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Die Bundesregierung will die EU-Beitrittsverhandlungen mit Tschechien
vorantreiben, ohne dabei die Vertreibung von Deutschen erneut zu
thematisieren. Die Unions-Fraktion scheiterte am Freitag mit einem
entsprechenden Antrag im Bundestag. Der Staatsminister im Aussenamt,
Christoph Zöpel (SPD), betonte, dass das von der Kohl-Regierung im
Verhältnis zu Tschechien Erreichte "in jeder Beziehung" weiterentwickelt
werden solle.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber warf der Bundesregierung vor,
sie wolle damit einen „eiskalten Schlusstrich" ziehen. Bei dem Wunsch, 2000
Sudetendeutsche aus dem Topf des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zu
unterstützen, gehe es „um die Anerkennung von Leid, um eine humane Geste". Die
bayerische Sozialministerin Barbara Stamm behauptete indessen, dass die
Entscheidung des Verwaltungsrates des Fonds, den Antrag der Sudetendeutschen
Landsmannschaft abzulehnen, massgeblich unter Einfluss der Bundesregierung
gefasst wurde.
Die Union warnte davor, bei den EU-Beitrittsverhandlungen die Augen vor noch
rechtlich verankerter Diskriminierung zu verschliessen. Die Wertegemeinschaft in
der EU verpflichte, auf ungelöste Menschenrechtsfragen hinzuweisen, sagte der
CSU-Abgeordnete Hartmut Koschyk. Die politisch Verantwortlichen in den Staaten
müssten mit den Vertriebenen in direkten Dialog treten. Durch den beharrlichen
Aufbau von Fronten könne Europa nicht zusammenwachsen, sagte Petra Ernstberger
(SPD). Entschädigungsforderungen und juristische Schritte würden das Unrecht,
was geschehen ist, nicht ändern.
Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) sprach von einer "ständigen
Wolke der Bedrohung" für Tschechien und Polen durch die Forderungen der
Vertriebenen. Das Thema gehöre endlich ins "Museum der deutschen Geschichte".
Unterdessen kritisierte der tschechische Regierungschef Milos Zeman, der sich
anlässlich des Gedenkens der Opfer des Massakers von Lidice äusserte, die Rolle
der Sudentendeutschen in den 30-er Jahren und während des Zweiten Weltkriegs. Er
bezeichnete die Sudetendeutschen am Samstag als "die fünfte Kolonne Hitlers".
Der Ministerpräsident betonte seinen "Mangel an Respekt" für diejenigen, welche
die "Republik zerschlagen und das Verbrechen des Hochverrats" begangen haben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden rund drei Millionen Sudetendeutsche aus der
Tschechoslowakei vertrieben. "Wir haben Respekt für unsere früheren
anti-faschistischen deutschen Mitbürger, die gegen Hitler gekämpft haben",
ergänzte Zeman.
haGalil onLine 13-06-2000 |