P R E S S E E R K L AE R U N G vom
22.4.2000
Spontane Vollversammlung der Autonomen Erfurts
Unsere verschiedenen Aktionen richten sich
niemals gegen Synagogen.
Wir bekämpfen den menschenverachtenden Antisemitismus.
Der Vorwurf Autonome hätten den
Brandanschlag auf die Synagoge in Erfurt verübt - ist unhaltbar, da eine solche
Aktion dem Selbst- Verständnis der autonomen Szene widerspricht. Dieser Vorwurf
verdeckt die Dynamik und das Selbstverständnis der (Thüringer) Naziszene. Es
gibt eine Entwicklung in der Naziszene, die deutlich macht, dass Neonazis bereit
und in der Lage sind Synagogen anzuzünden.
Am 12.2. marschierten 500 Neonazis durch Gera gegen ein Flüchtlingslager, am
26.2. ebenfalls 500 durch Erfurt für die Annexion tschechischer und polnischer
Gebiete, am 25.3. hielten 50 Neonazis vor dem Haus eines NPD-Funktionärs eine
"Mahnwache" ab, am 8.4. marschierten 200 Nazis durch Pössneck.
In Neuhaus marschieren jedes Jahr im Mai mindestens 300 Nazis auf, am 1. Mai
will die NPD in Weimar marschieren. In der Nacht auf den 8.2. wurde in Erfurt
der jüdische Friedhof geschändet. Bereits 1998 wurde in Jena eine
Bombenbauwerkstatt der Thüringer Naziszene von der Polizei entdeckt (die
Verdächtigen sind seitdem untergetaucht), 1999 gab es offiziell 37
antisemitische Straftaten in Thüringen, in Weimar wurde ein Brandsatz auf ein
alternatives Jugendzentrum geworfen, im Internet veröffentlichten Neonazis
persönliche Daten eines antifaschistischen DGB-Funktionärs, in Elmshorn wurde
sogar ein Transparent von einer Brücke gehangen auf dem nach einem
Antifaschisten "tot oder lebendig" gesucht wird.
Der europaweit vernetzte Antisemit und Neonazi Ronald Moebus (Bruder von Hendrik
Moebus) kann im Erfurter Domizil am 13.11. ungestört ein Nazikonzert
veranstalten.
In der Nacht des 20.4. wurden 20 Neonazis in Erfurt in Gewahrsam genommen, weil
sie Adolf Hitlers Geburtstag feierten. Nun wurde versucht die Synagoge in Erfurt
anzuzünden.
Die aus der Luft gegriffenen Spekulationen Linke könnten hinter dem
Brandanschlag stecken, verdeckt diese gefährliche Entwicklung und fördert das
mörderische Vorgehen der Nazis, da sie für solche Aktionen öffentlich nicht zur
Verantwortung gezogen werden und weil gegen die vorgegangen wird, die sich ihnen
in den Weg stellen (wollen).
Das tut auch das Thüringer Innenministerium, wenn es die blockierenden
AntifaschistInnen am 26.2. zum eigentlichen Problem erklärt. Das tut auch der
Verfassungsschutzchef Roewer, der nicht nur die schlechten Seiten am
Nationalsozialismus sehen will, wenn er von engagierten AntifaschistInnen und
menschenverachtenden Neonazis als siamesische Zwillinge spricht.
Antisemitismus ist ein
gesellschaftliches Problem
Doch auch die ständige Fixierung auf RechtsextremistInnen hat die Funktion
gesellschaftliche Erscheinungen einer Randgruppe zuzuschreiben und die Probleme
damit zu bagatellisieren. Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem. Das
wird an der Rede Martin Walsers in der Paulskirche deutlich, wenn er von
deutschen Täterinnen nur noch als "Beschuldigte" spricht. Dieser will einen
Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit Auschwitz ziehen. Doch eine
Auseinandersetzung mit den brennenden Synagogen der Reichspogromnacht, die in
Auschwitz gipfelten, hat nie richtig stattgefunden. Die Verweigerung der
Auseinandersetzung mit den Verbrechen zeigt sich auch in der vehementen
Ablehnung eines Holocaust-Mahnmals im Herzen Berlins und wenn die Forderungen
der NS-ZwangsarbeiterInnen als zu verhandeln abgetan werden.
Doch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ist
gesellschaftlich nicht gewollt. Lieber wird versucht einen Brandanschlag auf
eine Synagoge zu benutzen, uns zu diskreditieren.
Dokumentation gemeldeter nazistischer
Übergriffe
Thüringen
Januar bis März 2000