Nach neuen brutalen Übergriffen
wächst in Deutschland die Forderung, Rechtsextremismus mit einem
Bündnis aller gesellschaftlichen Kräfte zurückzudrängen.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) versicherte, dass die
Regierung den Kampf gegen den Rechtsextremismus durch bessere
Prävention und Verfolgung der Täter forcieren wolle.
Regierung und Zentralrat der Juden wollen zudem mit prominenten Künstlern und
Sportlern eine Bewegung gegen Fremdenhass und Antisemitismus ins Leben rufen.
Von Seiten der Grünen kam Kritik an der Haltung der SPD und der Regierung, die
bislang zu zögerlich gewesen sei. Grünen-Chefin
Renate Künast warf in der Frankfurter Rundschau dem Koalitionspartner
vor, er zeige «bisweilen im Kampf um die Lufthoheit über den Stammtischen eine
Zurückhaltung, die für die Bundesrepublik schädlich sein wird». Die Politik
müsse zur Kenntnis nehmen, dass rechtsradikale Gruppen längst «terroristische
Ansätze» zeigten.
Ihr Parteikollege Cem Özdemir warf der gesamten Politik massives
Versagen vor. Als «Bürger dieses Landes mit nicht-deutscher Herkunft» finde er
es empörend, dass erst der Druck aus dem Ausland dazu führe, dass die Politik
den Rechtsradikalismus als eines der wichtigsten Probleme Deutschlands erkenne.
Der Staat müsse «klipp und klar» deutlich machen, dass Rechtsradikalismus in
keiner Form geduldet wird. Wenn er etwa sehe, dass sich in
Mecklenburg-Vorpommern Sondereinheiten der Polizei vor einer Überzahl von
Rechtsradikalen hätten zurückziehen müssen, habe er «schlaflose Nächte». Hier
zeige sich keine wehrhafte Demokratie, sondern ein schwacher Staat, über den die
Rechtsradikalen lachten.
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Gottfried Timm (SPD),
beklagt dagegen im Kampf gegen rechte Gewalt Gleichgültigkeit und Hilflosigkeit
in vielen Kommunen. Bei den Bemühungen, kommunale Gebietskörperschaften für das
Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren, komme man «nur schrittweise voran».
Timm sagte, er halte in seinem Land jeden dritten Jugendlichen für den
Rechtsextremismus empfänglich. Der Minister appellierte eindringlich an die
Lehrer, das Problem zu thematisieren.
Bundesinnenminister Schily erklärte, künftig sollen die verschiedenen
Einzelprogramme der Regierung unter Federführung des Innenministeriums gebündelt
werden. Vorbeugende Maßnahmen müssten jedoch vor Ort eingreifen, betonte er. In
diesem Zusammenhang lehnte Grünen-Politiker Özdemir eine so genannte
akzeptierende Jugendarbeit ab. Dies stärke in den neuen Ländern eher die
rechtsextremen Strukturen. Wo «polizeiliche Härte gefragt wäre», habe
«Sozialpädagogisieren bei Rechtsextremen nichts verloren».
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert ein schnelles Umdenken in
Politik, Justiz, Gesellschaft und der Polizei. Es stimme ihn nachdenklich, dass
sich die öffentliche Empörung über den Mord von Neonazis an Bettlern oder
Asylbewerbern in Grenzen halte, während mit Vehemenz gegen ein Verbot
gefährlicher Hunde demonstriert werde», sagte Konrad Freiberg, stellvertretender
Bundesvorsitzender der GdP.
Für PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch wird den Rechtsextremisten
noch nicht deutlich genug gemacht, dass ihre Taten verabscheut werden. «Es gibt
so etwas wie ein leichtes Nicken.» Er wehrte sich dagegen, Rechtsextremismus als
ostdeutsches Problem zu betrachten und lasse nicht gelten, dass «immer nur
mangelnden Ausbildungsplätze und Perspektiven» Gründe sein sollen.
Nach Angaben des Präsidenten des Zentralrat der Juden, Paul Spiegel,
haben für die geplante gemeinsame Aktion gegen Rechtsextremismus bereits
Tennis-Star Boris Becker und die Schauspieler Mario Adorf und Veronika Ferres
zugesagt. In der Rhein-Zeitung warnte Spiegel eindringlich: «Heute richtet sich
der Hass gegen Fremde, morgen gegen Behinderte und übermorgen gegen andere
Minderheiten.» Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye will mit Spiegel Anfang
August über das Bündnis sprechen.
haGalil onLine
30-07-2000
|