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Ein österreichisches Sittenbild:
Wieder gut machen?

Ein Nachschlagewerk über den aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand zu "Enteignung, Zwangsarbeit, rassistische, politische und religiöse Verfolgung während des Nationalsozialismus und die (nicht)erfolgte Rückstellung entzogenen Vermögens und Entschädigung der Opfer in Österreich nach 1945" im Kontext der internationalen Auseinandersetzung - etwa im Rahmen der Londoner "Raubgoldkonferenz", der Washingtoner Konferenz über "Vermögenswerte aus der Ära des Holocaust" oder der Entschädigungsdiskussion in der Schweiz und in Deutschland zu erstellen, ist das deklarierte ambitionierte Anliegen des Herausgeberteams.

Die Zusammenstellung der während der letzten zehn Jahren publizierten Artikel von HistorikerInnen sowie Interviews mit ForscherInnen, die zum Teil auch für die seit dem Vorjahr recherchierende Historikerkommission tätig sind, unterstreichen die Komplexität und Aktualität des Sammelbandes. Der lexikalische Charakter wird durch Glossar, Zeittafel und ergänzenden Literaturhinweisen im Anhang, die selbst Internet-Homepages umfassen, betont.

Das "österreichische Modell nationalsozialistischer Enteignungspolitik" sei insgesamt, so die Herausgeber in der Einleitung zum ersten Kapitel über Enteignung, "als Verbindung von Antisemitismus und Wirtschaftspolitik zu begreifen. Neben der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen von Großindustrie, Banken, Gewerbetreibenden und NS-Wirtschaftsplanern verfolgte die nationalsozialistische Enteignungspolitik auch die systematische Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens und in letzter Konsequenz aus Österreich überhaupt."

Trotz des wissenschaftlichen Charakters der Beiträge liest sich der Band wie ein Krimi: es geht um Neid, Konkurrenz, Geld und Macht - der Inhalt ist spannend und blutrünstig und sollte der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung längst bekannt sein. Dass die geschilderten Ereignissen österreichische Geschichte sind, wird aber wahrscheinlich selbst den Generationen in ferner Zukunft unfassbar und schwer nachvollziehbar erscheinen. Im öffentlichen Bewusstsein ist die Aufdeckung der Verstrickungen von Österreichern im Nationalsozialismus bis in die Gegenwart ja weitgehend und bis in die 80er Jahre fast gänzlich unterblieben. Mit einigem Widerwillen hat sich die von Simon Wiesenthal bereits in den 60er Jahren verbreitete Erkenntnis durchgesetzt, wonach die Hälfte der Morde im Holocaust unter Beteiligung von Österreichern begangen worden war. Im vorliegenden Sammelwerk geht es nun um die Ausgrenzung und Vertreibung bei gleichzeitiger Bereicherung - nicht fernab in Konzentrationslagern in Polen, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft, im Haus, im Geschäft oder in der Wohnung nebenan, dort wo man nicht nur wissen musste, was geschah, sondern da, wo sich viele "kleine" Leute am Raubzug beteiligten und davon profitierten. Binnen Minuten wechselten Autos, Wohnungen, Einrichtungsgegenstände, Schmuck, Bilder, Geld und - wenngleich mit etwas größerem bürokratischen Aufwand - Geschäfte und ganze Häuser und Grundstücke den Besitzer. In so gut wie allen Fällen war es ein einseitiges Geschäft - die Zustimmung des Eigentümers war nicht gefragt. Floss dennoch Geld, so wurde es zum größten Teil vom Deutschen Reich kassiert: als "Reichsfluchtsteuer", "Judenvermögensabgabe" etc. "Umstrukturierung nach ‚rassischen' Prinzipien", nennt der Historiker Hans Witek diesen Prozess, der in der Ostmark so gut funktionierte, dass er zum "Modell der Enteignungspolitik", zum "Vorbild für 'reichsdeutsche' Stellen" wurde.

Eine Schüsselrolle spielte die im Beitrag von Jonny Moser beschriebene "Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien", die von einem Österreicher - Adolf Eichmann - erfunden und geleitet wurde und als Modell für Prag, Berlin und Amsterdam diente. In Mosers Beitrag ist - allerdings nicht konkret ausgeführt - von "verschiedenen Personen jüdischer Abkunft" die Rede, die eine Vereinbarung mit Nationalsozialisten aus Österreich suchten, um die jüdische Auswanderung zu beschleunigen - auf Kosten vermögender Juden, die als Gegenleistung für die Ermöglichung ihrer Ausreise "in überseeische Staaten" nun zur Gänze enteignet wurden. In der Folge wurden aus diesen Mitteln ab 1941 nach dem am 31. Juli verhängten Auswanderungsverbot die Deportationen bezahlt.

Das Schicksal der Zwangsarbeit auf österreichischem Boden - großteils waren sie in der Landwirtschaft sowie in der Kriegs- und Schwerindustrie sowie im Straßen- und Eisenbahnbau eingesetzt - wird in einem eigenen Kapitel nachgegangen. Die Zahl der heute noch - vor allem in den osteuropäischen und GUS-Staaten - lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter in Österreich wird auf 100.000 geschätzt - sie haben zumeist keine Entschädigung erhalten. Das Eingeständnis dieser Schuld und die Bereitschaft zur Entschädigung ist das dringliche Anliegen der nächsten Monate.

Ein weiteres Kapitel ist den zahlreichen, ganz unterschiedlichen Opfergruppen gewidmet, die zum Teil auch nach dem Ende des Nationalsozialismus weiter ausgegrenzt und diskriminiert (wie Roma und Sinti, Behinderte sowie Homosexuelle), ignoriert (wie Juden) oder vergessen wurden (wie Zeugen der Wachturmgesellschaft, Zwangsoperierte oder Opfer der Euthanasie).

Das letzte große Thema des Sammelbands betrifft Rückstellung und Entschädigung, jene Bereiche, die durch die Erkenntnisse der Historikerkommission aufgehellt werden sollen. Aus den bisherigen Erkenntnissen, die in einem Artikel der Historikerin Brigitte Bailer-Galanda wiedergegeben werden, lässt einen unrühmlichen Umgang des demokratischen Nachkriegs-Österreich mit den Opfern des Nationalsozialismus vermuten. Die Anspruchsberechtigten waren in eng ausgelegten Definitionen umschrieben, politischer Widerstand vorausgesetzt, was rassisch, religiös oder ihrer sexuellen Orientierung wegen Verfolgte zunächst ganz ausschloss. Schließlich doch zuerkannte Entschädigungen und Opferrenten waren äußerst niedrig bemessen. Rückstellungen erfolgten unwillig und mit großer zeitlicher Verzögerung, zum Teil wurden erpresserische Methoden angewandt, etwa, wenn es um die Erhaltung von Kulturgütern ging. "Die Leistungen für die NS-Opfer bleiben", so Bailer-Galanda in ihrem Resümee, "weit hinter den tatsächlichen Verlusten zurück". Die verweigerte Rückgabe betraf auch Zehntausende "arisierte" Mietwohnungen, die den Vertriebenen zugunsten der Nutznießern des Nationalsozialismus vorenthalten wurden.

Die Buchbroschüre ist ein absolutes Muss für alle, die Österreich kennen lernen wollen, und ein Muss für alle ÖsterreicherInnen, die sich selbst kennen lernen wollen.

Wieder gut machen?
Enteignung, Zwangsarbeit, Entschädigung und Restitution

Herausgeber: Forum Politische Bildung, Wien, Studienverlag,
ISBN 3-7065-1404-4,
182 Seiten; Euro 12,50
Für österreichische Schulen kann diese Buchbroschüre auch beim österreichischen Unterrichtsministerium, Abt. politische Bildung, A-1014 Wien, Minoritenplatz 5 bestellt werden.

Bestellen?

anton legerer jr. / haGalil 06-01-2000

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