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"Im Schatten der Vergangenheit"
heißt eine Vortragsreihe im Jüdischen Museum Hohenems über
historische und aktuelle Hintergründe von Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus, Rechtsextremismus und Nationalismus, die im Frühjahr
begonnen hat und jetzt im Herbst fortgesetzt wird. Experten werden
die psychologischen Aspekte des Rechtsextremismus und sein
destruktives Potential durchleuchten.
Möglicherweise vor Gericht wird ein ganz anderer Schatten, der über der
international anerkannten Einrichtung hängt, zu klären sein: die vorzeitige
Kündigung des Leiters Dr. Thomas Krapf. Das derzeitige Dilemma birgt aber auch
positive Zukunftsperspektiven in sich.
Wenn es nach den Vorstellungen des Vorstandes des Vereins Jüdisches Museum
Hohenems und nach jenen der Stadt, die als Arbeitgeber der im Museum
beschäftigten Dienstnehmer fungiert, geht, wird Dr. Thomas Krapf Ende September
seinen Schreibtisch räumen müssen. Der Vereinsvorstand hat Anfang Juli
einstimmig beschlossen, die Stadt um Auflösung des vor eineinhalb Jahren
geschlossenen Dienstvertrages zu ersuchen.
Im Jänner 1999 übernahm Thomas Krapf die Leitung des Jüdischen Museums Hohenems,
damals von der Personalfindungskommission einhellig vorgeschlagen. Er fand das
Haus, das es unter der Leitung von Eva Grabherr zu einem beachtlichen
internationalen Renommee und einer festen Verankerung im Bewusstsein der
Vorarlberger Bevölkerung gebracht hatte, in einigermaßen geordneten
Verhältnissen vor, wenn auch die Grabherr-Nachfolgerin Esther Haber, die die
Museumsleitung nur kurze Zeit innehatte, nicht besonders glücklich agierte. Aber
das Team allen voran Johannes Inama und der Museumspädagoge Bruno Winkler, und
der Vereinsvorstand unter Altbürgermeister Otto Amann waren hochmotiviert.
Allerdings war klar, dass man nach den arbeitsintensiven Anfangsjahren nun nach
neuen, dauerhaften Strukturen suchen musste, und dabei hat sich Thomas Krapf, so
der einhellige Tenor, quergelegt.
Daher wurde der Basler Organisationsentwickler und Museologe Samy Bill
engagiert, der die Neuorganisation des Jüdischen Museum Hohenems unter
Einbeziehung aller Beteiligten vorantreiben hätte sollen. Unter den gegebenen
Voraussetzungen ein schwieriges Unterfangen, so Bill: "Sobald sich die
Diskussion um die Stelle von Herrn Krapf gedreht hat, hat er die Diskussion
verweigert. Das hat ziemlich viel Kraft gekostet."
Aber auch das innerbetriebliche Klima schien sich dem Gefrierpunkt zu nähern.
Inama und Winkler kündigten. Krapfs Fähigkeiten zu kommunizieren und zu
motivieren dürften eher nicht zu seinen absoluten Stärken zählen, in Anbetracht
der Schilderungen von Johannes Inama: "Das Klima im Haus war die letzten Monate
schon sehr gedrückt, und die Motivation der gesamten Mitarbeiter, intern wie
extern, hat sehr gelitten."
Mit dem Hohenemser Bürgermeister Christian Niederstetter ist Museumsleiter
Thomas Krapf bereits letzten Herbst in den Ring gestiegen. Entzündet hatte sich
der Streit an einem Brief des Stadtoberhaupts an den Museumsleiter, in dem er
diesem mitteilte, dass er Ausstellungen wie "Ecclesia et Synagoga", in der es um
die katholischen Wurzeln des Antisemitismus ginge, künftig nicht mehr in der
Stadt haben wolle, und man sich gefälligst auf die Aufarbeitung regionaler
Themen zu beschränken habe. Vor allem die folgende Äußerung brachte
Niederstetter heftige mediale Kritik ein: "Ich hege gerade in dieser Zeit große
Befürchtungen, dass - durch die derzeitige Entwicklung jüdischer Forderungen auf
der ganzen Welt - es unter der derzeitigen Richtungsvorgabe des Jüdischen
Museums hier in Hohenems zu großen Problemen kommen kann. Ich will nicht, dass
Hohenems ein Streitplatz jüdischer Belange bzw. überhaupt keiner Glaubens- oder
Kulturvereinigung, Organisation usw. ist." Auch Krapfs Bemühungen, die viel
diskutierte Wehrmachts-Ausstellung nach Hohenems zu bringen, stieß im Rathaus
auf keinerlei Sympathien. In diesen Konfliktsituationen konnte sich Thomas Krapf
auf die breite Unterstützung der kritischen Intellektuellen im Land verlassen,
und nicht wenige hielten die Kündigung des Museumsleiters im ersten Schock für
eine Retourkutsche Niederstetters, was dieser heftig dementiert.
Übergangsweise wird das Jüdische Museum Hohenems nun vom Vorstand geleitet und
nach außen repräsentiert, Johannes Inama koordiniert die innerbetrieblichen
Vorgänge. Für 2001 stehen nun die Programmschwerpunkte fest: Im Frühjahr wird
die Ausstellungsreihe "Familiengeschichten" starten, den Anfang macht
voraussichtlich die Geschichte der Familie Rosenthal.
haGalil onLine
22-09-2000
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