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WEIDEN. Gabriele Brenner ist eine ausgesprochen charmante Frau. Eine
selbstbewusste Unternehmerin, modern in ihren Ansichten, klar in ihrer
Sprache. Und Gabriele Brenner eckt an. Vorsitzende einer Jüdischen
Gemeinde zu sein, in diesem Fall in Weiden, ist eine besondere
Situation. Das war schon immer so, sagt sie. Aber seit rechtsextreme
Schläger und Hetzer wieder die Schlagzeilen bestimmen, ist es schlimm
geworden.
Zwei Mal innerhalb weniger Wochen haben Unbekannte Anschläge verübt,
Fenster der Synagoge eingeworfen, die Eingangsstufen des
Gemeindezentrums mit Farbe verschmiert. Es hat in Weiden Protest
gegeben, aber er blieb Sache einer Minderheit - die Offiziellen bemühten
sich, die Angriffe niedrig zu hängen. Brenner berichtet sachlich, was
das bei vielen Menschen ihrer Gemeinde anrichtet, auch bei ihr selbst:
Es zerstört das Vertrauen. Das gern zitierte Wort von der „schweigenden
Mehrheit der Bevölkerung“ quittiert sie mit einem unamüsierten Lächeln:
Wer weiß schon, auf wessen Seite diese Mehrheit wirklich steht! Ihr
offensives Auftreten gegen Rassismus und Gleichgültigkeit hat man ihr
übel genommen. Was ihren Verdacht nährt, dass die liberale Beschichtung
der Volksseele nicht sehr stark ist.
Gabriele Brenner tut viel dafür, jüdisches Leben für die christliche
Mehrheit verständlich zu machen. Bei ihren Führungen für Schulklassen
steuert sie dieses Jahr auf einen neuen Rekord zu. Doch gerade ihr
Engagement ist es, das ihr Enttäuschungen beschert. Wie soll man sich
nicht fremd fühlen, sagt sie, wenn einem solche Fragen gestellt werden:
„Haben Sie eigentlich auch deutsche Freunde?“ Juden können nicht
Deutsche sein - ein Gedankenmuster geradewegs aus der Nazi-Giftküche.
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Foto: Rath
Weiden am vergangenen Freitag: Die Vorsitzende der Jüdischen
Gemeinde, Gabriele Brenner, betrachtet die Spuren des
Farbanschlags auf das Gemeindehaus.
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Die Jüdische Gemeinde Weiden ist eine weltoffene Gemeinschaft, die
wahrscheinlich weltläufigste der nördlichen Oberpfalz. Viele Juden aus
Osteuropa sind in den letzten Jahren dazugestoßen, Menschen aus Kiew,
Moskau, St. Petersburg, darunter viele intellektuelle Großstädter, die
in der Wärme der Gemeinde den Neuanfang in einer westlichen Kleinstadt
wagen. Die Gemeinde hilft mit Kursen, Kommunikation, Kultur,
Gemeinschaftserlebnis. Bei allem Problemen: Gabriele Brenners innere
Bewegung ist unübersehbar, wenn sie berichtet, was der Zuzug für die
ursprünglich winzige Gemeinde bedeutet hat: „Es
ist wieder Leben bei uns.“
Die Gemeinde versteckt sich nicht. Das Gemeindehaus ist von außen
deutlich zu erkennen, die Telefonnummer steht im Buch. Größere
Sicherungen gibt es nicht. „Das werden wir ändern müssen“, sagt Brenner.
Sie tut es nicht gern. Einerseits, weil die gut 400-köpfige Gemeinde arm
ist. Viel mehr noch, weil damit die Hinnahme eines nicht hinnehmbaren
Zustands verbunden ist. Sie kann und will sich nicht an ein Leben unter
Polizeischutz gewöhnen. Schlimm genug, dass schon bisher an jüdischen
Feiertagen schwer bewaffnete Polizei vor der Tür stand.
Als ihre kleine Tochter eines Tages verängstigt vor ihr stand und sagte,
sie wolle keine Jüdin mehr sein, war Brenner geschockt. Ihren Glauben
hat die Bedrohung nicht erschüttert. Geschwunden ist aber die
Gewissheit, dass Deutschland auch in zehn Jahren noch ihre Heimat sein
kann.
erarbeitet von Sauerer, Manfred
Artikel Sep 08, 2000
MDV-GruppeRegensburg
haGalil onLine
10-09-2000
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