Zunehmend rechtsextremistische Orientierung bei Jugendlichen:
Innenminister erkennt Gefahren aus
dem Internet
Nordrhein-Westfalens Innenminister
Fritz Behrens (SPD) erkennt im Verfassungsschutzbericht 1999
eine zunehmend rechtsextremistische Orientierung bei immer mehr jungen
Männern. Es sei ein Fehler, die Sogwirkung rechtsextremistischen
Gedankenguts gerade auf junge Menschen zu unterschätzen.
Bei den 16- bis 25-jährigen
Männern habe die DVU in Dortmund 10% bekommen, in Herne hätten die
Republikaner sogar 15% dieser Altersgruppe erreicht.
Gleichzeitig profiliere sich die NPD mit öffentlichen Aufmärschen und
Kundgebungen als aktionistische und systemfeindliche Partei. "Der Kampf
um die Straße ist ihr wichtiger als der Kampf um die Parlamente",
so Behrens. Sie wolle vor allem jugendliche Skinheads und Neonazis ans
sich binden.
Warnend äußerte sich der
Innenminister über das besorgniserregende "rasante Anwachsen"
rechtsextremistischer, vor allem rassistischer und
gewaltverherrlichender Propaganda im Internet. Auch für die Verbreitung
volksverhetzender
Skinhead-Musik
gewinne das World-Wide-Web zunehmend an Bedeutung.
Für manche Jugendliche, so Behrens, sei Skin-Musik eine gefährliche
"Einstiegsdroge" in die rechtsextremistische Szene. Entsprechende CDs
fänden Absatz weit über die eigentliche Skinhead-Szene hinaus. Behrens:
"Hier treffen sich politische und kommerzielle Interessen
rechtsextremistischer Produzenten, Verleger und Händler. Politisch oft
unerfahrene Jugendliche werden instrumentalisiert."
Mit großzügiger Förderung vermögender Sponsoren gelang es den
Rechtsextremisten ihre Präsenz in allen Bereichen des Internets
sprunghaft auszubauen - mit weiterhin steigender Tendenz. Ihre oft
anonym betriebenen Homepages speichern sie häufig auf ausländischen
Servern, insbesondere in den USA, Kanada, Belgien und den Niederlanden.
Auf diesen Seiten seien strafbare Inhalte wie volksverhetzende Texte,
Bombenbauanleitungen, Hakenkreuzsymbole und ähnliches für jedermann
abrufbar. Eine Strafverfolgung
scheitere häufig an der internationalen Dimension des Daten-Highways.
Um so wichtiger sei eine zielgerichtete Aufklärungsarbeit gerade über
die neuen Medien. Erfolge seien vor
allem durch Aufklärung zu erwarten. Die Absicht, alle Schulen ans
Netz zu bringen, sei auch unter diesem Aspekt goldrichtig. Es gehe
darum, den Schülerinnen und Schülern im Umgang mit diesem
Zukunfts-Medium nicht nur technische Kompetenzen zu vermitteln, so der
Innenminister.
Rechtsextremisten aller
Schattierungen versuchen derzeit aus den Parteiaffären der letzten
Monate Kapital zu schlagen und sich selbst als saubere Alternative
anzupreisen. "Verschwiegen wird dabei, dass das Fehlverhalten von
Politikern und Amtsträgern gerade in einer demokratischen und
pluralistischen Gesellschaft ans Tageslicht kommt und zu politischen und
persönlichen Konsequenzen führt", betonte Behrens.
Beispiele für diese Taktik zeigten
sich z.B. in etlichen Foren der Tageszeitung 'Die Welt'. In einem Forum
zur CDU Spendenaffäre versuchten Rechtsextreme unter Vorspiegelung
jüdischer Identitäten eine Verschwörung des Weltjudentums zu
suggerieren. In einem Forum zu 'Werten in der heutigen Zeit' wurde
versucht das Judentum als rassistisch und grausam darzustellen. Auf
Widerspruch wird mit Beleidigungen und Einschüchterungen bis zu
Morddrohungen reagiert. Zahlreiche Foren der 'WELT' mussten bereits
geschlossen werden.
Das Gedenken an die Shoah wird immer wieder verächtlich gemacht. Der
Verfassungsschutz erwähnt das Beispiel einer gutbesuchten Nazi-Site, die
unter der Überschrift "Touristisches Holocaust-Mahnmal..." die geplante
Gedenkstätte in Berlin als "bevorzugtes Ausflugsziel für Vierbeiner"
anpreist. Holocaustgedenkstätten seien "Schreckenssymbole" bzw.
"Hass-Monumente" des deutschen Volkes, deren Sprengung "später einmal im
Rahmen einer Staatsfeier anlässlich des politischen Neuanfangs einer
menschlichen Volksgemeinschaft stattfinden" wird. "Am Tag, an dem die
Säulen berstend in die Luft gehen, wird ein erlösender Aufschrei durch
unser Volk gehen und eine menschenzerstörende Psycho-Terror-Politik wird
es auf Jahrhunderte hinaus nicht mehr geben."
Neben solch dumpfen Parolen darf die sogenannte "Neue Rechte" nicht
unterschätzt werden. Diese versuche im "Biedermeier-Gewand" populäre
Themenfelder zu besetzen, um langsam in die bürgerliche Mitte der
Gesellschaft vorzudringen. Publikationsorgane dieser Gruppierungen,
allen voran die "Junge Freiheit", griffen z.B. die Debatten um den
Kosovo-Konflikt intensiv auf. Der Kosovo-Konflikt wurde häufig mit
ausländerfeindlicher Agitation verknüpft und eine angebliche Gefahr
ähnlich brutaler Konflikte in Deutschland aufgrund der ausländischen
Bevölkerungsanteile beschworen.
Prognosen und Statistiken
Rechtsextreme Parteien werden nach
Einschätzung Behrens bei der Landtagswahl am 14. Mai nicht von den
Erfolgen des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider profitieren.
Entsprechende Erwartungen bei Republikanern, DVU und NPD seien
"unrealistisches Wunschdenken", sagte Behrens bei der Vorstellung des
NRW-Verfassungsschutzberichtes für 1999 am Dienstag in Düsseldorf. Das
rechtsextreme Lager sei "weiter tief zerstritten". Bei den Republikanern
hätten sich die innerparteilichen Macht- und Richtungskämpfe noch
verschärft.
Positiv vermerkte Behrens, dass fremdenfeindliche Straftaten in NRW
insgesamt um rund 16 Prozent auf 567 Fälle zurückgegangen sind. Den
größten Anteil machten Propaganda-Delikte und Volksverhetzungen aus. Mit
Besorgnis registriere er allerdings, dass gegen Fremde gerichtete
Körperverletzungen angestiegen sind.
Abschließend erklärte Behrens, dass die Beobachtung
rechtsextremistischer Organisationen, Parteien und jugendlicher
Subkulturen für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zur Zeit
hohe Priorität habe. "Besonders beunruhigend finde ich, dass
rechtsextremistische Parteien, Organisationen und Musikverlage die
politische Unerfahrenheit und die Lust vor allem vieler junger Männer
auf "Tabu-Bruch" für ihre Zwecke - politisch und kommerziell -
ausnutzen. Zukunftsängste, Ängste um den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz
oder andere subjektiv empfundene Benachteiligungen werden dabei schamlos
instrumentalisiert - und z.B. mit ausländerfeindlicher Propaganda
beantwortet".
Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe unseren Jugendlichen
politische Orientierung, Zukunftsperspektiven, Arbeit, Ausbildungsplätze
und eine wertorientierte - auf Toleranz ausgerichtete - Erziehung zu
geben, betonte Behrens. Die demokratischen Parteien und Politiker
sollten aber durch eine besonnene Auswahl und Formulierung von Themen
verhindern, dass sie den Boden für rechtsextremistische und
fremdenfeindliche Propaganda bereiten.
Der aktuelle
Verfassungsschutzbericht
kann mit einem flexiblen Update-Modul auf den heimischen PC geladen und
dort zusammen mit der Info-CD-ROM des NRW-Verfassungsschutzes "VS-info
NRW 2000" verwendet werden.
haGalil onLine
18-04-2000 |