„Silhouette von Schanghai“ in einem Holzschnitt
von David Ludwig Bloch aus den 40er Jahren.
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MÜNCHEN/FLOSS. „Das Bild habe ich um die ganze Welt herumgeschleppt. Das war
meine liebe Heimat - Floß - wo ich geboren wurde. Mein Vater war hier
geboren, mein Großvater und meine Großmutter. Sie sind alle dort geboren.“ Als
21-jähriger hat der Künstler David Ludwig Bloch die Erinnerung an seine damalige
Heimatstadt im Bild festgehalten.
Liebevoll erzählt er von den Eltern, Verwandten und Bekannten, die in Floß bei
Neustadt an der Waldnaab auf dem Judenberg beheimatet waren. Er schildert die
über 300 Jahre alte Synagoge, einzelne Häuser auf dem Berg, die Berufe
verschiedener jüdischer Familien. Am Schluss aber steht der Satz: „„Und heute
sind alle nicht mehr da. Sind alle umgekommen, unterwegs gestorben,
ausgewandert.“
Das
Jüdische Museum in München hat diesem Künstler eine Retrospektivausstellung
gewidmet. Titel: „München, Schanghai, New York“.
Härten
zeigte Blochs Leben schon früh. Mit einem Jahr erkrankte er an einer
Hirnhautentzündung und verlor deswegen das Gehör. In der selben Zeit starben
Mutter und Vater. Der Junge wuchs bei der Großmutter in Floß auf. Er ging in
Spezialschulen in München und Jena, lernte Prozellanmaler, arbeitete in seinem
Beruf als Mustermaler und kam aufgrund seiner hohen gestalterischen Begabung auf
die Staatsschule für angewandte Kunst in München.
Schon
damals beteiligte er sich an Ausstellungen des „Jüdischen Kulturbundes Bayern“.
Doch eben weil er Jude war, bekam er keine finanzielle Unterstützung und musste
das Studium schon nach recht kurzer Zeit abbrechen. Er arbeitete daraufhin als
Werbegraphiker und Dekorateur für zwei Kaufhäuser in Straubing. Doch auch das
fand ein jähes Ende, wieder durchkreuzte der systematisierte Antisemitismus
seinen Lebensweg. „Das Ausscheiden aus unserem Betrieb erfolgte im Zuge der
Arisierung“, so ist in einem Firmenschreiben von 1938 zu lesen.
Bloch
studierte noch einmal kurz Kunst, doch schon nach wenigen Tagen bekam er als
Jude das Verbot, die Akademie zu betreten. In der Nacht zum 10. November, der
sogenannten „Reichskristallnacht“, wurde er mit über zehntausend anderen
jüdischen Bürgern ins KZ Dachau verschleppt. Dort blieb er bis Mitte Dezember
interniert. Danach arbeitete er noch gelegentlich bei einem Münchner
Malermeister, Leidensgenosse aus der Dachauer Zeit, der 1940 im KZ Sachsenhausen
ermordet wurde.
Am 3.
April 1940 fuhr der eben noch Davongekommene ab Venedig mit der „MS Conte Rosso“
nach Schanghai, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einer der letzten Orte, die
jüdischen Flüchtlingen aus Europa Zuflucht gewährten.
Die
Ausstellung beginnt nicht erst mit Blochs Leben in München. Sensibel zeigt sie
auch seine Heimat auf, das Örtchen Floß, Fotos seiner Eltern und Werke, die er
über Floß geschaffen hat. Zum Beispiel im Jahr 1932 einen Linoldruck über den
Markbrunnen in Floß. Im Schnee liegt das Städtchen da, Frieden ausstrahlend.
Oder
sein Aquarell des jüdischen Friedhofs in Floß (1938). Dieser Platz hat für den
Künstler bis heute viel Bedeutung, denn er ist die Begräbnisstätte vieler
Angehörigen.
Ein
mitfühlender Mensch
Dann
gibt es eine Zäsur im Leben und im Arbeiten. Bloch dokumentiert in Bildern die
Schiffsreise in die Emigration. Trotz des wirtschaftlich harten Loses in dem
fremden Land arbeitet er unermüdlich künstlerisch weiter. Er bildete die
Rikschakulis ab, die Bettler und die Kinder der Armen. Dies sind vor allem
kleinformatige Holzschnitte. Daneben entstanden Aquarelle mit Motiven aus dem
städtischen Alltag Shanghais, die bald in Ausstellungen gezeigt wurden. Im Jahr
1943 schreibt ein Kritiker über Bloch: „Er sieht nicht nur mit den Augen des
Künstlers, sondern als mitfühlender Mensch, dem seine Kunst Verpflichtung
auferlegt.“
Begegnungen
in Floß
Von
Schanghai führte der Weg den Künstler weiter nach Amerika, wo er in der Nähe von
New York 26 Jahre lang als Kunstlithograph in einer großen graphischen Druckerei
arbeitete.
Im Jahr
1976 besucht er das erstemal wieder Deutschland, er fuhr zur KZ-Gedenkstätte
Dachau und in seine Heimatstadt Floß. „Ich habe ein paar Freunde getroffen. Sie
waren verlegen, haben sich geschämt, nicht den Mut gehabt zu sagen, dass sie
meine Freunde sind. Ich habe gedacht, ich bin nicht so kleinlich und bin
tolerant. Wir haben uns wieder zusammengesetzt und unterhalten.“
Diese
Reise führte ihn zu einer dritten Phase seines künstlerischen Arbeitens. Sein
Alterswerk zeigt, wie das totalitäre Naziregime die Verfolgten aller Qual und
Todesnot auslieferte. Die Bilder sind Fazits, die ein reifer Mensch zieht. „The
four stages“ (Acryl 1977) zum Beispiel: Es zeigt die Veränderungen eines
Gesichts durch die Schrecken der Nazihorden, im Hintergrund der zunehmend
erstarrenden Mimik von vier Porträts marschierende Stiefel, Szenen der
Bücherverbrennung, KZ-Häftlinge und am Schluss Skelette.
Oder
das persönlichste seiner Holocaust-Bilder: „Knock at midnight“ (Acryl 1977). Der
gespenstische Blick in einen Hausflur, in dem SS-Männer Zivilisten aus ihrer
Wohnung abführen. Hinter diesem Bild steht Blochs Erleben der „Kristallnacht“.
Er selber sagt: „Meine Bilder zum Holocaust sind Symbolik, sie sollen sprechen,
mahnen: Nie wieder.“
Bis 14.
Dezember im Jüdischen Museum München, Reichenbachstraße 27 (Rückgebäude).
Geöffnet Dienstag bis Donnerstag 14 bis 18 Uhr, Mittwoch zusätzlich 9 bis 12
Uhr.
erarbeitet
von Kelber, Ulrich
Artikel Sep 08, 2000
MDV-GruppeRegensburg
Holzschnitte Shanghai 1940-1949
Preis: DM
65,00
EUR 33,23
Weiteres zur Ausstellung:
David Ludwig Bloch in München
munich-info.de
glvmu.de
taubenschlag.de
steyler.de/china-zentrum
kunst-und-kultur.de
haGalil onLine
10-09-2000
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