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Ja damit begann es auch: gleich
drei Minjanim unter einem Dach: orthodox, konservativ und Reform. Und
während der Woche gab es dann für Schacharit auch einen feministischen
Minjan, nur für Frauen natürlich.
Vielfalt als Zeichen
integrativer Kraft
Frühstück mit einem jungen Chassid
aus London, der seit drei Jahren dort eine Gemeinde für Randgruppen
aufbaut (für so manche jüdische Gemeinde in London - nur in London? -
gehören alleinstehende Mütter schon zu einer Randgruppe, auf jeden Fall
natürlich Drogensüchtige, Schwule usw…), Mittagessen mit einer Frau aus
Italien, die in einer Stadt lebt, in der es nur dreißig Jüdinnen und
Juden gibt, Frühstück mit einem Kibbutznik aus Israel, der verzweifelt
versuchte, Robin Hood-Souvenirs für seine Kinder zu bekommen - nur unter
dieser Bedingung hatten sie ihn wegfahren lassen. Ein junger Vater
sitzt, den Talmud studierend, in der "learning zone", während seine Frau
daneben sitzt und das Baby stillt. Kann Judentum lebendiger sein?
Ja und all das geschah in
Nottingham (ca. 170 km nördlich von London), genauer gesagt auf dem
Campus der Universität von Nottingham bei der Limmud Konferenz Ende
letzten Jahres (24. - 30. Dezember 1999).
Nirgendwo kann man sich die
ungeheure Vielfalt des Judentums besser vor Augen führen als bei der
Limmud Konferenz. Und gleichzeitig zeigt sich hier die integrative Kraft
unseres Judentums: Jeder spricht mit jedem, jeder hört zu, jeder sagt
seine Meinung (wann haben Sie zuletzt mit einem orthodoxen Rabbiner aus
Israel gesprochen, der zu den Gründern von Gush Emunim – der
radikalen Siedlerbewegung – gehört? Nein, natürlich geht es nicht darum,
eine gemeinsame Meinung zu haben, sondern miteinander zu reden und sich
als jüdische Menschen zu begegnen). 650 Veranstaltungen von acht Uhr in
der Früh bis zwei Uhr in der Früh, rund um die Uhr ohne Pause, mit bis
zu dreißig gleichzeitig stattfinden Programmen, alles ausführlich
beschrieben in einem zweihundertseitigen Konferenz-Handbuch. Den Rat der
Veranstalter: "don't forget to eat and don't forget to sleep" habe ich
spätestens am zweiten Tag wirklich verstanden.
Miteinander reden
- miteinander lernen
Kunst, Erziehung, Geschichte,
Israel, Philosophie, Politik, praktisches Judentum, Spiritualität und
last but noch least: textgebundenes Arbeiten an Stellen aus dem Tenach
oder dem Talmud. Kein Thema ist Tabu und jeder hört zu und stellt
Fragen. Man redet miteinander nicht gegeneinander. Je nach Tageszeit und
Thema kommen zehn Leute zusammen oder auch mal vierhundert. Jede
Veranstaltung dauert genau 75 Minuten. Und es begann alles immer
pünktlich (ist England anders oder ist Limmud anders? Go and find out!)
TeilnehmerInnen aus ganz Europa,
über hundert kamen aus Israel ca. fünfzig aus den USA. Und es waren alle
Altersgruppen vertreten: von jungen Familien mit Kleinkindern bis zu
alten Leuten, die man mit dem Stock durch den Campus gehen sah. Und wer
denkt, daß Jugendliche außer Fun nichts im Sinn haben, der wurde dort
eines besseren belehrt.
Nach Sherwood Forest bin ich
jedenfalls nicht gekommen und daher kann ich über Robin Hood nicht viel
sagen. Dafür aber über Limmud: Die erste Limmud-Konferenz fand 1980 mit
siebzig TeilnehmerInnen statt. Limmud ist eine Organisation, die an
keine religiöse oder politische Richtung gebunden ist und sich zum Ziel
gesetzt hat, jüdisches Lernen zu fördern. Limmud sieht das gegenseitige
Verständnis der Juden füreinander - abseits aller religiösen und
politischen Verschiedenheit - als Beitrag zu Tikun Olam. Wo immer
jeder und jede von uns auf seinem jüdischen Weg steht: Die Teilnahme an
einer Limmud Konferenz wird sie/ihn auf jeden Fall einen Schritt weiter
bringen. Ich habe mir jedenfalls zum Ziel gesetzt: statt zwei
TeilnehmerInnen aus Wien, sollen es bei der Limmud Konferenz im Dezember
2000 mindestens sechs sein. Sind Sie dabei?
Für weitere Informationen schreiben
Sie an: georg.stern@gmx.at
Keshet
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