfield in der bekannten Montage zum Gemälde von Franz Stuck "Der Krieg" von 1933, und so in The Nation vom 5. April desselben Jahres: Hitler als Sensenmann. Wirklich politischen Erfolg hatte die Fotomontage von Erwin Blumenfeld, der in seinen Erinnerungen zur "Hitlerfresse" berichtete, dass dieses Bild 1942 "millionenfach als amerikanisches Flugblatt über Deutschland abgeworfen" worden sei. Auch hier hatte wieder Heartfield vorgearbeitet mit seinem Buchumschlag zu Italien in Ketten (1928): "Das Gesicht des Faschismus" zeigt Mussolini; halb Schädel, halb noch fleischig erkennbar. Ähnlich, mit Hitlers Konterfei als Totenschädel, arbeitete später der amerikanische Geheimdienst: eine Briefmarke mit der kaum erkennbaren Aufschrift "Futsches Reich" wurde 1943 in Deutschland eingeschleust.

Die andere satirische Front mühte sich mit dem "großkleinen Mann" ab. Wieder hat Heartfield mit seiner Fotomontage "Der Sinn des Hitlergrußes: Kleiner Mann bittet um große Gaben" (1932), mit dem Motto "Millionen stehen hinter mir", eine der zündendsten Versionen geliefert. Wer Hitler als "kleinen Mann" groß fand, sah sich durch Identifikation selber erhöht. Selbstbewusstere Beobachter wie Dorothy Thompson oder hasserfüllte wie Heinrich und Klaus Mann sahen die erwartete Größe gerade durch den physischen Nobody widerlegt; George Orwell formulierte 1940 etwas raffinierter, aber auch naiver: "(Hitler) wäre imstande, eine Maus zu töten und uns glauben zu machen, daß er einen Drachen erledigt hat." Diese Parodie traf einen Kern, wenn man das Märchenmotiv dahinter ernst nahm. Im Märchen würde der Held umgekehrt den Drachen erledigen und von der Maus reden.

So gab es im schönen deutschen Selbstbild seit langem den Topos des kleinen Mannes, dem Großartiges gelingt - der Topos des jüngsten Bruders aus dem Märchen, der Topos des gesegneten Taugenichts, den Thomas Mann schon 1918 in den Betrachtungen eines Unpolitischen ins deutschnationale Gespräch geworfen hatte, mit schlagendem Erfolg. Eine verwandte Bezugsfigur wurde der Hauptmann von Köpenick, jener Schuster Wilhelm Voigt, dem Carl Zuckmayer 1930 ein Erfolgsstück widmete, nachdem Fritz Kortner ihn auf die Idee gebracht hatte.

Auch die romanhafte Voigt-Biografie des deutschnationalen Autors Wilhelm Schäfer aus demselben Jahr 1930 erzielte erstaunliche Auflagen. War es die Satire auf deutschen Uniformglauben oder eher das Loblied auf einen erfolgreichen Taugenichts?

Ob Hitler die Geschichte des Hauptmanns kannte, weiß man offenbar nicht; aber es ist wahrscheinlich. Merkwürdig mutet jedenfalls die Antwort an, die er als Gefreiter gab, als man ihn zum Unteroffizier befördern wollte: "Ich bitte davon abzusehen, ich habe ohne Tressen mehr Autorität als mit Tressen." Ein Bühnenverwandter dieses kleingroßen Mannes jedenfalls war der "brave Soldat Schweijk", den Heinrich Mann in seiner Satire auf Hitlers Selbstgespräch erwähnt, als Rolle von Max Pallenberg, dem jüdischen Schauspieler.

Auch Heinrich Manns Satire hatte ein Vorbild. 1934 schrieb der österreichische Schriftsteller Anton Kuh einen Nachruf auf Max Pallenberg, der im selben Jahr tödlich verunglückt war. Kuh beschrieb ausgerechnet Hitler als nun verpasste Lebensrolle des Akteurs:

"Ein eigener österreichischer Eigensinn ( . . . ) trieb ihn immer wieder zu dem einen Darstellungsobjekt: dem kleinen Mann. Sein kleiner Mann, in der Lueger-Zeit geboren, später groß und zum Schluss größenwahnsinnig geworden, spricht nie reines Deutsch.

Er ist, von der Maske bis zur Rede, Abklatsch, Quatsch, Mischmasch. Seine Nase sieht aus wie aus sämtlichen Blutbestandteilen gepantscht, die je einen altösterreichischen Hausbesorger zum deutschen Mann formten. Er ist aus Aktenpapier ausgekrochen, spricht Aktenpapier .

Er hat uns eines Abends verraten, wie er ihn spielen würde, er hat seine Auffassung von dieser Rolle in einen einzigen, vielbedeutenden Satz zusammengedrängt, in den Ausspruch: Er sieht aus wie ein Heiratsschwindler.

Nur ein Maskengenie konnte diesen Satz sprechen. Nur einer, der sich keine andere Maske vorbinden konnte als die, welche er zuvor einem anderen aus dem Gesicht gerissen hatte."

Kuhs Satire ist nicht an sich überwältigend. Sie nimmt aber im Bild des Heiratsschwindlers die jedem argwöhnischen Beobachter auffällige Kooperation zwischen Hitler und den Deutschen auf, die verfängliche Liebesgeschichte. Noch 1946 zitierte Max Picard in seiner Abrechnung mit "Hitlers Gesicht" dieses Bild vom Heiratsschwindler, freilich nur, um es zu widerlegen. Es war, wie die meisten Karikaturen, ein schwaches Bild gegen die Realität. Ohne Verankerung in einem propagandistischen Apparat war die Satire von begrenzter Wirkung.

[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 2000
Erscheinungsdatum 23.09.2000

haGalil onLine 31-10-2000


haGalil onLine

1995/96/97/98/99/2000 © by haGalil onLine®
Munich - Kirjath haJowel - All Rights Reserved
haGalil onLine - Editorial

Click Here!

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved