Laudatio von Horst Möller:
Konrad-Adenauer-Preis für Ernst Nolte
Der umstrittene Historiker Ernst Nolte sorgt für neuen Wirbel in der
Zunft: Grund ist die Laudatio, die der Direktor des Münchener Instituts
für Zeitgeschichte, Horst Möller, gestern anlässlich der Verleihung des
Konrad-Adenauer-Preises hielt. Er lobte Noltes "Lebenswerk von hohem
Rang". Horst Möller wollte anscheinend das Unmögliche möglich machen.
Obwohl er eine regelrechte Lobrede für Nolte hielt, hatte er
andererseits versichert, er wolle sich von dem Geehrten, der sich in den
letzten 15 Jahren um die Verharmlosung des Nationalsozialismus verdient
gemacht hat, auch distanzieren. Die historisch interessierte
Öffentlichkeit fieberte also dem weltgeschichtlichen Novum einer
kritischen Laudatio entgegen.
Funktioniert hat das nicht - und sollte es wohl auch gar nicht. Zwar versicherte
Möller, er teile Noltes These nicht, dass der Nationalsozialismus in erster
Linie eine - verständliche - Reaktion auf den Bolschewismus gewesen sei.
Gleichzeitig aber forderte er eine faire Auseinandersetzung mit Nolte und
scheute sich nicht, Rosa Luxemburgs Wort von der "Freiheit des Andersdenkenden"
für den NS-Apologeten in Anspruch zu nehmen.
Mit der These, dass die NS-Verbrechen durch den "roten Terror" in der
Sowjetunion bedingt seien, hatte Nolte 1986 den Historikerstreit ausgelöst. Er
versuchte entgegen den Fakten der Quellen, wie seine Kritiker einwandten, einen
kausalen Zusammenhang zwischen bolschewistischen Massenvernichtungen und dem
späteren nationalsozialistischen Holocaust nachzuweisen. Nolte fragte damals
rhetorisch: "War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Auschwitz? War
nicht der Klassenmord das logische und faktische Prius des Rassenmordes der
Nationalsozialisten?" Der Holocaust ist für Nolte eine im Grunde
nachvollziehbare, gewissermaßen präventive Abwehrreaktion gegenüber der
Bedrohung aus dem Osten gewesen. Diese historische Spekulation war 1986
unhaltbar und nicht belegbar - und daran hat sich durch die Forschung bis heute
nichts geändert.
Dennoch hat Nolte seine Spekulation auch in späteren Beiträgen und Büchern klar
und eindeutig wiederholt. Wenn also Horst Möller in seiner Laudatio behauptet,
Ernst Nolte sei oft "zu Unrecht missverstanden worden", so kann er nur
Presseberichte meinen. Fachwissenschaftler wie Hans-Ulrich Wehler haben Noltes
These detailliert geprüft und verworfen.
Nolte selbst provozierte in München aufs Neue: Das geplante Holocaust-Mahnmal
verewige germanozentrische Geschichtsdeutung. Es sei aber zu akzeptieren, weil
der Holocaust einzigartig sei. CDU-Chefin Angela Merkel hatte wohl nicht nur
wegen "persönlicher Schwierigkeiten" mit dem Historiker als Rednerin abgewunken.
Die Deutschland-Stiftung ist jüngst wegen der NS-Vergangenheit ihres
langjährigen Lenkers ins Zwielicht geraten.
Unter den Arkaden der Residenz, in der die Preisverleihung stattfand, kam es
unterdessen zu Protestaktionen. Bereits um 10 Uhr postierten sich Mitglieder von
den Jusos, den Grünen und der PDS, einiger Bürgerinitiativen und des AStA der
Universität München. Sie verteilten Flugblätter und versuchten Besucher davon zu
überzeugen, der Veranstaltung fernzubleiben. In einem offenen Brief wurde Möller
als "Steigbügelhalter revisionistischer Geschichtsinterpretation" bezeichnet und
dazu aufgefordert, sich deutlich von dieser "unheilvollen Tradition" zu
distanzieren.
haGalil onLine 05-06-2000 |