Liebe Freundinnen und Freunde,
mit Entsetzen und Empörung mußten wir am Samstag den 26.02. mit ansehen, dass
400 Alt- und Neonazis in der Erfurter Innenstadt aufmarschierten.
Etwa hundert Menschen waren bereits am
selben Tag auf der Strasse, um der brauen Hetzte entgegenzutreten. Dennoch und
nicht zuletzt wegen dem Verhalten der Polizei, die Tränengas, Stiefel und Fäuste
gegen die GegendemonstrantInnen einsetzte, blieb der Tag ein Triumph für die
militante Rechte. Wir - Menschen aus Gewerkschaften, PDS, Bündnis 90/Grüne und
antifaschistischen Initiativen, möchten am 11.03. mit einer großen Demonstration
zum Ausdruck bringen, dass es in Erfurt und ganz Thüringen viele Menschen gibt,
die dieser Entwicklung Zivilcourage und Engagement entgegensetzen. Wir halten es
für wichtig, dass es hierfür einen breiten Aufruferkreis, der von möglichst
vielen Organisationen und Einzelpersonen unterstützt wird.
Wir möchten Euch/Dich/Sie herzlich bitten, diesen Aufruf zu unterstützen und um
weitere Unterstützung der Demonstration zu werben.
Wir bitten alle UnterstützerInnen dies bis Freitag 03.03.00 an Hans-Jürgen
Heinemann (DGB-Landesbezirk; tel. 0361-5961420 oder fax 5961444) mitzuteilen.
Mit solidarischen Grüßen
Angelo Lucifero
Aufruf
Courage zeigen - Aufrecht gehen: Nicht im Gleichschritt marschieren!
Aufruf zu einer Demonstration
und Kundgebung am 11.März in Erfurt
Nach der Demonstration der NPD am 19. Februar in Gera marschierten am 26.
Februar in Erfurt zum zweiten Mal in diesem Jahr mehrere hundert Anhänger und
Mitglieder neofaschistischer und nationalistischer Organisationen durch
Thüringer Innenstädte.
In Gera wurde gegen ein Flüchtlingsheim volksverhetzend agitiert.
In Erfurt beanspruchte die von der "Interessengemeinschaft Wiedervereinigung
Gesamtdeutschland" (IWG) angemeldete Demonstration unverhohlen polnisches und
tschechisches Territorium.
In beiden Fällen tonangebend die Thüringer NPD und die militante Kameradschaft
"Thüringer Heimatschutz". Diesen beiden Organisationen ist in den vergangenen
Jahren eine Vernetzung gelungen, die weit über ihr Mitgliederspektrum
hinausreicht. Dem entspricht die seit Jahren anhaltende Zunahme rechtsextremer
Straftaten in Thüringen.
Untersuchungen gehen von einem rechtsextremen Einstellungspotential von bis zu
18 % in der Bevölkerung aus. Allein 40 % der Thüringer Jugendlichen sind in mehr
oder weniger starkem Maße ausländerfeindlich eingestellt.
Wir haben es nicht mit einem "importierten" Problem zu tun, sondern mit einer
mobilisierungs- und handlungsfähigen militanten Rechten in Thüringen.
In den letzten Wochen wurde in Thüringen über das Für und Wider von Verboten
gegen neofaschistische Aufmärsche gestritten. Es gibt Gründe, mit Verboten
deutlich zu machen, dass die Demokratie gegen Angriffe geschützt wird. Es gibt
ebenso Gründe, dass die Demokratie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit
auch bis zur Schmerzgrenze garantieren muss.
Der Reduktion der öffentlichen Debatte auf die Frage des Verbotes von
Demonstrationen halten wir entgegen: Weder mit, noch ohne Verbote kann das
Anwachsen neofaschistischer Strukturen in Thüringen gestoppt werden.
Erforderlich ist, dass sich mehr Menschen gegen Rassismus, Nationalismus und
gegen autoritäre Politikmodelle bekennen. Wenn hunderte Alt- und Neonazis
aufmarschieren wollen, dann muss die demokratische Gesellschaft sich politisch
und öffentlich dagegen positionieren.
Zu viele Menschen und Organisationen der Zivilgesellschaft haben in den
vergangenen Wochen geschwiegen. Die betroffenen Kommunen und Behörden haben
Entscheidungen getroffen, die das Engagement gegen neofaschistische Aufmärsche
teilweise nicht unterstützt, sondern behindert haben. In Gera forderte der
Oberbürgermeister auf, nicht gegen die NPD zu demonstrieren. In Erfurt setzte
die Polizei Tränengas, Stiefel und Fäuste gegen diejenigen ein, die sich dem
neofaschistischen Aufmarsch entgegenstellten.
Wir, die Unterzeichnenden erklären hiermit, heute und in Zukunft nicht tatenlos
zuzusehen, wenn Menschen die Grundlagen eines vom Gedanken der Verständigung
getragenen gleichberechtigten Zusammenlebens aller angreifen.
Wir werden nicht hinnehmen, daß Menschen wegen ihres sozialen oder politischen
Hintergrunds, wegen ihrer Herkunft, wegen ihrer weltanschaulichen, religiösen
oder sexuellen Orientierung, wegen ihres Aussehens oder einer Behinderung
diskreditiert oder diskriminiert werden.
Wir können nicht zulassen, dass Menschen, die sich mit Zivilcourage
rassistischer und menschenverachtender Demagogie entgegenstellen Ziel und Opfer
von Repression Hetze und Gewalt werden.
Der Schutz der Menschenrechte und der Demokratie ist eine Aufgabe aller.
Wir rufen dazu auf, am 11.03.2000 um 11 Uhr ein Zeichen gegen Neofaschismus und
Rassismus, für die Achtung der Menschenrechte und die Wahrung der Demokratie zu
setzen. Thüringen darf sich nicht weiter zu einer Quelle und zum Aufmarschgebiet
eines neuen deutschen Faschismus entwickeln.
Zur Demonstration rufen auf: Aktionskreis für Frieden Erfurt e.V., Julika Bürgin
(Vorsitzende Flüchtlingsrat Thüringen e.V.), DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.,
Steffen Dittes (MdL PDS-Fraktion ), Michael Ebenau (Gewerkschaftssekretär der IG
Metall, Jena), Marco Eilers (Landesvorstand Bündnis 90/Grüne), Heiko Gentzel
(MdL, Vorsitzender SPD-Fraktion), Roland Hahnemann (MdL, PDS-Fraktion), Dieter
Haushold (PDS-Landesvorsitzender), Hans-Jürgen Heinemann (DGB Landesbezirk), Ute
Hinkeldein (Aktionskreis für Frieden Erfurt e.V.), Angelo Lucifero
(Landesvorsitzender der Gewerkschaft hbv, Sprecher der LAG
AntiFa/Antirassismus), Carsten Meyer (Landesvorstand Bündnis 90/Grüne),
Infoladen Sabotnik, Offenes Antifa Plenum Erfurt, Gruppe Pakt, Gisela Rexrodt
(Landesvorstand Bündnis 90/Grüne), Astrid Rothe (Landessprecherin Bündnis
90/Grüne), Jürgen Schäfer (Geschäftsführer des DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.),
Frank Spieth (DGB Landesvorsitzender), Jürgen Spilling (VVN-BdA), Thomas Damm
(Rechtsanwalt Erfurt), Gabi Zimmer (MdL, Vorsitzende der PDS-Fraktion), Jörg
Zimmermann /
Stand: 1. März 2000
haGalil onLine 01-03-2000
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