Nachdem schon beim Clinton-Besuch die trockenen Tücher für das
Entschädigungsabkommen fehlten, geht wohl das Jahr 2000 ins Land ohne
eine müde Mark für die Opfer. Wenn das Gesetz zur Errichtung einer
Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" noch in diesem Jahr in
Kraft treten soll, dann müßte bis Pfingstmontag eine Einigung erzielt
sein. Später läuft wegen der Sommerpause nichts mehr.
Dies mahnte jetzt Lothar Evers, Leiter des
Bundesverbands Information und Beratung für NS- Verfolgte, anläßlich der
Verleihung des Demokratie-Preises 2000 der Blätter für deutsche und
internationale Politik am Mittwoch in Berlin an. Gleichzeitig wurde anläßlich
der Preisverleihung in der Humboldt-Universität auf die gravierenden Mängel des
Gesetzentwurfs hingewiesen. Evers rechnete vor, daß die drei vorhandenen von den
angepeilten fünf Milliarden DM täglich 400 000 DM Zinsen abwürfen, die keinem
einzigen lebenden Opfer zur Zeit zugute kommen könnten. Laudator Micha Brumlik
legte den Finger auf die Schwachstelle einer Einbehaltungsklausel. Statt
Normallohn plus Schmerzensgeld plus Zinsen auszuzahlen, sollen auch Gelder
abgezweigt werden, "um die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten". Konkret
müssen sich die Opfer der Zwangsarbeit das Geld also mit Historikern,
Mueseumsdirektoren und andere Verwaltern der Erinnerung teilen.
Doch es hakt nicht nur im Getriebe, sondern die Piloten profilieren sich mit
unerträglicher Mentalität. Auf dem Rücken der Zwangsarbeiter gerieren sich die
beteiligten Unternehmer als wahre Repräsentanten des deutschen Volkes.
Traditionell geht es dabei primär um den Export. Neuerdings werden aber sogar
den USA Lektionen in Sachen Demokratie erteilt. Mit brillierender
Anwalts-Entourage versuchen BRD- Unternehmen, Clinton zu zwingen, US-Richtern
die Rechtsprechung zu diktieren. Das goldene Kalb, das hier umtanzt wird, heißt
"Rechtssicherheit" und meint platt Täterschutz. Eine Zahlung möge doch nicht als
Schuldeingeständnis mit unabsehbaren Folgen gesehen werden können.
Bei den Wild-West-Vorstellungen der pseudo-generösen zehn Prozent
entschädigungsbereiter Firmen (ein Prozent eines Jahresumsatzes stehen zur
Debatte) zieht es auch einem eingefleischten Nicht-Fan der Heimat von Frieden
und democracy die Socken hoch. Der Flurschaden, der von den
Demokratie-Oberlehrern aus bundesdeutschen Chef-Etagen jenseits des Atlantiks
angerichtet wird, könnte um ein Vielfaches größer sein als der aller Steine, die
jemals auf das Amerika-Haus in Berlin flogen.