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"Man muss jetzt mehr wagen"

Der Gesandte Israels in Berlin, Mordechay Lewy, fordert 
im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung größeren Mut 
im Kampf gegen Rechts und eine stärkere Beteiligung der 
EU am Nahost-Friedensprozess

Interview: Stefan Kornelius

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SZ: Israel verstärkt den Druck auf die Palästinenser und dringt auf mehr Beweglichkeit Arafats im Friedensprozess. Ist ein Abschluss im Herbst noch realistisch?

Lewy: Der Friedensprozess ist in die Schlussphase geraten. Wir haben das Gefühl, dass die Gegenseite Schwierigkeiten hat, die nötigen Beschlüsse zu fassen.

SZ: Aber die Probleme sind noch gigantisch. Der Status von Jerusalem ist ungeklärt, ebenso das Schicksal der Flüchtlinge.

Lewy: Beide Punkte sind kritisch, und in beiden Feldern stehen die Palästinenser unter Bewegungszwang. Am Problem Jerusalem hat sich gezeigt, dass Arafat in einer Zwickmühle steckt: Er will einerseits als Retter Jerusalems für die islamische Welt in die Geschichte eingehen. Andererseits will er den Friedensschluss, der allerdings nur im Kompromiss zu erreichen sein wird. Für diese zweite Rolle erhält er nur wenig Rückhalt. Seine Position ist unrealistisch.

SZ: Neben Jerusalem liegt das Problem in der Rückführung der Flüchtlinge. Hat sich die israelische Position seit Camp David geändert?

Lewy: Wir werden nach wie vor den Palästinensern zugestehen, dass sie in ihrem möglichen Staat Flüchtlinge aufnehmen. Es ist uns auch klar, dass Israel und die internationale Gemeinschaft finanziell helfen müssen. Wir werden es aber mit Sicherheit nicht akzeptieren, wenn das Rückkehrrecht für die Flüchtlinge das Kernland Israels einbezieht. Das wäre gleich einem nationalen Selbstmord.

SZ: Sehen sie Arafat inzwischen als Hindernis auf dem Weg zum Friedensschluss?

Lewy: Es war wirklich unverständlich, wie sich der Friedensnobelpreisträger Arafat nach Camp David als Saladin feiern ließ. In den Augen der Moslems ist Saladin der Bezwinger des ersten Kreuzritterstaats im Königreich Jerusalem. Arafats Verhalten erweckt den Eindruck, als ob er Angst vor einem Friedensschluss hätte – fast schon, als ob er seine Macht ausschließlich aus dem Widerstand gegen den Friedensschluss bezöge.

SZ: Arafat deutet einen Rückzug bei der Ausrufung des Palästinenser-Staates an.

Lewy: Der 13. September ist kein heiliges Datum mehr. Er verliert an Wert. Wir gehen davon aus, dass er das Datum verlegt. Arafat bekam auf seiner Reise um die Welt zu hören, dass er keine einseitigen Schritte vollziehen soll. Das würde verheerende Folgen haben für den Friedensprozess. Auch die Europäer wissen, dass ein einseitiger Schritt fatale Folgen hätte. Diese Haltung ist konstruktiv und hilft den Europäern, eine Rolle zu spielen.

SZ: Die Bedeutung eines kleinen und wirtschaftlich schwachen palästinensischen Staates könnte ohne die Reibung mit Israel sinken.

Lewy: So eine Denkschule wäre bitter – auch für die Palästinenser.

SZ: Sind die Vorschläge des designierten deutschen Botschafters in Israel hilfreich für den Friedensprozess? Rudolf Dreßler hat sehr dezidierte Ideen über die Zukunft Jerusalems entwickelt.

Lewy: Nein, sicherlich nicht. Die Position der Bundesregierung und der Europäer ist, dass sie jede einvernehmliche Lösung für Jerusalem willkommen heißen. Daran sieht man, wie weit man gehen kann.

SZ: Ihre Regierung hat die Äußerungen heftig kritisiert.

Lewy: Sie wurden mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, aber ich möchte das nicht kommentieren – schon aus Kollegialität nicht.

SZ: Welche Rolle können Deutschland oder Europa im Friedensprozess überhaupt spielen? Die USA dominieren die Szene als Patronatsmacht.

Lewy: Das ist kein Patronat. Es ist auch kein pax americana vorgesehen. Die Europäer haben eine Rolle, die nicht nur wirtschaftlicher Natur ist.

SZ: Aber die Europäer saßen in Camp David nicht am Tisch.

Lewy: Es gibt mehr als nur einen Verhandlungstisch. Es gibt informelle Runden, Arbeitsgruppen, flankierende Gespräche. Überall ist politischer Einfluss möglich, er sollte nicht unterschätzt werden.

SZ: Gäbe es einen besonderen deutschen oder europäischen Beitrag, um die Verstockung nach Camp David aufzulösen?

Lewy: Es gibt keine Verstockung. Aber die Europäer wirken durchaus auf die Palästinenser ein, die nötige extra Meile zu gehen. Die Zuversicht steigt in dem Maße, in dem klar wird, welche Folgen es haben wird, wenn das Abkommen nicht zustande kommt. Wir haben eine einmalige Gelegenheit, den Schlussstein zu setzen.

SZ: Welche Form der Anbindung an die EU ist für Israel denkbar?

Lewy: Die Frage muss man abkoppeln von der Entwicklung des Friedensprozesses. Die Bindung an Europa ist nicht nur eine Wertegemeinschaft im geistigen und wirtschaftlichen Sinne, sondern liegt im gegenseitigen politischen Interesse. Nachdem das Assoziierungsabkommen ratifiziert wurde, bieten sich enorme Möglichkeiten. Es wird einige Zeit dauern, bis wir das ausschöpfen können. Auch der nächste Schritt wäre nicht der Antrag auf Mitgliedschaft. Es ist aber durchaus denkbar, dass Israel in weiter Zukunft andere Formen findet, um seine Wertegemeinschaft mit Europa zu vertiefen

SZ: Sie arbeiten nun zum zweiten Mal in führender Rolle als Vertreter ihres Landes in Deutschland. Zuletzt waren sie Anfang der 90er Jahre Generalkonsul in Berlin. Was hat sich verändert?

Lewy: Ganz banale Dinge zunächst. Nach dem Umzug von Bonn nach Berlin müssen wir erst einmal lernen, wie wir unsere Beziehung mit ganz Deutschland von einem neuen Standort pflegen.

SZ: Öffnen sie doch mehr Konsulate.

Lewy: Ich würde es sehr begrüßen, wenn ich am Ende meiner Amtszeit für solche Empfehlungen stehen könnte.

SZ: Spielt Berlin als historisch belastete Stadt eine andere Rolle? Treten Deutschland, die Regierung, die Politik in der Hauptstadt anders auf?

Lewy: Es gibt ein neues Gefühl für Souveränität. Dieses Souveränitätsdenken ist nicht ungesund. Was anderen zugestanden wird, muss auch Deutschland zugestanden werde.

SZ: Die Deutschen tun sich schwer mit der Vorstellung, dass sie nun Interessen verfolgen oder ihren Einfluss offen ausspielen sollen.

Lewy: Natürlich darf man nationale Interessen haben, man muss sie auch artikulieren. Da ist man auf gleicher Augenhöhe, um einen ehrlichen Dialog zu führen – nicht nur mit Israel. Souveränitätsdenken hat übrigens auch mit der Innenpolitik zu tun, wenn die Gesetzgebung nicht voll ausgeschöpft wird auf Grund der verständlichen Traumata der Weimarer und Nazi-Zeit.

SZ: Sie sprechen vom Umgang mit Rechtsextremen und Gewalttätern?

Lewy: Deutschland hat sich geändert. Ich bin kein Jurist, ich bin auch kein Moralist, aber ich glaube, dass in der Bekämpfung des Rechtsextremismus ein Rechtsdenken vorherrscht, Fehler nicht mehr zu begehen, die man in der Weimarer und Nazi-Zeit begangen hat

SZ: Ist das Land zu zögerlich mit Verboten?

Lewy: Das ist keine Sache der Verbote. Das hat mit einem absoluten Toleranzverständnis der Deutschen zu tun. Natürlich wurde dieses Verständnis in den 50-er Jahren von allen erwartet. Nötig wäre also ein gesundes Demokratieverständnis, ohne zu sehr über die Schultern zu gucken, und zu fragen: Was werden die anderen sagen. Souveränität bedeutet auch mehr Selbstsicherheit.

SZ: Gleichwohl bildet das Grundgesetz ein stabiles Gerüst im Nachkriegsdeutschland. Sollte man daran rütteln?

Lewy: Der Engpass liegt doch in der juristischen Bekämpfung des Rechtextremismus. Meine Erfahrung aus den Jahren von 1991 bis 1994 zeigt, dass Kläger bewusst vermieden haben, Urteile einzufordern. Sie haben offenbar das Risiko gescheut, erfolglos zu sein. Man sollte jetzt mehr wagen. Und wenn man scheitert, kann man später immer noch über die Gesetze reden.

SZ: Es wird häufig beklagt, dass das zivilgesellschaftliche Potenzial nicht stark genug ist, dass die Leute wankelmütig seien.

Lewy: Das stille Beklatschen ist kein deutsches Phänomen.

SZ: Und wie kommt man dem bei?

Lewy: Ich kann Ihnen da kein Rezept geben. Es soll keine Verharmlosung sein, aber wenn man sich die Bevölkerung in anderen Ländern anschaut, dann wollen auch die nicht den wirtschaftlichen Kuchen teilen, den sie gebacken haben. Es wäre aber ein Fehler, Rechtsextremismus nur mit wirtschaftlichen Gründen zu erklären. Haider ist nicht durch eine wirtschaftliche Krise bedingt. Kein Mensch kann ernsthaft behaupten, dass ein Ausländer einem Österreicher den Arbeitsplatz wegnimmt. Das ist eher ein verspäteter Tribalismus, wahrscheinlich eine Reaktion auf die Intransparenz der europäischen Einigung. Wenn der Souveränitätsverlust im Alltag zu spüren ist, dann versteht der Bürger nicht, was mit ihm geschieht.

SZ: Hat Extremismus in Deutschland nach wie vor eine andere Qualität als in anderen Ländern?

Lewy: Ja, es wird viel schneller zum Imageproblem. Extremismus in Deutschland wird von außen mit einem Vergrößerungsglas betrachtet. Das kann man beklagen, das kann man befürworten, aber es ist so.

SZ: Historisch bedingt . . .

Lewy: . . . auch Psychologie schafft Fakten. Hier liegt die Schwierigkeit, dieses gesunde Maß an Souveränitätsgefühl zu bekommen.

SZ: Wie beobachtet Israel diesen Zuwachs an Souveränität?

Lewy: Auch da hat sich viel geändert. Nicht, dass es keine Befangenheit gäbe mit Deutschland. Gewisse Kreise werden Sie immer noch finden, die Deutschland nicht bereisen können und keine deutschen Waren kaufen. Die Schwelle der Befangenheit ist aber auch in Deutschland gesunken. Jede Generation stellt die selben Fragen, die ihre Väter gefragt haben. Aber Unbefangenheit wie auch Verständnis füreinander wachsen mit der persönlichen Begegnung..

SZ: Wie verstehen Sie Ihre Rolle in diesem Zusammenhang?

Lewy: Die Deutschen nicht zu entmutigen – und optimistisch zu sein. In Deutschland neigt man zur Nabelschau. Aber manchmal muss man Umschau halten, um die jetzigen Probleme wahrzunehmen und die richtige Antwort zu finden.

Erschienen in der 
Süddeutschen Zeitung
 
vom 23. August 2000

haGalil onLine 28-08-2000

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