Das 3. Herzl-Symposium in Wien im
Rückblick:
Eine laue Veranstaltung
Wien / Wissenschaft - Vom 13. bis 15. März lud die
Stadt Wien nach 1996 und 1997 zum dritten Theodor-Herzl-Symposium unter dem
diesjährigen Motto «Schalom - Friede» in das kathedrale Wiener Rathaus.
Den - entgegen den allgemeinen Erwartungen - so
zahlreich wie im Vorjahr erschienenen Besuchern bot sich eine Veranstaltung, die
besser nach einem anderen grossen jüdischen Zuwanderer nach Wien, nämlich
Sigmund Freud, benannt worden wäre und das Thema «Konflikt und Tabu» behandelt
hätte. Die Verzögerung des Friedensprozesses in Israel und die innenpolitische
Lage in Österreich sabotierten das ursprüngliche thematische Vorhaben, sodass
sich «Die Situation in Österreich» dominierend ins Programm drängte.
Der Mentor der bisherigen Herzl-Symposien, Wiens
ehemaliger Bürgermeister Helmut Zilk, deckte in seinem Eröffnungsstatement die
österreichische und seine eigene Befindlichkeit ab, und eröffnete dem erstaunten
Publikum die zwei Seelen in seiner Brust: jene seiner dem Nationalsozialismus
huldigenden Mutter und jene seines dagegen Widerstand leistenden Vaters. Er
rechnete «Zehntausende» Nazis mit «Zehntausenden» Widerstandskämpfern auf,
verwies auf die unter seiner Patronanz entstandenen jüdischen Einrichtungen
(Museum, Schulen), wollte jeden einzelnen jüdischen Bürger «mit Gold aufwiegen»,
und zuletzt, wohl mit der Stimme seines Vaters, donnerte Zilk seine Ablehnung
der gegenwärtigen Regierung von ÖVP und FPÖ vor die Versammelten.
Aus Anlass des 62. Jahrestages des Anschlusses,
stellte sich der amtierende österreichische Bundespräsident Thomas Klestil in
die Nachfolge seines Vorgängers vom März 1938, Wilhelm Miklas, der sich
geweigert hätte, den Anschluss mit seiner Unterschrift zu legitimieren, und
zurücktrat. Klestil äußerte Verständnis für die Sorge, dass «Rassismus,
Intoleranz, Fremdenhass und Antisemitismus wieder wachsen könnten - nicht nur
bei uns, sondern auch in anderen Ländern und Regionen». Zum eigentlichen Thema -
dem Friedensprozess im Nahen Osten - äußerte sich Klestil nicht. Der erste große
Vortrag wurde von Hannes Androsch, dem ehemaligen Finanzminister unter Kreisky
und späteren Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein, zum «Stand der Dinge»
gehalten, und der ehemals mächtige sozialdemokratische Politiker konnte von der
Notwendigkeit einer «abschliessenden, rechtsverbindlichen und globalen Lösung»
der Entschädigungsfrage reden, ohne sich der Frage stellen zu müssen, warum er
selbst in seinen früheren Funktionen dazu nichts beigetragen hatte.
Auch der zweite Tag («Der Friedensprozess im Nahen
Osten») enttäuschte. Zuerst mit einer holprigen Rede des ehemaligen Jerusalem
Post-Chefredakteurs Ari Rath über die Zerreißprobe der israelischen
Gesellschaft, wobei es seiner Meinung nach kein «Zurück» mehr gäbe, dann mit
einer schwachen Diskussionsrunde über «die Rolle der Jugend im Friedensprozess»,
die ausschließlich von Mitgliedern der aus Israelis und Palästinensern
bestehenden Friedensbewegung «Dor Shalom» bestritten wurde. Mangels
Diskussionspartner blieben die Stellungnahmen der vier Mitt-Zwanziger auf einem
oberflächlichen Niveau und unbeantwortet. Einigkeit herrschte über den Wunsch
nach friedlicher Koexistenz unter Wahrung der jeweiligen eigenständigen
Identität und über die Vermittlung derselben durch das Schulwesen. Die Frage der
aus Wien stammenden britischen Journalistin und Wiesenthal-Biographin Hella Pick
über die Regelung jüdischen Siedlungsbaus musste die Podiumsteilnehmer
zwangsläufig überfordern. Am besten reagierte Nisreen Jareedy, die meinte, die
jüdischen Siedlungen im Westjordanland wären nun schon einmal da, man solle bloß
keine neuen auf umstrittenem Boden bauen.
Der in Neuseeland geborene und in Wien
aufgewachsene israelische Historiker Yair Hirschfeld spannte seinen
Vortragsbogen dann wieder von Herzl und dem Nahen Osten zur gegenwärtigen
österreichischen Lage. Hirschfeld, vom syrisch-deutschen Soziologen Bassam Tibi
als «diplomatischer Architekt von Oslo» bezeichnet, gab zu bedenken, dass es in
Österreich an Leidensdruck mangle – ohne den ja niemals etwas bewegt werden
könne. Dieser Leidensdruck wäre der Antrieb Theodor Herzls und auch der Motor
der Nahost-Verhandler gewesen. Mit «Religion und Frieden» am dritten Tag zeigte
die wenig überraschende Einigkeit der Theologen Ernst Ludwig Ehrlich, Helmut
Schüller und Bassam Tibi in Fragen des Verhältnisses von Religion und Politik
sowie der Notwendigkeit interkonfessioneller Begegnung und Auseinandersetzung.
Das Resümee: die Veranstalter bewiesen erneut, und
nunmehr schon zum dritten Mal, dass hoher finanzieller Aufwand und die Einladung
bekannter und renommierter Vortragender allein nicht ausreichende Zutaten für
ein mehrtägiges Symposium sind. Sollte es zu einem weiteren Herzl-Symposium
kommen, sollte es unter dem Thema «Konflikt und Tabu» stehen. Vielleicht sind
damit auch mehr Teilnehmer anzulocken, die noch nicht das Pensionsalter erreicht
haben.
von Anton Legerer /
anton@hagalil.com
Jüdische Rundschau Nr. 11 vom 23. März 2000
haGalil onLine
23-03-2000 |