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Die 18. Basler PSI-Tage bewegen
bereits fünf Monate vor Beginn die Gemüter. Die Veranstalter sahen sich mit dem
Vorwurf konfrontiert, zwei problematischen Personen Gastrecht zu gewähren. Einer
der beiden behauptet, die Juden seien am Holocaust selber schuld. Er wurde vor
ein paar Tagen ausgeladen. Das gleiche Los traf gestern Abend überraschend auch
Barbro Karlen, im «früheren Leben» die Jüdin Anne Frank.
Basel. Alljährlich im Herbst sind
in Basel die so genannten PSI-Tage angesagt. Esoterisch und parapsychologisch
interessierte Menschen finden sich dann jeweils unter einem bestimmten Motto zu
einem Gedankenaustausch zusammen. Letztes Jahr beispielsweise war
schwergewichtig von «Visionen» die Rede. In der Person des bekannten
Löffelverbiegers Uri Geller sowie mit dem Erfolgsautor für Ausserirdisches,
Erich von Däniken, konnten von den Veranstaltern zwei populäre Zugpferde
gewonnen werden.
Emotionsgeladenes Thema
Der diesjährige Anlass vom 24. bis am 27. November ist dem Thema «Wiedergeburt -
Wahn oder Wirklichkeit» gewidmet. Ein stark emotionsgeladenes Thema also, das
durch die vorgesehene Präsenz zweier Referenten zusätzlich angeheizt zu werden
droht. Genauer gesagt zu werden drohte, denn der deutsche Esoterik-Autor Trutz
Hardo wurde vor ein paar Tagen wieder ausgeladen, bestätigte gestern Leonhard
Loew, Leiter der Kongress-Organisation, gegenüber der BaZ. Von einer
Interessenorganisation sei man darauf aufmerksam gemacht worden, dass ein
gerichtlich verurteilter Mann auf der Referentenliste figuriere, sagte Loew. Das
Zürcher Nachrichtenmagazin «Facts» hat den Fall in der Folge in seiner neuesten
Ausgabe publik gemacht. Demnach wurde Trutz Hardo, ein Experte in Sachen
Reinkarnation, bereits 1998 von einem deutschen Gericht wegen Volksverhetzung
rechtskräftig verurteilt. In seinem Buch «Jedem das Seine» schob Hardo
sinngemäss die Schuld am Holocaust den Juden selber zu.
Sie hätten für Verbrechen büssen müssen, welche sie in ihren früheren Leben
begingen. Die zweite Person ist in Basel keine Unbekannte: Vor zwei Jahren
sorgte die schwedische Schriftstellerin Barbro Karlen für heisse Köpfe und
Proteste, als sie ihr Buch «... und die Wölfe heulten» vorstellte. Barbro Karlen
behauptete darin, sie sei in ihrem früheren Leben das jüdische Mädchen Anne
Frank gewesen. Auch Karlens vorgesehene Präsenz an den PSI-Tagen gab gewissen
jüdischen Kreisen stark zu denken.
«Eine Anmassung»
Unter ihnen befanden sich der Basler Theologieprofessor Ekkehard W. Stegemann
sowie Thomas Lyssy, seines Zeichens Vizepräsident des Schweizerischen
Israelitischen Gemeindebundes. Beide empfanden es als eine Anmassung, dass hier
einfach jemand in die Rolle des wohl bekanntesten Holocaust-Opfers schlüpft.
Stegemann sprach «von einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener». Lyssy
äusserte die Befürchtung, dass die Shoa banalisiert werden könnte; so nach dem
Motto, das sei alles gar nicht so schlimm gewesen, weil man ja wieder auf die
Welt komme. Und beide von der BaZ Befragten störten sich im gestern Nachmittag
geführten Gespräch ganz speziell auch an der Vermarktung, welche mit dem Namen
Anne Frank betrieben werde. Barbro Karlen könne durchaus von ihrer Reinkarnation
überzeugt sein. Sie sollte hingegen besser alles für sich behalten und nicht auf
der öffentlichen Bühne erscheinen, lautete der Tipp. Hier schiebe sich doch
einfach jemand fiktiv die Geschichte eines populären Opfers zu und mache damit
Geld, kritisierte Stegemann.
Zweiter Fall Wilkomirski?
Beim Basler Professor wurden Erinnerungen an Binjamin Wilkomirski wach, der in
seinem Buch «Bruchstücke» vorgab, als jüdisches Kind aus Riga in
Konzentrationslagern aufgewachsen zu sein. (Der Suhrkamp-Verlag hat das
preisgekrönte Buch inzwischen zurückgezogen, weil sich die Schilderungen des
Autors als erfunden herausstellten).
Die Meinungen darüber, ob Barbro Karlen bloss eine erfundene Geschichte
auftischte, gehen allerdings auseinander, wie die vielen Reaktionen nach ihrem
Besuch 1998 in Basel zeigten. Ihr Auftritt vermochte einige der Anwesenden
durchaus zu überzeugen. Man kaufte ihr ab, dass «sie lieber die Erinnerungen im
Zusammenhang mit dem Leben einer namenlosen, unbekannten Person einordnen
möchte, statt leider mit Anne Frank», teilte damals ein Leserbriefschreiber mit.
Es scheine ihm zudem völlig legitim, dass Barbro Karlen «trotzdem» der
Öffentlichkeit ihre erlittenen Höllenqualen mitteile.
Überraschender Entscheid
Der PSI-Anlass sei immer ein spezieller gewesen und nicht mit anderen
Messeveranstaltungen zu vergleichen, bei denen primär die Produktepräsentation
im Vordergrund stehe, betonte Leonhard Loew. Ziel und Zweck bestehe bei den
PSI-Tagen gerade darin, Referenten mit völlig unterschiedlichen Meinungen eine
Plattform zu bieten und Diskussionen auszulösen. Bei der Auswahl der Personen
räume die Messe Basel schon seit Jahren der Meinung eines herbeigezogenen
Fachbeirats grosses Gewicht bei. Dieser werde sich im August über das weitere
Vorgehen festlegen, hiess es noch gestern Nachmittag. Doch überraschenderweise
war dann bereits am Abend alles klar. Die Geschäftsleitung der Messe Basel habe
entschieden, Barbro Karlen an den PSI-Tagen nicht auftreten zu lassen, wurde in
einem Communiqué mitgeteilt. Man wolle damit verhindern, dass das Thema des
Kongresses (Reinkarnation) mit dem Holocaust in Zusammenhang gebracht werde.
Markus Sutter
http://www.baz.ch
haGalil onLine
23-07-2000
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