antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

Nachrichten
haGalil onLine

Hans Joachim Schoeps:
Jüdische Geisteswelt

Über Juden, jüdischen Geist, jüdische Religion sind noch immer so abenteuerliche Vorstellungen verbreitet, daß ein ernstlicher Wandel nur erwartet werden kann, wenn eine Hinwendung ad fontes, zu den Quellen, erfolgt und diese vorurteils- und absichtslos befragt werden. Gerade die apologetischen und polemischen Behandlungen des Gegenstandes früherer Jahrzehnte sind schuld daran, daß so viele Zerrbilder und falsche Klischees des Judentums in der Welt kursieren.

Das Judentum ist weder eine bloße Konfession noch ist es eine Rasse oder eine moderne Nation, sondern es hat in einem schwer definierbaren Dazwischen seinen Platz, für das es auch keine Analogien und Parallelen gibt. Schon der Heide Bileam der biblischen Erzählung sah sich zu der Feststellung über Israel gedrungen: "Hier ist ein Volk, das besonders ist und nicht unter die Völker gerechnet wird" (4Mos. 23, 9).

Wenn man diese Sonderart mit modernen Kategorien ausdrücken soll, ließe sich noch am ehesten sagen, daß es sich beim Judentum um eine Religionsgemeinde mit einem einheitlichen biologischen Abstammungszentrum handelt. Diese einzigartige Gemeinde ist durch einen Stiftungsakt zustandegekommen, indem der Stämmeverband Israel von Gott aus der Völkerwelt ausgewählt und an den Sinaj geführt worden ist, um dort — nach jüdischem Glauben — der Partnerschaft eines göttlichen Bundesschlusses gewürdigt zu werden und die Thorah zu empfangen als die für Israel verbindliche Willenskundgebung des Herrn über Himmel und Erde.

Weil es der leibliche Same des Vaters Abraham war, dem nach biblischem Bericht Erwählung und Verheißung gegeben worden sind, stand und steht Israel durch die Jahrtausende unter einem gebundenen Schicksal. Sein geschichtlicher Auftrag ist es, Gottes Königsherrschaft über die Welt den Völkern zu bezeugen. Und das eindrucksvollste Zeugnis gibt sein bloßes Dasein, daß es als einziges Volk des Altertums heute noch am Leben ist. Insofern ist heute noch jeder Jude durch sein physisches Dasein ein Wunder der göttlichen Providenz, wie schon der Magus des Nordens J. G. Hamann einmal festgestellt hat. Bekanntlich hat auch Friedrich der Große, der freigeistige Preußenkönig, das Dasein der Juden als den einzig möglichen positiven Gottesbeweis anerkennen wollen.

Das Judentum aber hat durch die Jahrhunderte hindurch in vielfachen Formen und Gestalten der Welt seine Botschaft verkündet: daß die Welt nicht selber letztes Maß und letzte Norm bedeutet, sondern daß sie einen Herrn hat, vor dem sich die Menschen beugen sollen. Dieser Auftrag verbindet die Synagoge mit der christlichen Kirche und auch mit der islamischen Moschee, die beide einmal aus ihr hervorgegangen sind. Wenn aber der Mensch Gottes Willen tut — und nach jüdischem Glauben hat der Mensch die Freiheit und die Kraft, wenigstens damit anzufangen —, geht es um die Verwirklichung von Frieden und Gerechtigkeit, wächst die Welt zur G'ttlichkeit heran. Diese Verheisung ist nach jüdischem Glauben noch nicht angebrochen, sondern im Kommen. Der Mensch — Jude, Christ und Heide — ist immer aufgerufen hin zum Sinai.

Die jüdische Weltmission liegt darin, diesen Ruf immer wieder neu hörbar zu machen. Noch der moderne, tief in die allgemeine Saekularisierung der Welt hineinverstrickte Jude wird von diesem Pathos getragen, dem Walter Rathenau einmal in einem Briefe Ausdruck gab, als er einem Antisemiten schrieb: "Sie lieben das Alte Testament und hassen — nein, mißbilligen — uns Juden. Sie haben recht, denn wir haben unsere Sendung noch nicht erfüllt. Wissen Sie, wozu wir in die Welt gekommen sind? Um jedes Menschenantlitz vor den Sinai zu rufen. Sie wollen nicht hin? Wenn ich Sie nicht rufe, wird Marx Sie rufen. Wenn Marx Sie nicht ruft, wird Spinoza Sie rufen. Wenn Spinoza Sie nicht ruft, wird Christus Sie rufen."

Das war freilich nur von der Peripherie des Judentums her gesehen, denn Marx, Spinoza, Christus sind für das seiner selbst bewußte fromme Judentum nicht in Anspruch zu nehmen. Aber der Ruf zum Sinai an den Menschen, der in der Ferne steht, daß die Gerechtigkeit Gottes angestrebt und bezeugt wird inmitten des menschlichen Unrechts, das ist das ewig Jüdische.

Gerade dem von Gottes Wort abgelösten, ganz auf sich selbst gestellten Menschen unserer Tage gilt die Botschaft des Judentums, die sich durch die Jahrtausende nicht geändert hat und die einen chassidischen Rabbi seinen Schülern sagen ließ: "Die große Schuld des Menschen ist, daß er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und sie nicht tut." Am Umkehrenden aber geschieht nach jüdischem Glauben die Schöpfung aufs neue.

Quelle: Aus dem Vorwort zu Hans Joachim Schoeps: "Jüdische Geisteswelt" Dausien '86. Der Herausgeber ist Leiter des Moses Mendelsohn Zentrums in Potsdam.
Selbstverständlich hat auch die hier vorliegende Auswahl sparsam kommentierter Dokumente und Zeugnisse jüdischen Geistes ihre Grenzen, die in der Beschränktheit des Blickfeldes und in der Standortgebundenheit eines jeden Autors, also auch des Herausgebers dieser Auswahl liegen.
Ein anderer hätte vielleicht anderes ausgewählt und dargeboten; der Herausgeber hat sich auf solche Texte beschränkt, die ihm sowohl typisch und repräsentativ als auch eindrucksvoll und belehrend zu sein schienen.
Die Schwierigkeit der Auswahl bestand darin, daß nichts oder nur sehr wenig vorausgesetzt werden konnte und er annehmen mußte, daß fast jeder Text über einen kleinen Kreis Fachgelehrter hinaus unbekannt sein würde.

haGalil 04-01-2000

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved