„Brandstifter und ihre Mitläufer“

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In seinem neuen Buch warnt Rafael Seligmann davor, dass „autoritäre Führer“ und „starke Männer“ mit ihrer Politik destruktive Wirkungen entfalten. Demokratiegefährdungen werden in gut verständlicher Schreibe veranschaulicht. Nicht jedes Beispiel muss aber unbedingt passen, gleichwohl sind auch solche Warnungen wichtig.

Von Armin Pfahl-Traughber

Eine Fixierung auf Führerfiguren lässt sich in vielen Ländern ausmachen, für die gemeinten „starken Männer“ stehen nicht nur Putin und Trump. Als Anschauungsmaterial können auch Erdogan und Xi Jingping dienen. Die Genannten führen im eigenen Land eine autoritäre Politik durch, ihr Agieren schürt auch außenpolitische Konflikte und gefährdet damit die internationale Politik. Gleichzeitig lies sich in westlichen Demokratien lange eine duldende Passivität konstatieren. Erst gravierende Einschnitte, wie etwa der Angriff auf die Ukraine, führten zum Umdenken. All diese Beobachtungen machte auch Rafael Seligmann, seine zahlreichen Büchern hat er um ein darauf bezogenes neues Werk ergänzt. Es erschien mit „Brandstifter und ihre Mitläufer. Putin – Trump – Netanyahu. Warum sie erfolgreich sind und wie man sie stoppen kann“ als Titel. Genau in dieser Formulierung ist auch der Kerninhalt getroffen: Es sollen die gemeinten „Brandstifter“ bezogen auf ihre Mobilisierungsmethoden, Rezepte und Wirkungen untersucht werden.

Der Autor, studierter Historiker und langjähriger Publizist, geht dabei nicht in streng wissenschaftlichem Sinne vor. Das Buch enthält auch keine Fußnoten, es erinnert an allgemein bekannte Fakten und öffentlich zugängliches Wissen. Mit innerer Empörung und mit leichter Hand geschrieben nähert sich dabei Seligmann seinem Thema. Es geht ihm um den kritischen Blick auf die gemeinten Führerfiguren, wozu er auch historische Fälle von Napoleon bis Pinochet zählt. In gesellschaftlichen Krisenphasen haben sie immer wieder einschlägige Resonanzen ausgelöst. „Brandstifter“ nennt sie Seligmann, hiermit auch auf einschlägige Literatur zum Thema verweisend. Vieles kann man schon bei Dostojewski oder Frisch oder Shakespeare dazu lesen. Der Autor selbst hatte ein eigenes Buch gerade einer solchen Musterfigur gewidmet, nämlich Hitler, der auch hier ein eigenes Kapitel als informelle Vorgeschichte erhält. Es soll aber gerade nicht um die „Brandstifter“ der Geschichte, sondern um die Gefahren für die Gegenwart gehen.

Und dementsprechend finden sich auch längere Ausführungen zu gleich fünf „Brandstiftern der Gegenwart“, wozu Putin, Xi Jingping, Erdogan, Netanyahu und Trump gezählt werden. Für alle Genannten wird eine politische Lebensbeschreibung geliefert, wobei insbesondere das konflikthafte Agieren das Interesse findet. Der Autor versucht auch, deren besondere Charakterstruktur herauszuarbeiten. Dabei findet er interessante Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Erstere veranschaulichen, dass man es mit einem identischen Typus zu tun hat. Sie agieren als Autokraten, müssen aber keine „Heißsporne“ sein. Auch Ideologie spielt bei ihnen keine so große Rolle. Es scheint, die Macht um der Macht willen das zentrale Prägungselement zu sein. Passt aber in die erwähnte Auflistung dann auch Netanyahu hinein? Es gibt gute Gründe, seine Politik zu kritisieren, sowohl die Außen- wie die Innenpolitik. Der Abschnitt über ihn wird vom Autor mit folgenden Worten abgeschlossen: „Denn jeder Tag, den Bibi länger am Amt klebt, gefährdet Israel zunehmend“ (S. 102).

Gleichwohl steht er für eine andere Dimension von Herrschaft im Kontext, denn Netanyahu kann abgewählt werden, Putin und Xi Jinping nicht. Der Autor neigt auch gegenüber Netanyahu ein wenig zu „Psychologisierung“, führt er doch dessen politisches Agieren konstitutiv auf ein familiäres Schicksal zurück. Bekanntlich kam der Bruder bei einer Geiselbefreiung ums Leben. Hier macht es sich Seligmann ein wenig zu einfach, was aber nicht gegen seine kritische Wahrnehmung spricht. Das letzte große Kapitel ist mit „Instrumente der Freiheit: Wie man ihre Feinde stoppt“ überschrieben. Darin erinnert der Autor an Bestandteile von Demokratie, die einmal als gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten galten, aber heute wieder stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt werden müssten. Es geht ihm dabei nicht nur um Gewaltenteilung und Pressefreiheit, auch die Säkularität des Staates wird deutlich eingefordert. Man hat es mit einem gut lesbaren Buch zu tun, das berechtigt kritisch auf die gemeinten „Brandstifter“ verweist.

Rafael Seligmann, Brandstifter und ihre Mitläufer. Putin – Trump – Netanyahu. Warum sie erfolgreich sind und wie man sie stoppen kann, Freiburg 2024 (Herder-Verlag), 171 S., Euro 18,00, Bestellen?