Eine Äußerung des
israelischen Präsidenten Mosche Kazaw erschütterte vor wenigen
Wochen die jüdischen Gemeinden der Diaspora. Während eines Empfangs
für rund 400 jüdische Lehrer aus der ganzen Welt sagte Kazaw, dass
sich Juden, die außerhalb Israels leben, in den kommenden zwei oder
drei Generationen vollständig assimilieren würden. Die Diaspora
könne keine legitime Umgebung für Juden bieten.
Israelische Politiker hätten die Existenz der Diaspora in der Vergangenheit nur
aufgrund der finanziellen Zuwendungen der dort lebenden Juden legitimiert, so
Kazaw weiter.
Viele israelische Politiker, darunter die Premierminister David Ben Gurion und
Menachem Begin, haben in der Vergangenheit die Notwendigkeit für Juden betont,
nach Israel einzuwandern. Jedoch haben sie alle die Diaspora im Kontext des
jüdischen Überlebens anerkannt. Ob das aber an ihrem Interesse für Zuwendungen
aus dem Ausland lag?
Kazaws Worte verärgerten und verletzten die Vertreter der Diaspora-Gemeinden. In
der ganzen Welt äußerte sich Unmut über die Worte des Präsidenten. Besonders
unpassend war auch der Anlaß, an dem Kazaw meinte seine Meinung anbringen zu
müßen. Auch im Likud, der Partei von Präsident Kazaw, ist man sich bewußt, dass
jüdische Erziehung das beste Mittel ist, um die Jugend der Diaspora mit
jüdischem (Selbst-)Bewußtsein zu erfüllen.
Zweitausend Jahre jüdischen Lebens in der Diaspora, zweitausend Jahre jüdische
Studien in der Diaspora widerlegen zudem ausreichend Kazaws Zweifel an der
Zukunft jüdischer Erziehung außerhalb Israels.
Empörung herrschte jedoch vor allem über die Reaktion in Israel auf die Worte
Kazaws. Einige Kommentatoren prangerten den Präsidenten zwar für seine
unüberlegte Äußerung an, der große Aufschrei blieb jedoch aus. Genau dieses
Schweigen sieht beispielsweise eine New Yorker jüdische Zeitung als wahren
Skandal. Denn es belegt, dass Kazaw der Mehrheit der Israelis damit nicht gegen
den Strich redet.
Nach 52 Jahren Unabhängigkeit ist klar, dass Israel keine magnetische
Anziehungskraft auf alle Juden in der Welt hat. Gerade in der letzten Zeit haben
die jüdischen Gemeinden Europas, darunter auch hier in Deutschland, wenig
Angenehmes im Alltag zu berichten. Ein Blick nach Israel läßt jedoch viele Juden
aufschrecken. Jüdische Identität hat in
Israel eine ganz andere Bedeutung bekommen. In den Friedensverhandlungen mit den
Palästinensern kommt nur allzu deutlich ein chauvinistischer Nationalismus zum
Vorschein. Vielleicht ist eine solche Umgebung nicht für alle Juden dieser Welt
attraktiv?!
ae / haGalil
onLine 17-10-2000
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