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Auch wenn die
Nachrichtensperre in Camp David fast undurchlässig war, drangen doch
täglich Meldungen und Vermutungen zum Stand der Verhandlungen nach
außen. Inzwischen steht der Nahost-Gipfel in Camp David vor dem Aus.
Sowohl
Palästinenser-Präsident Jassir Arafat als auch Israels
Ministerpräsident Ehud Barak haben ihre Abreise angekündigt. In
offiziell nicht bestätigten Berichten hieß es am Dienstag, vieles
deute darauf hin, dass eine Einigung über den künftigen Status von
Jerusalem nicht erzielbar sei und ein Teilabkommen bevorstehe. Die
israelische Tageszeitung "Ma'ariv" berichtete, in Camp David sei
bereits damit begonnen worden, die Standpunkte der beiden Seiten mit
Gemeinsamkeiten und Abweichungen festzuhalten.
Versteckte
Kritik an der wenig flexiblen Haltung der palästinensischen
Unterhändler übte schon gestern Hillary Clinton. Sie ließ
durchblicken, dass die Palästinenser dem Zustandekommen eines
Abkommens im Wege stehen. Sie sagte bei einem Besuch in einer
Synagoge in Long Island: "Die Frage, mit der Clinton und Barak sich
auseinandersetzen müssen, ist die, ob andere bereit sind, im
Austausch für Frieden auf ihren Hass und ihre Gewaltinstinkte zu
verzichten". Ihr Sprecher beeilte sich klarzustellen, dass sie nicht
Arafat, sondern nur die Terroristen gemeint habe.
Wie dem auch
immer sei, der Juli 2000 wird wohl als einer der revolutionärsten,
seltsamsten und sogar mysteriösesten Monate, die Israel je erlebt
hat, in die kollektive Erinnerung eingehen. Revolutionäre
Erkenntnisse und überraschende Wandlungen vermittelt vor allen
Dingen Premier Barak. Eigenschaften wie 'ausdauernd und mutig' und
seine Fähigkeiten zu kühlen und zum Teil strategisch
undurchsichtigen Analysen werden ihm nachgesagt, nicht nur wegen
seiner höchtausgezeichneten militärischen Vergangenheit in der
Elitetruppe Sajereth haMatKal, die es sich zur Aufgabe gemacht
hatte, die Anführer des Feindes im feindlichen Territorium bis in
ihre Schlafzimmer hin zu verfolgen.
Jigal Serna
entdeckte in dieser Woche ganz neue Seiten an Barak und sprach von
dessen "poetischer Gerechtigkeit". Für viele scheint "Baraks Wandel
auf dem Weg zum Frieden" schwer fassbar zu sein. "Barak ist heute
ein Vorkämpfer des Kompromisses, der sich anschickt, das
mythologische Jerusalem-Tabu zu durchbrechen, Gebietstausch
anzubieten, das Unrecht am palästinensischen Volk anzuerkennen und
den größten Teil des Westjordanlandes zu räumen. Der Weg ist nun
offen. Die Route ist vorgezeichnet - für immer. Der Rest ist
Geschichte. Was geschehen wird, wenn die Verhandlungspartner mit
einem vollen oder partiellen Abkommen zurückkommen, wird kompliziert
und langwierig sein. Vielleicht werden andere sie weiterführen.
Vielleicht wird sich die Sache noch Jahre hinziehen. Trotzdem der
Weg ist offen, die Richtung klar".
M'ariw schreibt
"Ein Jerusalem-Kompromiß ist eine notwendige, doch nicht die einzige
Voraussetzung für ein Friedensabkommen mit den Palästinensern. Es
gibt noch weitere Bedingungen:
-
Erstens eine
palästinensische Erklärung über die Beendigung des Konflikts.
-
Zweitens
eine wesentliche und kontrollierbare Reduzierung der bewaffneten
Kampfeinheiten in der palästinensischen Autonomie.
-
Drittens die
Absetzung des Rückkehrrechts der Flüchtlinge von der Agenda.
-
Viertens die
Annexion der Siedlungsblöcke von Gush Etzion, Ariel und im Raum
Jiruschalajim.
Wenn ein
Abkommen, das alle diese Bedingungen erfüllt, dem Volk zu
Entscheidung vorgelegt wird, muss sich jeder einzelne fragen, ob das
Abkommen einen dauerhaften Frieden bringen kann oder ob es nur eine
Übergangsphase zu weiteren Forderungen der Araber ist. Bei der
Entscheidung über diese schwierige Frage muss man sich fragen, ob
Israel nach dem Abkommen stark genug sein wird, um mit der
Rückendeckung internationaler Garantien und eines weltweiten
Konsenses krassen Verletzungen der Abkommen durch die Gegenseite
angemessen zu begegnen".
Es ist nicht
auszudenken, welche Kapazitäten im Falle des Friedens freiwerden.
Eine Möglichkeit wäre z.B. den Frieden zu schliessen mit der
Landschaft. Jigal Serna meint, wenn wirklich der Frieden anbreche,
gebe es keine Ausrede mehr, die systematische Zerstörung der
Landschaft in Israel fortzusetzen. Diese wurde u.a. mit
sicherheitspolitischen Argumenten gerechtfertigt - so z.B. auch die
momentan mit großem Einsatz beworbene, an der ehemaligen Grünen
Linie verlaufende, Nord-Süd-Autobahn "Chozeh Israel", die angeblich
gerade jetzt besonders wichtig sei, weil sie nach einem Rückzug auf
die frühere Grenze im Notfall zum Transport von Streitkräften und
Ausrüstung notwendig sei. À propos Autobahnen: Der von Barak
gegründete interministerielle Ausschuss empfahl dem
Ministerpräsidenten - sollte der Frieden denn ausbrechen - anstatt
eines sicheren Korridors in Form einer Hochstraße zwischen Gaza und
der West Bank eine versenkte Tunnelstraße.
Wer wird diese
Strasse oder diesen Tunnel bauen, wo wird er verlaufen? Wer bekommt
die Lizenz für die Rasthäuser? Auch darüber kann gestritten werden.
Es muss nicht immer ums Überleben gehen.
Beide Seiten
demonstrieren indessen, dass sie sich vor Gewaltausbrüchen nicht
fürchten. Palästinenser schwenken auf Demonstrationen ihre Waffen
und lassen stolz ihre Kinder im Ferienlager beim militärischen Drill
filmen. Israel hat Panzer von der Nordgrenze in den Gazastreifen
verlegt, in Koordination mit der Armee halten jüdische Siedler
Scharfschützentrainings ab, schaffen Nachtsichtgeräte an und
bereiten Selbstwehrgruppen für den Fall vor, dass palästinensische
Massen plötzlich auf Siedlungen zu marschieren beginnen. Vor Terror
der radikalen Rechten warnte gestern Shin-Beth-Chef Awi Dichter in
seinem Bericht an die Regierung: "Jüdische Radikale planen Anschläge
auf Barak, Arafat und weitere ihnen missliebige Personen".
haGalil onLine
26-07-2000
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