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Hump-Dump Goes South

From: livia pesci
ulthar@metacrawler.com

(Quelle: La Repubblica, 9.8.2000)

Kaum wird ein echter Künstler geboren, so findet er auch Epigonen:

Vom neu ernannten Chef des Tg1 (RAI-Nachrichtensendung), dem angesehenen Journalisten Gad Lerner, sagte Lega Nord-Abgeordneter Cesare Rizzi bei einer Ansprache anlässlich einer Festveranstaltung
seiner Partei: "Wenn ich den sehe, verstehe ich Hitler". Lerner ist nämlich "jüdischer Abstammung".
Verlegenes Schweigen im Auditorium.
Rizzi fährt fort, er hätte es auch Lerner persönlich gesagt, als er ihm im Parlamentsgebäude in Rom begegnet sei, dass er bei seinem Anblick ein gewisses Verständnis für Hitler empfinde.
Immer verlegener und immer schweigender das Auditorium. Am darauf folgenden Tag bestätigt und wiederholt Rizzi seinen antisemitischen Sager in einem Zeitungsinterview.
,Nicht einmal die waschechtesten und hartgesottensten Lega-Fans, also diejenigen, die Migranten und Süditaliener hassen und Haider lieben', schreibt La Repubblica, ,haben diesen Satz besonders goutiert'.
Auch Legachef Bossi is not amused. Rizzi sei eben ein schlichtes Gemüt und ein Choleriker, entschuldigt er den Parteifreund nach außen hin. Aber jeder weiß: Bossi hat in letzter Zeit Dutzende
Legafunktionäre wegen ähnlicher Sager abgesetzt. Wird Cesare Rizzi der nächste sein?
Da kommt dem potentiellen Säuberungsopfer der rettende Gedanke. Er entsinnt sich der von diesem viennese, na wie heißt er noch... come si chiamava quello là a Vienna... ah sì, ecco: 'Ilmarr Kabas,
neu erschaffenen Kunst des intelligenten Rückziehers:
"Die Lautsprecheranlage war defekt. Die Hälfte meines Satzes war nicht zu hören und die Journalisten haben wie immer alles verdreht. In Wirklichkeit habe ich gesagt, wenn ich Lerners Tg1 sehe, weiß ich,
wie TV-Nachrichten unter Hitler und Mussolini gewesen wären: nämlich genauso voll des Lobes für das Regime, verleumderisch und ignorant gegenüber der Opposition".
Uff, das war knapp. Aber Cesare Rizzi hat's geschafft. Er kann bleiben.
Ende gut alles gut. Mir wird schlecht.

 

"Das System gleicht einer Wanderdüne"

In Berlin hat Justizministerin Däubler-Gmelin Experten aus Politik, Justiz und Medien zur zweitägigen Tagung "Hass im Internet" zusammengetrommelt. Kriminologe Bernd Wagner kämpft seit Jahren gegen rechte Parolen im Netz

Bernd Wagner, Diplomkriminalist, beobachtet seit 1987 die ostdeutsche Neonazi-Szene. Der 44-Jährige war Leiter des Staatsschutzes der letzten DDR-Regierung. Heute führt er das Berliner "Zentrum Demokratische Kultur" und wertet rechte Websites aus.

taz: Auf rechtsextremen Seiten wird heute offen zu Mord aufgerufen. Hat der Rechtsextremismus durch das Internet eine neue Qualität erfahren?

Bernd Wagner: Durchs Internet sind Leute mit rechtsextremen Inhalten vertraut, die vorher keinen Zugang zum Milieu oder Berührungsängste hatten. Da ist unzweifelhaft ein anderer Verbreitungsfaktor gegeben. Ob der Aufrufe fühlen sich Leute zu Gewalttaten ermutigt, ohne dass Außenstehende einen Zusammenhang zu den Internet-Seiten vermuten würden.

Nutzen rechte Kader das Netz denn zunehmend zur Mobilisierung ihrer Fußtruppen?

Das Internet bietet gewisse Vorteile: Der Koordinierungsaufwand ist relativ gering, dennoch ist es sehr effizient. Auf Seiten der NPD gab es Mobilisierungsversuche, etwa zum "Tag des Nationalen Widerstandes" in Passau. Ich sehe da momentan keine organisationsübergreifende strategische Bündelung, höchstens punktuell.

Besteht ein Zusammenhang zwischen rechten Internet-Aktivitäten und dem Wandel der Szene, die versucht, durch lose Strukturen Verboten zu entgehen?

Ich würde keinen direkten Zusammenhang zu den Verboten sehen. Die Rechtsextremisten schauen seit Jahren auf die neuen Medien. Lange vor allen anderen Gruppen waren sie im Internet präsent. Auch bei den Vorläufern, den Mailboxen, waren sie am Ball. Kenner der Szene haben das früh gesehen.

Warum haben Politik und Justiz nicht früher reagiert?

Die haben einfach nicht die Kapazitäten entwickelt. Zudem gleicht das System einer Wanderdüne: Seiten werden herausgenommen, andere kommen hinzu. Die Urheber sind meist Einzelpersonen, aber auch Organisationen wie die NPD. Da ist viel Wildwuchs, trotz ideologischer Eindeutigkeit. Wenn die Inhalte in Deutschland eingestellt wurden, sind sie in der Regel strafrechtlich clean, gerade bei der NPD. Anders ist es, wenn die Urheber ins Ausland gehen.

Was halten Sie von einem Verhaltenskodex für Anbieter?

Eine Selbstverpflichtung könnte einerseits beinhalten, keine rechten Seiten ins Internet zu stellen. Andererseits könnten die Provider eine Kontrolle ausüben und Kunden auffordern, solche Seiten herauszunehmen. Für die Provider ist das natürlich eine ökonomische Größe. Man muss sie immer wieder darauf hinweisen, dass sie als Firmen Verantwortung tragen. Ich würde auf Freiwilligkeit setzen. Eine Zensur sollte es nicht geben.

Es muss doch eine Handhabe gegen rassistische Parolen im Netz geben? Wie lässt sich der Spagat zwischen Schutz und Zensur bewerkstelligen?

Das Problem lässt sich nicht ordnungspolitisch lösen. Hier muss auf breiter öffentlicher Basis Ideologiekritik geübt werden. Da fehlt es aus meiner Sicht. Was nützt es, wenn man allein Internet-Providern hinterhereilt und sich nicht mit der völkischen Ideologie auseinandersetzt.

Interview: NICOLE MASCHLER

taz Nr. 6177 vom 27.6.2000 Seite 6 Inland 106 Zeilen
Interview NICOLE MASCHLER

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So billig ist das alles nicht zu haben

betr.: "Internet macht Nazis sichtbar", "Die Justizministerin hat sich totgelacht", taz vom 12./13. 8. 00

[...] Es stimmt nicht, dass auf deutschen Servern keine Neonazi-Seiten mit strafbaren Inhalten abgelegt werden. Dies wird immer wieder versucht. Auch Server, die im Ausland liegen, aber deutsche Zweigstellen haben, können rechtlich belangt werden. Was nizkor macht, nämlich rechte Seiten aufzulisten, ist ein guter Anfang, greift aber zu kurz.

Die wesentliche Auseinandersetzung muss auf inhaltlicher Ebene stattfinden. Jugendliche geraten doch an diese Inhalte, wenn sie bestimmte Begriffe in die Suchmaschine eingeben und diese dann von Rechtsextremen "besetzt" sind. Wie eine wirksame Gegenstrategie aussehen kann, zeigt bestens haGalil online www.hagalil.com. Wer heute "Juden" in eine Suchmaschine eingibt, landet - im Gegensatz zu vor fünf Jahren - eben nicht mehr auf Neonazi-Seiten. Diese sind inzwischen auf Platz dreihundertnochwas nach unten verdrängt. Das stinkt den Neonazis ganz gehörig. Es ist nicht umsonst, dass diese den Zentralrat als Volksfeind Nummer eins benennen und die Macher von haGalil als Volksfeind Nummer zwei. Nur werden derartige Aktivitäten vom Establishment kaum wahrgenommen und unterstützt - auch nicht finanziell. Gestern las ich im ND, dass für den Kampf gegen rechts von der Bundesregierung keine finanziellen Mittel freigegeben werden, allenfalls einige Akzente gesetzt werden. So billig ist das alles nicht zu haben.

Es reicht auch nicht - wie vielfach angenommen wird - ein paar gut gestaltete Infoseiten ins Netz zu stellen, sondern es ist wichtig, eine gute Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen (E-Mails beantworten, Diskussionsforen, Chats etc.)

Ich weiß nun wirklich nicht, was Frau Däubler-Gmelin so sehr freut, weil der Charakter der meisten dieser gut gemeinten Initiativen zu kurz greift und oft nur Alibicharakter hat. Warum wird jetzt auf einmal von der CDU oder auch anderen Institutionen so getan, als ob das Einrichten von Meldeformularen für rechte Seiten etwas ganz Neues und das Ei des Kolumbus wäre? Eine solche Meldeseite gibt es seit zirka drei Jahren schon bei haGalil online www.hagalil.com

Auf welchem Niveau läuft eigentlich die Auseinandersetzung, wenn berichtet wird, die Justizministerin habe sich über www.nsdap.de totgelacht, weil dort steht "Sie verlassen jetzt den Bereich des Internet". Weder der Betreiber dieser Seite noch die Justizministerin und der sich mitfreuende Redakteur scheinen erfasst zu haben, worum es eigentlich geht. Das Ganze ist doch höchst peinlich und lässt einen fragen, wie wir zu einer solchen Justizministerin kommen.

Ja, was soll nun mit den Domainnamen passieren, die bereits vergeben sind: Man erstellt ein ausgedehntes und qualitativ hochwertiges Informationsangebot und verdrängt damit diese anderen Angebote auf die unteren Ränge. Das ist aber nicht umsonst und nebenbei womöglich von engagierten Schülerzeitungsredakteuren zu bewerkstelligen, sondern braucht die Koordination und das fachliche Know-how aus unterschiedlichen Disziplinen. IRIS WEISS

taz Nr. 6221 vom 17.8.2000 Seite 12 Meinung und Diskussion 54 Zeilen
LeserInnenbrief

 

"Die Justizministerin hat sich totgelacht"

Zur Freude von Herta Däubler-Gmelin entsteht eine Initiative nach der anderen, um Rechtsextremismus im Internet intensiver zu bekämpfen. Das Engagement ist da, doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Und es fehlt an Koordination

BERLIN taz Pressesprecher Klaus Herzig ringt sich eine Erkärung ab. Diese: "Bei durchschnittlich vier neuen Registrierungen in der Minute ist eine Überprüfung jedes Domainnamens einfach nicht möglich." Sein Arbeitgeber, das Deutsche Network Information Center (Denic) ist die zentrale Registrierungsstelle für Domainnamen im Internet und verteilt das Kürzel ".de".

Am 3. August war die Domain www.heil-hitler.de registriert worden und hat seitdem für reichlich Aufregung gesorgt. Mitlerweile ist die Domain gelöscht und Denic selbst als Inhaber der Seite eingetragen.

Seit Montag entstehen diverse Initativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, rechtsradikalen Domains den Garaus zu machen. Es fehlt allerdings an Koordination. Keiner der Beteiligten scheint genau zu wissen, welcher Initative er sich anschließen soll. Das Denic hält an der Idee fest, Domainnamen wie "heil-hitler.de" zu besetzen und auf den entsprechenden Seiten ein aufklärerisches Angebot gegen Rechtsextremismus zu gestalten. Herzig: "Wir sind im Kontakt mit dem Justizmisterium und haben für die kommende Woche ein Treffen geplant, um unser weiteres Vorgehen zu besprechen." Das Ministerium wiederum sieht sich als "Management, das die verschiedenen Teilnehmer an der Initative an einen Tisch bringen will", wie Pressesprecher Christian Arns sagt.

Am Donnerstag hat nun auch die Strato AG, Europas größter Domain-Hoster, eine "Initative gegen Mißbrauch im Internet" ins Leben gerufen, an der sich mittlerweile auch Pro 7 und n-tv beteiligen. "Ich denke schon, dass wir mit der Initative die Ersten waren. Mit Unterstützung des Zentralrates der Juden in Deutschland wollen wir braune Umtriebe im Netz verhindern", sagt Strato-Sprecher Sören Hinze. Hier denkt man ebenfalls darüber nach, auf Seiten mit einschlägigen Domainnamen aufklärerische Programme zu erstellen.

Die Idee dazu ist allerdings nicht neu. Schon vor über einem Jahr hat sich das Braunschweiger Unternehmen Gerebydesign den Domainnamen "nsdap.de" gesichert. Jetzt heißt es unter der Adresse: "Achtung, Sie verlassen den Bereich des Internets. Hier ist kein Weiterklicken mehr möglich." - "Die Justizministerin hat sich totgelacht, als sie die Seite gesehen hat", sagt Arns. Vor Begeisterung, versteht sich. "Das ist genau die Art von Engagement, die wir brauchen. Wir müssen zeigen, dass sich die Gesellschaft gegen diejenigen stellt, die Hass säen wollen."

Klingt toll, aber so einfach ist das trotzdem nicht. Das Hauptproblem der Inititativen ist: Was soll mit Domainnamen passieren, die bereits vergeben sind?

So sind beispielsweise die Domains "heinrich-himmler.de" und "rudolf-hess.de" im Besitz von Reinhard Wnendt. Die Seiten sind bisher ohne Inhalt. Es käme aber für manche überraschend, wenn unter "himmler.de" wissenschaftliche Abhandlungen zum Thema veröffentlicht werden sollten. Wnendt ist als ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der "Republikaner" in NRW auch dem Verfassungsschutz bekannt. PHILIPP DUDEK

taz Nr. 6217 vom 12.8.2000 Seite 4 Themen des Tages 103 Zeilen
TAZ-Bericht PHILIPP DUDEK

Mit der Ministerin im Internet

Wie die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin über das Internet mit Chattern über Rechtsextremismus diskutierte

BERLIN taz Energisch klackern ihre Finger über die Tastatur, rattern los, schnell, immer schneller: "Mit Tippen habe ich mein Studium finanziert." Konzentrationsfalten auf der Justizministerinnen-Stirn. Punkt, Enter, und schon flimmert auf dem Bildschirm eine neue Frage.

Dienstagabend-Chat im Berliner Willy-Brandt-Haus mit Herta Däubler-Gmelin. 300 Netfreaks und Diskussionswillige haben sich eingelockt, rund 20 tippen los beim virtuellen Tête-à-tête mit der SPD-Politikerin. Im Pool: zum Beispiel ein frustrierter Ossi. "Den Ostdeutschen ist nach 10 Jahren Wiedervereinigung endlich klar, dass sie nur formal geduldet werden." Ein unterdrückter Ehemann: "Wer kümmert sich um die Rechte misshandelter Männer? In meiner letzten Ehe wurde ich geprügelt." Und ein buchstabenkürzelbewehrter Net-Experte: "Kennen Sie TDG und MDStV?"

Ein Großaufgebot der Medien ist da. Sommerloch, da kommt die Ministerin gerade recht. Däubler-Gmelin lehnt sich zurück, wenn mal wieder alle Chatter am Bildschirm ohne sie streiten - "Soll ich euch eine Weile zusehen oder habt ihr noch Fragen?". Wehrt grinsend Provokationen ab: "Das ist zwar eine kesse Behauptung, dass die Regierung erst seit einer Woche die Rechten ernst nimmt, aber ganz eindeutig falsch, nicht?" Tippt munter los, um ihre Herkunft zu klären: "Ich bin in Pressburg geboren. Als Kriegskind war das nicht so unüblich."

Und wird dann doch ganz ernst, schaut gemessen auf den Monitor, wenn hinter den virtuellen Fragen echte Besorgnis spürbar wird: ob man denn überhaupt etwas gegen die Rechten tun könne, "denn Zivilcourage lässt sich nicht verordnen", so Chatter Felix. Ein Verbot der NPD, wie ihn der bayerische Innenminister Günther Beckstein von der CSU verlangt hat, kann sich die Ministerin vorstellen. Das sei wenigstens ein Teilschritt, schreibt Däubler-Gmelin zurück. "Wenn irgend möglich, werden wir das durchsetzen."

Deshalb sei es wichtig, dass zügig alle Informationen aus den Ländern zusammengetragen werden. Erst dann könne man prüfen, ob ein Verbot Chancen habe.

Von Brachial-Gerichtsbarkeit hält die Juristin indes wenig: Ob denn Schnellgerichte sinnvoll seien, die rechte Straftäter flugs abhandeln, will etwa ein Chatter wissen. "Das ist nicht rechtsstaatlich", schreibt Däubler-Gmelin. Aktiv werden müsse man aber da, wo noch keine rechtlichen Mittel existieren. Ihre zentrale Message nicht nur auf dem Computer-Bildschirm: "Was offline verboten ist, muss auch online verboten werden." Auch wenn es schon in der Europäischen Union schwierig sei, übergreifende Normen gegen braune Netzseiten zu finden. Und erst recht sei es ein Problem, diese Vorgaben dann technisch durchzusetzen. Dafür müsse man sich auch mit Netzbenutzern und Providern zusammensetzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Und das fanden nun wiederum "BurkS", "-pi-" und andere Chatter so spannend, dass sie noch in ihrem eigenen Chatroom die Tasten fleckig tippten, als der Ministerinnen-Computer schon längst abgeschaltet war. COSIMA SCHMITT

taz Nr. 6215 vom 10.8.2000 Seite 6 Inland 105 Zeilen
TAZ-Bericht COSIMA SCHMITT

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"Die Regierungen stehen unter Druck"

Herta Däubler-Gmelin fordert weltweite Strafbestimmungen gegen Rassismus und Hetzpropaganda im Internet

taz: Hetzpropaganda und Rassismus im Internet werden vom deutschen Verfassungsschutz schon länger beobachtet. Nun haben Sie mit dem Simon-Wiesenthal-Zentrum und der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Konferenz darüber abgehalten. Welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesministerin der Justiz dabei gewonnen?

Herta Däubler-Gmelin: Die wirklich neue Erkenntnis für mich ist, dass wir bei der Wirtschaft noch sehr dafür werben müssen, dass sie sich diesen gemeinsamen Schritten anschließt. Aber das werden wir tun. Neu war für mich auch, dass dazu eine Menge an Bereitschaft besteht.

Das Abschlussdokument der Konferenz fordert einen "globalen Wertekonsens" und einen internationalen "Mindestbestand an Strafbestimmungen". Nun bestehen aber amerikanische Firmen darauf, dass auch das, was in den USA unter dem Begriff hate speach zusammengefasst wird, zur Meinungsfreiheit gehört, wie sie im First Amendment der amerikanischen Verfassung definiert ist. Sie sehen nicht ein, warum gerade dies besonders ehrwürdige Bürgerrecht beschränkt werden soll. Was spricht dagegen, im globalen Internet das First Amendment gelten zu lassen?

Das ist eine Kultur, die sehr viel Wert auf rein individuelle Standards legt, die aber auf der anderen Seite eher in Kauf nimmt, dass der Jugendschutz unterlaufen werden kann, die in Kauf nimmt, dass Hassverbrechen geschehen und Appelle an fanatische Einzeltäter verbreitet werden. Die Frage, ob die Abgrenzung der Freiheit des Einzelnen von der Verantwortung der Gesellschaft oder auch von der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in den USA besser gelöst ist als in den europäischen Rechtssystemen, ist nicht nur eine philosophische, sondern auch eine ganz praktische Frage. Ich denke, dass wir mit unserem System eine Menge gute Erfahrungen gemacht haben.

Die Konferenz hat gezeigt, dass ein Konsens auch in den rechtlichen Grundfragen nur als Kompromiss vorstellbar ist. Können Sie skizzieren, wie ein solcher Kompromiss aussehen sollte, wenn wir das First Amendment nicht hinnehmen?

Nein. Der Sinn der Gespräche, die jetzt beginnen, besteht darin, dass man nicht mit dem Ergebnis in die Konferenzen hineingehen kann. Aber die Methode, die Sie beschreiben, ist völlig richtig. Wir haben unseren Standpunkt, die Amerikaner haben ihren Standpunkt, die Businesswelt hat ihren Standpunkt. Darüber muss jetzt geredet werden.

In der Diskussion haben Sie angekündigt, dass der Staat handeln wird, wenn es auf diesem Wege zu keinem Ergebnis kommt. Wie lange darf der Einigungsprozess denn dauern?

Zunächst ist es mir wichtig, herauszustreichen, dass auch die Industrie und die Provider erkennen müssen, dass die Freiheit des Internets auch bedeutet, dass man nicht jeden Auswuchs zulässt und nicht jede Vorurteilsnische vermarkten darf. Das kann nicht nur die Gesellschaft zerstören, es läuft auch der Freiheit im Internet zuwider. Diese Erkenntnis, die ja bei den Entscheidungsträgern durchaus vorhanden ist, sollte sich nicht nur herumsprechen, sondern muss zum Beispiel schon auf der Konferenz der Internetgesellschaft, die im Juli in Japan stattfindet, eine große Rolle spielen. Wir haben den Gesprächsreigen eröffnet. Ganz bewusst will ich keine weiteren Zeiträume nennen, weil ich auf Kooperation setze.

Was droht der Industrie, wenn dieser Prozess scheitert?

Ich bin nicht gern bereit, über das mögliche Scheitern eines Prozesses nachzudenken, der gerade beginnt. Das beeinträchtigt das Zustandekommen von guten Ergebnissen. Aber man muss natürlich sehen, dass die nationalen Gesetzgeber und Regierungen unter Druck stehen. Sie müssen handeln, und es ist auch ein Teil des Aufeinanderzugehens und der Kooperation, dass man realisiert, dass es so ist.

INTERVIEW: NIKLAUS HABLÜTZEL

taz Nr. 6179 vom 29.6.2000 Seite 15 Internet 128 Zeilen
Interview NIKLAUS HABLÜTZEL

Aktuelle taz-Finanzkrise: Was ist Ihnen

Internationale gegen Rassismus

In der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutierten Vertreter von Regierungen, Wirtschaft und Menschenrechtsorganisationen
über die "Verbreitung von Hass im Internet". Dürfen Bertelsmann und amazon.com Hitlers "Mein Kampf" verkaufen?

von NIKLAUS HABLÜTZEL

Rabbi Abraham Cooper nahm sich eine gute Stunde Zeit, um zu schildern, was da aus dem Internet auf uns hereinbricht. Auf uns alle, nicht nur auf die Juden, Schwarzen, Schwulen, Katholiken, Asiaten, Muslime. Cooper, weltweit anerkannter Vorsprecher für die Rechte der Juden und Dekan am Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, dankte der Friedrich-Ebert-Stiftung und der deutschen Justizministerin für die Einladung und für das besonders offene Ohr, das sie seinem Anliegen schenkten. Auch auf den Festplatten von Bombenlegern und Amokläufern fanden sich Dokumente aus dem Interenet. Das Wiesenthal-Zentrum zählt etwa 2.000 Websites, die Gewalt und Rassimus predigen und damit "Hass verbreiten", wie der Titel der Konferenz lautet, die zum Wochenbeginn sattfand.

Niemand mochte Rabbi Cooper widersprechen. Gewalttäter und Rassisten aller Art nutzen das Internt. Auch ihnen gibt es jene erweiterten Kommunikationsmittel an die Hand, die es zu einer Revolution machen. Die Vorzüge will Cooper nicht leugnen, nur ihren Missbrauch gelte es zu bekämpfen, und zwei Tage lang haben danach Fachleute, Vertreter der Politik und der Industrie versucht, Wege zu finden, dieser Forderung zu entsprechen.

Weil die Frage nicht neu ist, waren in der Sache kaum neue Argumente zu erwarten. Die Konferenz sollte Bilanz ziehen und eine Position formulieren, an der sich insbesondere die deutsche Regierung orientieren kann. Das Ergebnis heißt "Berliner Erklärung" und ist unter www.fes.de/aktuell/berlinererklaerung.html online verfügbar.

Mit gewissem Recht stellte die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin vor der Presse das Papier als Erfolg vor. Es beschreibt das Problem und schließt allein dadurch den Übereifer deutscher Ermittlungsbehörden aus, durch den Deutschland bisher in der Netzwelt vor allem aufgefallen war. Willkürliche Anklagen wie diejenige gegen den ehemaligen CompuServe-Geschäftsführer Felix Somm sind nicht mehr zu erwarten. Der prinzipielle Konflikt zwischen der durch das Internet globalisierten Meinungfreiheit und dem insbesondere aus deutscher Sicht nicht weniger legitimen Wunsch, rassistische Propaganda jeder Art unter Strafe zu stellen, bleibt dennoch bestehen. Das Papier verschweigt ihn nicht. Es verschiebt ihn lediglich auf die Ebene künftiger internationaler Vereinbarungen, für die sich die Bundesregierung nunmehr einsetzen will, statt im Alleingang den Datenverkehr zu beschränken.

Die Schwierigkeiten werden dadurch nicht kleiner. Der XLink-Gründer Michael Rottert und Rober Caillau, Miterfinder des Webs am CERN, erinnerten an die technischen Grundlagen des Netzes, die eine wirksame Kontrolle von Inhalten und Straftätern weitgehend ausschließen, und ausgerechnet Michael Vatis, stellvertretender Direktor beim FBI, erläuterte der Versammlung, was aus Sicht der amerikanischen Regierung das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet. Das FBI könne nur "hate crimes" verfolgen, niemals aber "hate speach", sagte Vatis und riet davon ab, zu glauben, dass die USA jemals auf diese Unterscheidung verzichten werden.

Thomas Middelhoff, Vorstandschef der Bertelsmann AG, hatte die Rolle des Sprechers für die Internetwirtschaft übernommen. Auch er konnte der Konferenz wenig Hoffung machen. Der zu Bertelsmann gehörende Onlinebuchhandel Barnes and Noble wird Hitlers "Mein Kampf" nicht mehr nach Deutschland ausliefern. Dass seine amerikanischen Partner aber damit einverstanden sind, dieses Buch völlig aus dem Katalog zu verbannen, wie von Rabbi Cooper und der Jutizministerin ausdrücklich gefordert, kann er sich so wenig vorstellen wie Bill Curry, der für amazon.com nach Berlin gereist war. Curry brauchte nur zwei Sätze, um seine Position umfassend darzustellen: "Wir verkaufen Bücher. Wir zensieren keine Bücher."

taz Nr. 6179 vom 29.6.2000 Seite 15 Internet 129 Zeilen
TAZ-Bericht NIKLAUS HABLÜTZEL

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Kein Mausklick für Rechte

Justizministerin Däubler-Gmelin, das amerikanische Simon Wiesenthal Center und andere Organisationen fordern eine effektive Abwehr gegen Neonazis im Internet

BERLIN taz Mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung sollen große Computer-Provider dafür sorgen, dass rechtsradikale Anbieter ihre "Hate-Pages" nicht mehr ins Internet stellen können. Dies forderte eine internationale Konferenz, zu der das Simon Wiesenthal Center, die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und das Bundesjustizministerium eingeladen hatten. Die Konferenz verabschiedete gestern eine "Berliner Erklärung" gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Internet. Das Ziel ist ein Kodex über die Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet.

"Wir wollen keine Zensur", betonte Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD). Aber die Freiheit, die das Internet biete, dürfe nicht die Freiheit beinhalten, Hass und Straftaten ungehindert zu verbreiten.

Die Konferenzteilnehmer befürchten, dass vor allem die neonazistische Szene das Internet zunehmend nutzt, um Straftaten vorzubereiten. Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, geht davon aus, dass jede fünfte Internetseite strafbare Inhalte transportiert. Die Zahl der rechten Anbieter im deutschen Netz steige wöchentlich. Ende vergangenen Jahres zählte Fromms Amt 300 Webseiten, bis Ende dieses Jahres sollen es etwa 900 sein. In Nordamerika tauchte vor fünf Jahren die erste Neonazi-Homepage auf, mittlerweile sind es 2.000, ermittelte das Simon Wiesenthal Center.

Doch wie es konkret gelingen soll, die Rechten aus dem weit verzweigten internationalen Netz zu vertreiben, wusste auf der Tagung niemand zu sagen. Die US-amerikanische Justizministerin, obgleich eingeladen, zeigte kein Interesse am Thema.

Die Freiheit der Meinungsäußerung scheint in den USA nahezu heilig. Zudem blockieren viele Internetfirmen jeden Versuch, neonazistischen Anbietern auf die Pelle zu rücken. Darum verspricht sich das Simon Wiesenthal Center viel von dem Bündnis, das es nun mit der deutschen Justizministerin eingegangen ist.

Rabbi Cooper versteht die "Berliner Erklärung" als eine Art "Weckruf" sowohl an die Clinton-Regierung als auch an die amerikanischen Internetfirmen dafür zu sorgen, dass das Internet "ein demokratischer Spielplatz für unsere Kinder bleiben kann".

ANNETTE ROGALLA

Mehr zum Thema "Hass im Netz" am Donnerstag auf der taz-Internet-Seite

taz Nr. 6178 vom 28.6.2000 Seite 2 Aktuelles 78 Zeilen
TAZ-Bericht ANNETTE ROGALLA

DEUTSCHE WELLE / 28.06.2000

Hass im Internet, Nazis rüsten auf

    «Verbreitung von Hass im Internet» war das Thema einer zweitägigen internationalen Konferenz in Berlin mit dem Ziel den wachsenden Rechtsextremismus und Rassenhass im Internet zu bekämpfen. In einer gemeinsamen Erklärung wurde die Forderung nach einem weltweiten Wertekonsens und einem internationalen Mindestbestand an Strafbestimmungen proklamiert.

    Rechtsextremisten missbrauchen immer mehr das Internet für ihre Propaganda. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl der einschlägigen Homepages nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nahezu verdreifacht.

    Diese erste Internet-Konferenz war gemeinsam vom Bundesjustizministerium, von der jüdischen Menschenrechtsorganisation Simon Wiesenthal Center (Los Angeles) und von der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung veranstaltet worden. Teilnehmer waren Vertreter verschiedener Länder, auch Regierungsmitglieder.

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